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23. August 2007, 16:30   #98
Ben-99
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... liebe(r) Doty, vielen Dank für Dein Kompliment hinsichtlich meiner faszinierenden "sozialen Intelligenz", was ich grundsätzlich, schon aus reinem Trotz, immer positiv auffasse, versteht sich ;-)

Ansonsten respektiere ich Deine persönliche Meinung zum Fall Natascha Kampusch. Allerdings machst auch Du den Fehler, unbewiesene Behauptungen mit Fakten zu verwechseln, wenn Du zum Beispiel schreibst, daß sie "von einem Psycho entführt worden und acht Jahre in einem Kellerloch eingesperrt worden" sei. Dabei ist lediglich bewiesen, daß der Kellerraum existiert und daß er wohl auch zeitweilig von ihr bewohnt wurde. Ob Natascha dort 8 Wochen oder vielleicht auch 8 Monate verbracht hat, ist nicht bekannt. Ganz sicher waren es aber keine "acht Jahre". Denn das würde nun mal schlecht zu ihren Kino-Besuchen, Ski- und Shopping-Ausflügen sowie ihren regelmäßigen entspannten Aufenthalten im Garten des Hauses passen.

Eigentlich ist bis jetzt nicht einmal bewiesen, ob es sich überhaupt um eine "Entführung" handelte - das glaube ich erst dann, wenn zu hundert Prozent klar ist, daß sich Frau Sirny und Herr P. tatsächlich vorher nicht kannten. Auffälligerweise werden ja alle Recherchen in diese und andere Richtungen vom Kampusch-Clan juristisch verhindert. Darum durfte ja zum Beispiel auch ein Buch nicht in Deutschland erscheinen, das noch mal an die Ermittlungsergebnisse der damaligen Kripo-Sonderkommission "Task Force Natascha" erinnert, dessen Leiter nicht zuletzt aufgrund von Aussagen der Nachbarn über das stets traurig wirkende Kind sowie der sichergestellten intimen Fotos sexuellen Mißbrauch auch heute noch nicht ausschließen mag.

Und die Zeitungen machen brav mit und drucken nur das, was die frühere Familie Kampusch in einem positiven Licht erscheinen läßt. Doch in einem gebe ich Dir Recht: Natascha ist auf jeden Fall das Opfer, selbst wenn sie sogar freiwillig zu P. gezogen sein sollte und sich die Ereignisse an diesem Morgen vielleicht ganz anders abgespielt haben, als Frau Sirny in "ihrem" Buch von ihrem Ghostwriter erzählen läßt.

Fakt ist allerdings, daß es Natascha vom ersten Tag nach ihrer "Selbstbefreiung" in der Hand hatte, wie sie mit den Medien umgehen will. Und sie entschied sich eben ausdrücklich nicht für die "Ruhe", die Du ihr wünscht, sondern konnte ihren Auftritt als "Fernsehstar" gar nicht abwarten, machte auch sonst immer wieder von sich reden, besuchte eine Promi-Disco, wohnte mit alberner überdimensionaler Sonnenbrille und affigem Karl-Lagerfeld-Fächer der Buch-Präsentation ihrer Mutter bei und flog pünktlich zum Jahrestag mit einem Fernseh-Team ins sonnige Barcelona. Aber Du wünscht ihr "Ruhe und Frieden" ;-)

Überleg' doch mal: Als ich letztes Jahr diesen Thread aufgemacht hatte, gab es nicht mal ein Foto von Natascha Kampusch. Keiner wußte, wie sie aussieht, und erfahrene Psychologen erklärten, daß es wohl noch sehr lange dauern wird, bis sie sich, wenn überhaupt, dazu entschließt, in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten. Man ging von mindestens mehreren Monaten aus. Frühestens in einem halben Jahr, hieß es damals aus Expertenkreisen.

Um so verblüffter waren alle, als sie sich bereits nach 14 Tagen dem Sender ORF in einem "großen Fernsehinterview" präsentierte. Und gerade dieser von ihr von Anfang bis Ende inszenierte Auftritt hat wohl viele Menschen abgeschreckt. Und zwar war es nicht nur ihr gestelzter Sprachstil, sondern die ganze Art, wie sie sich präsentierte, was so weit ging, daß sie sogar gönnerhaft dem Interviewer Handzeichen gab, daß er ihr die nächste (vorher einstudierte) Frage stellen darf.

Und bitte nicht vergessen, daß es auch "Fakt" ist, was sich die junge Frau nur Minuten nach ihrer Befreiung aus dem "Kellerverlies" von den ersten herbeigeeilten Polizeibeamten wünschte: Eine Decke. Doch nicht etwa, weil ihr kalt war oder sie sich damit vor neugierigen Blicken schützen wollte. Nein, sie gab an, daß sie auf keinen Fall wolle, daß Fotos auf den Markt gelangen, an denen sie nicht mitverdient.

Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Aber ist es wirklich das, was einem Opfer, das 8 Jahre gefangengehalten sein soll, unmittelbar nach Ende des angeblichen Martyriums durch den Kopf geht? Wer das für "normal" hält, glaubt eben auch all die anderen abenteuerlichen Geschichten, die uns Frau Sirny, Fräulein Kampusch sowie ihre "Berater" auftischen. Einige werden stimmen, andere gehören wohl eher in die Welt der Märchen. Ich persönlich denke: Die ganze Wahrheit kann schon deshalb nicht preisgegeben werden, weil sich dann möglicherweise die Wiener Kripo und Staatsanwaltschaft gezwungen sehen würde, Ermittlungen gegen Personen einzuleiten, die, ich formuliere es mal bewußt vorsichtig, auch zum direkten familiären Umfeld von Natascha zählen könnten.

Gruß Ben