Thema: Stichtage
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15. June 2006, 15:01   #196
Jules
 
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14. Juni 1802: Schinderhannes steht vor dem Untersuchungsgericht in Frankfurt am Main

Johannes Bückler (frz. Jean Buckler; genannt Schinderhannes oder Robin Hood vom Hunsrück; * 1777 (evtl. auch 1778 oder 1779) in Miehlen, Taunus; † 21. November 1803 in Mainz) war ein deutscher Räuber. Als Anführer einer Räuberbande wird er auch Räuberhauptmann genannt.

Carl Zuckmayer umschrieb den Hunsrückräuber in seinem Schinderhanneslied mit den Worten: „Das ist der Schinderhannes, Der Lumpenhund, der Galgenstrick, Der Schrecken jedes Mannes, Und auch der Weiber Stück...“.


Herkunft

Der Name „Schinderhannes“ verweist auf den Beruf des Vaters, der als Wasenknecht (Abdecker) arbeitete. Der Vater Johannes Bückler stammte aus Merzweiler bei Grumbach, seine Vorfahren lebten auf der Wallenbrück in Womrath auf dem Hunsrück. Die Mutter Anna Maria, geborene Schmidt, kam aus Miehlen bei Nastätten im Hintertaunus. Die Eltern Bücklers flüchteten 1783 wegen eines Holzfrevels und eines Wäschediebstahls der Mutter aus Miehlen. 1784 ließ sich der Vater für sechs Jahre vom österreichischen Heer anwerben. Er diente in Mähren, desertierte 1787 und kehrte zunächst in seinen Geburtsort Merzweiler zurück.

Leben

Die räuberische Karriere des jungen Johannes Bückler begann aber erst mit den Revolutionskriegen ab 1792, als französische Truppen das gesamte linksrheinische Gebiet besetzt hatten und damit den Hunsrück in einen anarchischen Zustand versetzten. Hunger, Arbeitslosigkeit und das Fehlen der alten Ordnungsmacht ließen über zwanzig Prozent der Bevölkerung ihr Heil und Überleben in Diebstahl und Raub suchen.

Bückler selbst dürfte in etwa ab 1795 mit Vieh- und Nahrungsdiebstahl begonnen haben. In Kirn wurde er erstmals gefangen genommen, konnte aber kurz darauf entfliehen. Es folgte vollends der Abstieg in die Halbwelt. Kurz darauf schon muss sich Bückler einer Bande angeschlossen haben, zu der unter anderen auch der noch heute aus Kinderkartenspielen bekannte Schwarze Peter gehörte. Nur wenig später wurde Bückler, durch seine Schnelligkeit wie auch seine Lesefähigkeit ausgezeichnet, Anführer dieser Bande, die dann auch Morde zu verüben begann.

Räuberbande

Die Bande des Schinderhannes bestand aus ein bis zwei Dutzend Mitgliedern, die bedarfsweise durch Boten zusammengerufen wurden, also durchaus normalen Tätigkeiten nachgingen. Die Bande lebte nicht nur von Diebstählen und Raub, sondern auch Erpressungen, die vor allem über Briefforderungen ausgeführt wurden. Bei Entführungen wurden aber die Opfer hier und da trotz Lösegeldzahlungen ermordet. Auch gilt heute als gesichert, dass der Schinderhannes sich weder auf »den Krieg gegen Reiche, Juden und Franzosen« beschränkte, noch ein Wohltäter der Armen war. Dennoch scheint es gerade unter den armen Bauern schon früh eine Unterstützung der Bande gegeben zu haben. Denn in den Augen des einfachen Volkes wurden die Juden von den Franzosen bevorzugt, was Neid und Unmut hervorrief. Schinderhannes nutzte diese Stimmung gegen die Juden, indem er immer wieder Juden beraubte. Dies brachte ihm die Sympathie des Volkes ein und mag später zu verklärenden Geschichten und Legenden seiner Taten beigetragen haben.

Johannes Bückler stellte sich bald der Besatzungsmacht entgegen, wurde 1799 kurzzeitig im heutigen Schinderhannes-Turm in Simmern inhaftiert, von wo ihm aber die Flucht gelang.

Mit dem neuen Jahrhundert begann allmählich das französische Polizeisystem, Wirkung zu zeigen. Der auch wegen seiner Frauengeschichten berühmte Schinderhannes befand sich ab 1800 auf der Flucht. Nach zahlreichen Vorgängerinnen, von denen namentlich lediglich eine Elise Werner, eine Budzliese-Amie aus Schneppenbach und eine Katharina Pfeiffer überliefert sind, wurde seine achte oder neunte Geliebte die im Volksmund auch Julchen genannte Juliana Blasius. Juliana wurde die erste beinahe ebenbürtige (und ebenso legendäre) Begleiterin des flüchtigen Räubers.

