Thema: Stichtage
Einzelnen Beitrag anzeigen
12. May 2006, 08:02   #163
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
12. Mai 1973: Im 3. Fernsehprogr. (WDR ) startet die Serie „Ein Herz und eine Seele“

Ein Herz und eine Seele ist eine deutsche Fernsehserie, die in den 70er Jahren vom WDR produziert wurde.

Autor der Serie ist Wolfgang Menge, bekannt unter anderem durch die Fernsehserie Stahlnetz. Menge hat das englische Vorbild Till Death Us Do Part auf deutsche Verhältnisse übertragen.

Handlung
Die Serie zeigt stark überspitzt das Zusammenleben einer typisch deutschen Familie in einem Arbeiterviertel in Bochum.

Alfred Tetzlaff (Ekel Alfred), die Hauptfigur, ist der typische reaktionäre bundesdeutsche Spießer. Sein chauvinistisches bis frauenverachtendes Auftreten, Ausfälle gegen die SPD-Regierung, seinen Schwiegersohn und vieles mehr zielen dabei auf die zeitgenössischen kleinbürgerlichen Stammtischpolitiker.

Else Tetzlaff, geb. Böteführ, ist das einfältige Hausmütterchen, versteht nichts von Politik und bringt Alfred damit immer wieder auf die Palme. Worauf sie von ihm immer wieder als "dusselige Kuh" bezeichnet wird.

Rita Graf, geb. Tetzlaff, die Tochter des Hauses, ist von Beruf Verkäuferin, mit Michael verheiratet und wohnt zusammen mit ihm bei ihren Eltern. Sie muss regelmäßig die Launen ihres Vater ertragen.

Michael Graf, Alfreds Schwiegersohn, verkörpert den legeren, von den 68ern geprägten links stehenden Mittzwanziger und wird deshalb vom Familienoberhaupt regelmäßig als "Sozi", "Komsomolze" usw. bezeichnet. Er stammt aus der DDR.

Erfolg der Serie
"Ein Herz und eine Seele" wurde von Wolfgang Menge nach dem Vorbild der US-amerikanischen Serie "All in the Family" (1971-1979) - die wiederum auf die britische Serie "Till Death Us Do Part" (1965-1975) zurückgeht - den deutschen Verhältnissen (SPD-Regierung, Nachwehen der Studentenrevolte) entsprechend entwickelt. Menge übernahm sogar die Namen aus "Till Death Us Do Part": Alfred heißt im Original Alf, Michael heißt Mike, Else und Rita haben exakt den gleichen Namen. Fernsehgeschichtlich bedeutsamer war indes die Übernahme des Sitcom-Formats ins deutsche Programm.

Es war die erste Fernsehserie, die sich auch mit dem politischen Geschehen der damaligen Zeit auseinander setzte. Vor allem dem schwarzen Humor und der hervorragenden schauspielerischen Leistung der Darsteller sowie den intelligent gestrickten Dialogen ist der Erfolg zu verdanken.

Die derbe Sprache und zotigen Gags, sowie die ideologische Polarisierung der Protagonisten mit Anspielungen auf die aktuelle politische Situation waren für das Fernsehen einerseits noch ungewohnt, gelangten andererseits nach anfänglicher Kritik schnell zu großer Beliebtheit. Paradoxerweise stellte die Serie ungeachtet ihrer innewohnenden Gesellschaftskritik einen maßgeblichen Schritt auf die angelsächsische Ästhetik der Soaps und Sitcoms dar, die in einem kammerspielartig (oder volksbühnenartig) reduzierten Setting mit einem Minimum an Personen arbeiteten und sowohl in der Aufnahmetechnik als auch in der Storyline und Sprache ein Höchstmaß an Rationalität darstellten.

Die ersten 11 Folgen der 1. Staffel wurden noch in Schwarz/Weiß gedreht. Gerade diese Folgen sind heute Kult. Die 12. Folge (Sylvesterpunsch) wird zu Silvester - ähnlich wie Dinner for One - immer wieder ausgestrahlt. Es war zudem die erste Folge in Farbe. Die Folge Besuch aus der Ostzone enthält aus heutiger Sicht eine besondere Ironie, da bei der Fußball-WM 1974 die DDR-Auswahl, über die sich Alfred im Gespräch mit Michaels Vater lustig macht, gegen die DFB-Auswahl mit 1:0 gewann.

