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5. April 2005, 15:29   #1
Loddarnewyork
 
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Mein Fahrrad ist weg!

Ja, mein Fahrrad ist weg. Ein Damenfahrrad, mit rotschwarz-karrierter Satteldecke und Mickey Mouse-Klingeldeckel.

Natürlich war es angeschlossen, angeschlossen mit einem Stahlseil und einem chrom-nickel-messingfarbenem Abus-Schloß. Angeschlossen an einem Baum, einer Rotbuche, passend zur Satteldecke.

Der Baum ist noch da, aber das Fahrrad ist weg.

Natürlich habe ich versucht, den Räuber zu schnappen. Aber während ich so schni-schna-schnappi durch die Gegend schnappte, entdeckte ich plötzlich ein Plakat, mit einer Werbung drauf:

Stahlseile zerschneiden? Da hilft ein Bolzenschneider und den gibbet hier!

Und es folgte eine genaue Wegbeschreibung zu einem Laden, welcher diesen Bolzenschneider vertreibt. Kleingedruckt stand dann noch unten dabei, wer für diese Werbetafel verantwortlich zeigt:
Tutentreter und Söhne, Werbeagentur.

Na bitte! Da hatte ich den Übeltäter ja, Tutentreter und Söhne! Die waren für den Klau meines Fahrrades verantwortlich und die werden von mir belangt! Denn immerhin haben sie mit ihrer Werbung und der genauen Wegbeschreibung zu diesem Laden mit dem Diebstahlswerkzeug den Grundstein gelegt. Nicht der Dieb ist schuld, sondern der, der ihm per Hinweis das möglich macht.

Denn, sind wir doch mal ehrlich, niemand würde ohne Hinweis auf die Idee kommen, mit einem Bolzenschneider ein Stahlseil zu zerschneiden, an dem ein Fahrrad befestigt ist! Und durch die Wegbeschreibung zum Bolzenschneiderladen wurde es dem Fahrraddieb ja nun auch wirklich leicht gemacht.

Also werde ich nicht den Dieb weiterverfolgen, keine Anzeige gegen unbekannt stellen, sondern Tutentreter und Söhne verklagen!

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So wie Tutentreter und Söhne erging es in etwa gerade dem HEISE-Verlag.
Die hatten nämlich in einem ihrer Artikel die in DE verbotene Software Any DVD nicht nur von der Funktion her beschrieben, sondern auch noch einen direkten Hinweis (Link) zur Firma der Software gemacht. Natürlich findet ein Jeder diesen Link auch über Google, aber das interessierte die Musikindustrie nicht und der Heiseverlag wurde wegen der Link-Setzung kostenpflichtig abgemahnt.

Dagegen wehrte sich Heise und ließ es auf einen Prozess ankommen. Denn schließlich gibt es nicht nur die Pressefreiheit, sondern Google ist vollgepropft mit Links zur Firma Slysoft. Einer mehr oder weniger sollte da doch keine Rolle spielen.

Nix da, sagte nun das Gericht. Die Abmahnung der Musikindustrie war rechtens, denn in den Paragraphen des Urheberechtsgesetzes ist dieses Verbot der Link-Setzung verankert. Daß man auch anderweitig zur Website der Firma Slysoft gelangen kann, ist dabei irrelevant.

Fazit:
Wer vorsätzlich Beihilfe zu einer unerlaubten Handlung leistet, haftet daher als Gehilfe. Man rufe also nie wieder: "Haltet den Dieb!", sondern schaue sich nach z.B. einem Schuhladen um, der mit dem Verkauf seiner Schuhe dem Dieb das Davonlaufen schließlich erst ermöglicht...