Thema: Heute...
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27. September 2003, 14:47   #3
Maggi
 
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Vorab: Eine überaus gute Idee. Ähnliches habe ich mir schon manches Mal überlegt, eine Art Tagebuch, was andere Leute loswerden wollen und der restlichen Welt kundgeben wollen. Dann fange ich mal an:

In der Tat, heute ist Samstag. Zwar putze ich am Samstag nicht, nein, ich putze nie. Wozu ist man auch verheiratet... Heute habe ich eine tolle Weisheit und ihre Bedeutung auf meinen ganz normalen Alltag kennengelernt. Etwas, was ganz besonders die Faulen unter uns freuen wird:
Gut in der Schule, hervorstechen durch gute Leistungen und all der andere Kram - das zahlt sich nämlich überhaupt nicht aus. Es geht mir zwar eher um eine Musikschule, aber so groß ist der Unterschied nicht.

Wie der eine oder andere von anderen pseudointelligenten Erzählungen meinerseits weiß, spiele ich neben meinen zwei Jahren Gitarre auch Klarinette. Jetzt das fünfte Jahr, und mein Lehrer meint mich angesichts "meiner Erfahrung", wie er es auszudrücken pfegt, in allen möglichen, im Umkreis von zwanzig Kilometern stattfindenden musikalischen Veranstaltungen anzumelden.
Zudem kommt die Tatsache, dass sich meine Mutter im Vorstand der unserigen Sauerlacher Musikschule befindet. So kennt mich also die Leiterin der Musikschule Fuchs (Querflöte) persönlich und bat mich jüngst, bei einem waghalsigen Experiment mitzumischen:

Wie vor zwei Jahren sollte ich den Regisseur eines in der Musikschule aufgeführten Theaterstücke assistieren. Damals war es Mozarts Zauberflöte, heuer ist es die Weihnachtsgeschichte von Jesus und Orff.
Ich habe ernsthaft überlegt. Damals war ich sozusagen der Depp für den Rest, für das, was die ehrenwerte Frau Regisseurin nicht machen wollte. Das sollte mir nicht wieder passieren, aber wenn ich abgeleht hätte, wäre meine Mutter wahrscheinlich aus dem Vorstand herausgeschmissen worden undweißGottwasalles.

Es ging heute früh um 10 Uhr los. Acht Kinder waren schon anwesend, darunter sieben des weiblichen Geschlechts und fünf unter der fünften Klasse. In meinem Alter war logischerweise niemand dabei, das müssen ja auch Idioten sein, die sich zu solchen Aufgaben herablassen. Vier Stunden sollte der Spaß dauern, also von 10 Uhr bis um 14 Uhr.

Wir starteten mit einem dieser idiotischen Kennenlernspiele, spielten "Mein linker, linker Platz ist frei", "Die Maschine" (tausende Kinder und ein großes Chaos), "Nachmachen" (tausende, gröhlende Kinder und ein großes Chaos), und außerdem "Die Maschine" (s.o.). Das Resultat dieser nervenaufreibenden Prozedur war, dass alle mit hochroten Köpfen astmathisch vor sich hin keuchten, und der Herr Regisseur unsere Namen kannten.

Danach haben wir angefangen mit dem Text. Das war ja wohl das dümmste überhaupt, weil sich der Herr Orff supergut mit der bayrischen Sprache ausgekannt hat. Alle Personen, die in dem Weihnachtsspiel auftreten, reden bayrisch, außer dem Engel, dem die Intelligenz von Gott gegeben wurde.
Wir lasen uns alsbald die Zeilen durch, die wir zukünftig auf der Bühne aufsagen sollten, wodurch mein Stolz auf meine nordischen Wurzeln nur verstärkt wurde. Trotzdem sollte ich vorsingen, und der von mir vorgebrachte Grund, ich seie des Singens nicht mächtig, wurde achtlos in den Wind gestreut. "Macht nix", wurde mir gesagt, "sing vor." Es enstand eine kleine Diskussion und schließlich weigerte ich mich aus religiösen Gründen, den wiegenden Josef zu singen. Wer bin ich denn, fragte ich mich, und beantwortete mir diese Frage gleich selbst: Ich bin kein Atheist, ich bin Realist. Was soll ich mit einer Bibelgeschichte anfangen, die mir drei lateinische Wörter als drei Heilige Könige verkaufen will.

Seitdem wurde das Verhältnis Maggi-Regisseur etwas kühler. Er sprach nicht mehr mit mir und schaute mich mit einem Eisblick an. Ich bin froh, das Blicke nicht töten können...
Doch das war mir egal. Es war bereits 14 Uhr, und mit einem heiseren Keuchen befreite ich mich aus den eisigen Fesseln und lief alsbald aus dem Zimmer. Nächste Woche soll ich wieder hin. Samstags, von fünfzehn bis neunzehn Uhr... eek