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14. July 2005, 00:07   #26
Akareyon
 
Registriert seit: November 2001
Beiträge: 2.823
Na gut, auf Wunsch vom GlüWü, die noch was lesen will, und auf Wunsch von Ben: mal zur Abwechslung 'ne unnachprüfbare Tankstellengeschichte, wo ich nicht als der Gewinner dastehe :-)

Achtung, sehr tragisch.

Es war ein stürmischer Abend im letzten Herbst. Es war so stürmisch, daß mein Chef mir aufgrund einer Unwetterwarnung im Radio telefonisch angeordnet hatte, das Waschstraßenwerbeschild und die Gießkannen einzuholen. Draußen goss es in Strömen. Blitze zuckten zwischen den schwarzen Wolken hin und her, von Langerfeld bis Ennepetal erstreckte sich die schwarze Wolkenfront, doch im Westen sah man die Sonne untergehen, und sie ließ die weißen Häuserfassadem auf der anderen Straßenseite gegenüber der Tankstelle in einem leuchtenden Orange glühen.

Ich hatte den schwarzen Golf nicht bei der Einfahrt beobachtet.

Vielleicht lag es daran, daß ich gerade das Getränkeregal aufgefüllt hatte. Es kann sein, daß ein paar Dosen Krombacher fehlten oder eine Lücke in der Pernot-Reihe war.

Vielleicht lag es daran, daß morgens die neue Micky Maus rausgekommen war und ich gerade die Geschichte las, die im Spiegel Online erwähnt worden war, weil auf einem Bildchen ein Buch mit dem Titel "Mein Kampf" zu sehen ist.

Vielleicht lag es daran, daß mir just in jenem Moment im Lager eine Colaflasche aus dem Regal gefallen und auf dem Boden geplatzt ist.

Wie dem auch sei.

Ich sah nicht, wie sie die 6,66 € tankte.

Sie stand einfach plötzlich vor mir.

Ich dachte erst nichts böses - "einen wunderschönen guten Abend!", sagte ich. Ich stammelte nicht, das tue ich nie. Ich bin Profi.

Doch was sie dann tat, hätte sie niemals tun dürfen.

Sie lächelte.

Ein Blitz schlug im gleichen Moment auf den Hügeln gegenüber ein, sein Licht zuckte bläulich durch meine Tanke, und was ich in ihren Augen sah, war die unendliche Weite im Universum, das Wesen der Erde, die Prinzipien der Welt, alle Tiefe des Meeres, die Grundfeste allen ewigen Seins, das Fototrauma der nimmerwelken Schönheit und der Vogelflug beim 64. Breitengrad.

Auf Nylofota, einer Inselgruppe des Planeten Teutates, geht ein Sprichwort, die Liebe sei ein Spiel: wer sich verliebt, hat verloren.

Ich war verloren.

"Du mußt so spät noch arbeiten?", fragte sie. Ihre Anteilnahme war auf eine eigentartige Art und Weise... aufrichtig. Ich mochte ihren Stil, das Nietenhalsband und das Maiden-Shirt.

"Da muß man durch als Lurch, wenn man Frosch werden will", sagte ich fröhlich. Ich wollte nicht, daß sie denkt, bei so einem schönen Wetter zu arbeiten würde mir was ausmachen.

Sie bezahlte, wünschte mir einen schönen Abend und fuhr weiter.

Ich sah sie nie wieder.