Um 1801 hauste die Bande des Schinderhannes auf der halb verfallenen Schmidtburg im Hahnenbachtal oberhalb von Kirn. Im nahegelegenen Dorf Griebelschied feierte man sogar öffentlich einen sogenannten Räuberball. Vielleicht durch diesen Übermut wurde die längst sich im Fokus polizeilicher Interessen befindende Bande dann auch lokalisierbar. Nachdem Bückler noch einmal der Verhaftung entgangen war, ließ er sich von der kaiserlichen Armee unter dem Namen Jakob Schweikard rekrutieren, wurde dort aber von einem Verbrecherkollegen namens Zerfass erkannt und denunziert.

Verhaftung und Verurteilung

Am 31. Mai 1802 wurde er bei Wolfenhausen gefasst und nach Frankfurt am Main gebracht. Zu diesem Zeitpunkt schwankte Bücklers Entschlossenheit, ein Räuberleben zu führen. Er versprach den kaiserlichen Behörden über alle seine Straftaten Auskunft zu geben, solange er nicht an die Franzosen ausgeliefert werde. Nach mehreren ausführlichen Verhören wurde er jedoch mit Julchen und einigen Komplizen am 16. Juni 1802 an die französischen Behörden übergeben und nach Mainz gebracht.

Nach der Übergabe war Bückler im Holzturm in Mainz inhaftiert und wurde während der neunmonatigen Voruntersuchung durch Wilhelm Wernher 54 Einzelverhören unterworfen, in denen ihm 565 Fragen gestellt wurden. Hinzu kamen noch zahlreiche Gegenüberstellungen. Wernher hielt Bücklers Hoffnung auf ein gnädiges Urteil aufrecht und konnte ihm so umfangreiche Geständnisse entlocken. Ohne sich jedoch selbst in einer Weise zu belasten, dass er eine Todesstrafe hätte befürchten müssen, benannte er 68 Mitglieder seiner Bande, von denen dann 19 zum Tode verurteilt wurden.

Am 24. Oktober 1803 begann der Prozess, der bereits eine große Volksmenge anzog. Die Verlesung der 72-seitigen Anklageschrift in deutscher und französischer Sprache nahm eineinhalb Tage in Anspruch. Die Bildung der Räuberbande wurde auf die Unruhen und Verwirrungen während der letzten Kriege zurückgeführt. Da eine Durchsetzung der Gesetze zu dieser Zeit nicht einwandfrei möglich war, war die Verlockung Verbrechen zu verüben groß. Bückler wurde nach einem ihm wahrscheinlich unbekannten Gesetz, das ab 1794 auch für jedweden räuberischen Einbruch in ein bewohntes Haus die Todesstrafe vorsah, 1803 zum Tode verurteilt. Das Urteil stand jedoch schon vier Tage vor der Urteilsverkündung fest, da bereits am 16. November „28 Särge für Johann Bückler und Consorten“ bestellt wurden.

Johann Bücklers Vater wurde zu 22 Jahren „Kettenstrafe“ verurteilt, starb aber nach wenigen Wochen am 16. Dezember 1803. Julchen Blasius verbüßte zwei Jahre Zuchthaus. Sie gebar bereits vor dem Prozess in Gefangenschaft am 1. Oktober Bücklers Sohn, Franz Wilhelm. Er starb als Unteroffizier der österreichischen Armee.

Bückler selbst wurde am 21. November 1803 durch das Fallbeil öffentlich hingerichtet. Die Rümpfe und Köpfe der Räuber wurden direkt im verdeckten Raum unter der Guillotine wissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen. Es sollte im Auftrag der „Medizinischen Privatgesellschaft zu Mainz“ u.a. mit Elektroschocks festgestellt werden, wann der menschliche Körper tatsächlich klinisch tot sei. Aufgrund dieser Untersuchungen ist der wahre Aufbewahrungsort von Bücklers Leichnam nicht mit letzter Sicherheit geklärt worden. Das Skelett Bücklers wurde wohl von dem untersuchenden Mainzer Anatomen Professor Jacob Fidelis Ackermann bei dessen Berufung an die Universität Heidelberg mitgenommen und der anatomischen Sammlung der Universität vermacht; heute markiert bei dem Skelett eine Plexiglasscheibe den Durchtritt des Fallbeils durch die Halswirbelsäule.

„Bin weit in der Welt 'rumgekommen, im Wald hat man mich gefangen, man führte mich in die Stadt hinein, wo ich sollt gehangen sein.“ (Volksweise)

Die Legendenbildung begann schon mit der Exekution selbst. Bereits während der Exekution wurden Groschenhefte verkauft, die ein überhöhtes Bild des Verbrechers zeichneten und auch seinen Ruf eines „Robin Hood vom Hunsrück“ begründeten. Die literarisch bekannteste Darstellung des Verbrechers als „edlen Räubers“ bot dann aber erst Carl Zuckmayers Schinderhannes (1927).

Film

Die Geschichte wurde in Der Schinderhannes unter der Regie von Helmut Käutner und prominenter Darsteller, wie Curd Jürgens und Maria Schell, 1958 auf Basis von Carl Zuckmayers Schinderhannes verfilmt.

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