Thema: Stichtage
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12. May 2006, 07:56   #162
Jules
 
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11. Mai 1931: Uraufführung [I]M - Eine Stadt sucht ihren Mörder[/I] in Berlin

M (so der Originaltitel von 1931 - der Zusatz "eine Stadt sucht einen Mörder" wurde erst später hinzugefügt) ist Fritz Langs erster Tonfilm, den er 1931 mit Peter Lorre in der Hauptrolle inszenierte.

Eindrucksvoll wird das Klima einer Großstadt dargestellt, die von einem Kindermörder terrorisiert wird, aber auch der Einfluss der modernen Massenmedien (Zeitung) auf die Stimmungslage der Bevölkerung. Dieser Aspekt der Handlung hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Der Film gibt Einblicke sowohl in die Arbeit der Polizei und in das kriminelle Milieu der Stadt als auch in die psychologische Triebhaftigkeit des Kindermörders.

Die Länge des Films betrug ursprünglich ca. 117 Minuten, Teile des Films gelten heute jedoch als verschollen. Zur Berlinale 2001 wurde eine 107-minütige restaurierte Langfassung des Films vorgestellt.

Handlung des Films
Ein Kindermörder (Peter Lorre) ängstigt die Bewohner Berlins, narrt die Polizei und versetzt die Unterwelt in Aufregung, denn die ständigen Razzien und Kontrollen halten die Kriminellen von ihrer „Arbeit“ ab. Unter Führung des Schränkers (Gustaf Gründgens) und mit Hilfe der Bettler gelingt es ihnen schließlich, den Mörder zu fangen. Aber auch Kriminalkommissar Karl Lohmann (Otto Wernicke) ist dem Mörder auf der Spur, in letzter Minute kann er verhindern, dass er von einem makabren Unterwelttribunal gelyncht wird.

„Immer muß ich durch Straßen gehen und immer spür ich, es ist einer hinter mir her. Das bin ich selber! Manchmal ist mir, als ob ich selbst hinter mir herliefe! Aber ich kann nicht! Kann mir nicht entkommen!“ Mit diesem Monolog in der bedeutungsvollen Schlussszene des Films, als der Kindermörder vor einem Unterwelttribunal seine zwiegespaltene Persönlichkeit beschreibt, wurde Peter Lorre weltberühmt. Eindrucksvoll ist auch das Entsetzen in seinen Augen, als er das M bemerkt, mit dem die Bettler ihn gekennzeichnet haben. Damit ist er gebrandmarkt.

Kritiken
Fritz Langs erster Tonfilm gehört zu den Meisterwerken des deutschen Vorkriegskinos. Verweise auf das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik am Vorabend des Nationalsozialismus sind augenfällig: Obrigkeit und Unterwelt erscheinen als gleichartige Organisationen, die den „Abartigen“ im Namen des „gesunden Volksempfindens“ gemeinsam zur Strecke bringen. Langs sarkastische Schilderungen von Menschenjagd und Massenhysterie sowie Peter Lorres geniale Interpretation des Mörders als Täter und Opfer zugleich wurden von den Nationalsozialisten später nicht ohne Grund als subversiv empfunden. (Lexikon des internationalen Films)

Bemerkungen
Der Film beeindruckt durch seine formale Gestaltung, den Einsatz des Tons sowie die überzeugende Schnitttechnik. So kündigt etwa das leitmotivisch eingesetzte Pfeifen (Grieg: Peer-Gynt-Suite No. 1, „In der Halle des Bergkönigs“) jeweils eine neue Bedrohung an, und die Konferenzen der Polizei und der Verbrecher werden durch akustische wie optische Unterschneidung geschickt miteinander verbunden. Der – bis auf das Pfeifen – völlige Verzicht auf Filmmusik ist für Tonfilme der Zeit nicht ungewöhnlich.

Für den Export wurden neben dem Schlussmonolog, den Peter Lorre auch in englischer und französischer Sprache darstellte, auch einzelne Szenen mit französischen und englischen Darstellern nachgedreht.

Fritz Lang setzte in diesem Film u. a. dem berühmten Berliner Kriminalbeamten Ernst Gennat (1880–1939) ein Denkmal, da der unkonventionelle Kriminalkommissar Karl Lohmann ihm nachempfunden ist.

Peter Lorre, der 1933 vor den Nazis nach Paris flüchtete, begründete 1934 – nicht zuletzt durch die darstellerische Leistung in M – eine Hollywood-Karriere.

1950 stellte der Produzent der ursprünglichen Fassung, Seymour Nebenzal, in den USA ein Remake des Films unter der Regie von Joseph Losey her, Hauptdarsteller war David Wayne. 2003 bearbeitete Michael Farin für den Bayerischen Rundfunk den Stoff für ein Hörspiel-Remake.

1985 spielte Falco in seinem Video zu dem Lied Jeanny (Part I) auf den Film an. Falco trägt ein aufgemaltes „F“ auf dem Rücken, auch der blinde Ballonverkäufer wird gezeigt.

2003 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen Filmkanon für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste mit auf.

Die Geschichte des Films basiert in großen Teilen auf dem Kriminalfall des Serienmörders Peter Kürten, auch bekannt als der „Vampir von Düsseldorf“. Übernommen wurde etwa die Selbstbezichtigung des Täters in Form eines Bekennerschreibens, das in den Zeitungen abgedruckt wird. Kürten wurde im Mai 1930, nach Fertigstellung des Drehbuchs, verhaftet; sein Prozess fand unter enormer Medienaufmerksamkeit statt. Die Premiere von M war am 11. Mai 1931 in Berlin, drei Wochen nachdem Kürten zum Tode verurteilt worden war. Auch der Fall Fritz Haarmann diente als Vorbild.

2003 erschien das Album "Schwan" der Flensburger Punkband Turbostaat mit dem Titel "M-eine Stadt sucht ihren Mörder"

Restaurierung
Der ursprüngliche Film M von 1931 war 3.208 Meter lang und hatte eine Laufzeit von 117 Minuten. Im Mai 1931 wurde er nach der Zensur gekürzt auf 3.100 Meter und lief dann 111 Minuten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam eine Filmfassung mit nur noch 2.693 Meter und einer Spieldauer von 99 Minuten in die Kinos. Im März 1960 erhielt der Film zuerst den Titel M - Dein Mörder sieht Dich an und wurde später umbenannt in den heute verwendeten Titel.

Für eine DVD-Veröffentlichung im Jahr 2003 wurden alle verfügbaren Filmteile zusammengesucht, um möglichst nah an die ursprüngliche Fassung heranzukommen. Im Bundesarchiv-Filmarchiv fanden sich 2.623 Meter der Zensurfassung vom Mai 1931, allerdings in relativ schlechtem Zustand. Weitere Filmteile wurden bei der Cinematheque Suisse in Lausanne und beim Nederlands Filmmuseum gefunden. Nach Zusammenfügen aller verfügbaren Teile war der Film mit 3.024 Metern und 105 Minuten Laufzeit am dichtesten an der ursprünglichen Fassung. Alle Filmteile mussten einer intensiven digitalen Nachbearbeitung unterzogen werden. Bei vorhergehenden Veröffentlichungen wurden zum Beispiel das ursprüngliche Filmformat von 1:1,9 nicht eingehalten, sondern auf 4:3 (Fernsehformat) heraufgesetzt. Dadurch fehlten am oberen und unteren Rand Bildteile. Außerdem mussten zahlreiche Beschädigungen, die Graustufen, Schärfe, der wackelige Bildstand und der Ton nachbearbeitet werden.

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