Einzelnen Beitrag anzeigen
25. April 2007, 10:52   #71
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
Mohrs Märchenstunde

... eigentlich kennt man "Spiegel"-Autor Reinhard Mohr nur als harmlosen Feuilleton-Laberer, der als ergebener Harald-Schmidt-Bewunderer vor Entzückung jedesmal gleich einen ganzen Roman schreibt, wenn sein längst lahm gewordener Guru auch nur einen Pups läßt. Deshalb klicke ich bei seinem üblichen Blala-Geschwurbel meist immer schon nach den ersten Absätzen weiter.

Doch heute hat er mal etwas ganz Wichtiges mitzuteilen und erinnert sich in einem Aufsatz an die schlimme Zeit vor 30 Jahren, als "wir" Linken uns angeblich alle wahnsinnig darüber gefreut hatten, wie die RAF-Terroristen einen Polit-Promi nach dem anderen abballerten. Das liest sich dann etwa so:

Zitat:
Der frühe Abend des 7. April 1977, Gründonnerstag vor Ostern, war mild. Wir saßen draußen vor unserer Jugendherberge im Elsass, als plötzlich jemand heranstürmte: "Die RAF hat den Buback erschossen!" Klatschen, Jubel und Lachen an den einfachen Holztischen, einige holten sich ein frisches Bier zum Anstoßen. Prost, der Kampf geht weiter! Ich selbst war zwiespältig berührt, konnte mich aber nicht dazu durchringen, den feigen Mordanschlag beim Namen zu nennen.

Soweit war ich noch nicht, damals 21 Jahre alt. Ich hatte nur diffuse "Bauchschmerzen".

Derweil wurde in den linken Szenekneipen zwischen Frankfurt, Hamburg und Berlin regelrecht gefeiert.

Erinnerungen an ein mörderisches Jahr
Nun bin ich selbst nur wenige Jahre älter als Herr Mohr und habe diese Zeit nicht in Jugendherbergen verbracht, sondern arbeitete damals bereits für Zeitungen, so daß man davon ausgehen kann, daß ich die Hamburger Kneipen-Szene zur Zeit des "Heißen Herbstes" 1977 ganz gut gekannt habe. Allerdings: An die erwähnten Jubel-Orgien nach Terror-Anschlägen kann ich mich nicht erinnern. Die hat Herr Mohr wohl nur geträumt. Und falls er so etwas tatsächlich einmal erlebt hat, ist es eine Unverfrorenheit von ihn, derartige Einzelfälle heute nach 30 Jahren als "normal" für die damalige Szene der Linken darzustellen.

Keine Ahnung, bei wem sich ein Autor mit so einem hanebüchenen Quatsch einschleimen will. Der Chefredakteur des "Spiegel" kann es jedenfalls nicht sein, denn Stefan Aust, der sich in der Tat mit dem "Baader Meinhof Komplex" besser als jeder andere Journalist in Deutschland auskennt, hatte gerade erst in einem sehr lesenswerten Chat seine Erinnerungen an jene Zeit geschildert, die im Gegensatz zu Mohrs Märchenstunde die Stimmung unter den Linken sehr viel realistischer darstellt. Und ich denke mal, daß nicht nur ich, sondern die große Mehrheit der Linken damals ähnlich wie Aust gedacht hatten: Kritik an Leuten wie Buback und anderen überforschen Repräsentanten eines Machtstaats ja, aber ein klares Nein, wenn es um Mord und andere terroristische Gewalt-Aktionen geht.

Chat mit Stefan Aust

"Baader hat versucht, mich zu ermorden"

So, und jetzt hoffe ich, daß Harald Schmidt schon bald wieder irgendeine Luftblase abläßt, damit sein peinlicher Jubel-Mohr endlich wieder über Themen schreiben kann, von denen er auch etwas versteht.

Gruß Ben

PS: Mal eine Frage an die anderen älteren Skatianer: Habt Ihr damals etwa auch solche frenetischen Beifalls-Bekundungen nach jedem Anschlag erlebt?