Die 2. Staffel wurde nach nur 4 Folgen eingestellt, da das Zuschauerinteresse stark zurückging. Dieser Rückgang wurde der geänderten Besetzung zugeschrieben. Ein Grund war wohl auch der aktuelle Bezug und die kompromißlose Lagermentalität der Protagonisten, deren Argumentationslinien in dem Maß als unzeitgemäß erscheinen mussten, als die politische Landschaft mehr und mehr von Kompromissen bestimmt wurde.

Nach dem Mauerfall schrieb Wolfgang Menge die Serie Motzki, die sich um den pensionierten Fahrlehrer Friedhelm Motzki aus West-Berlin drehte, der laufend über die Zonendödel schimpft (motzt). Heinz Schubert drehte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre mehrere Folgen von Mit einem Bein im Grab, als er den Rentner Viktor Bölkhoff spielte.

Episoden
Staffel 1 (1973-1974)

1. Das Hähnchen [15.1.1973]
Gäste: Renate Schubert, Willi Pelser, Barbara Nüsse
2. Der Fernseher [29.1.1973]
Gäste: Tillmann Rörig
3. Besuch aus der Ostzone [12.2.1973]
Gäste: Rosemarie Kühn, Robert Rathke, Wolfgang Grönebaum, Hans-Joachim Zenker
4. Die Beerdigung [26.2.1973]
Gäste: Jochen Stern, Otty Ottmar, Renate Schubert, Wolfgang Grönebaum, Friedrich Theuring, Wilfried Szubries
5. Die Bombe [12.3.1973]
Gäste: Werner Meyer, M. Nabi Kiani
6. Hausverkauf [26.3.1973]
Gäste: Lutz Moik
7. Silberne Hochzeit [9.4.1973]
Gäste: Axel Ganz, Karin David
8. Urlaubsvorbereitung [30.4.1973]
Gäste: Barbara Nüsse, Renate Schubert, Rudolf Brand, Jürgen Kraft, Jochen Stern, Marie-Luise Marjan
9. Erntedankfest [1.10.1973]
Gäste: Edda Seippel, Wolfgang Feige
10. Eine schwere Erkrankung [29.10.1973]
Gäste: Hans Mahnke, Franz Gesien, Gottfried Herbe
11. Der Sittenstrolch [26.11.1973]
Gäste: Renate Schubert, Jürgen Kraft
12. Sylvesterpunsch [31.12.1973]
13. Der Ofen ist aus [28.1.1974]
Gäste: Eva Böttcher, Uta Cremer, Gisela Gotthardt, Heinz-Günter Kilian
14. Rosenmontagszug [25.2.1974]
Gäste: Jochen Stern, Gabi Go, Eva Böttcher, Karl-Heinz Walther
15. Frühjahrsputz [18.3.1974]
16. Selbstbedienung [13.4.1974]
Gäste: Alfons Höckmann, Renate Becker
17. Besuch aus der Ostzone (Farbfassung) [17.6.1974]
Gäste: Rosemari Kühn, Nikolaus Schilling, Oskar Werner Engartner
18. Urlaubsvorbereitung (Farbfassung) [15.7.1974]
Gäste: Marie Luise Marijan, Gundy Brand, Jürgen Kraft, Winfried Lünemann, Bert Stevens, Joachim Stern
19. Tapetenwechsel [12.8.1974]
Gäste: Ingrid Kelemen
20. Der Staatsfeind [9.9.1974]
Gäste: Jochen Stern, Winfried Lünemann, Gisela Keiner
21. Der Sittenstrolch (Farbfassung) [4.11.1974]
Gäste: Irmgard Riessen, Helmut Oesen

Staffel 2 (1976)

22. Telefon! [31.5.1976]
Gäste: Tana Schanzara, Gerhard Olschewski, Anton Strnad, Gisela Zülch
23. Massage [5.7.1976]
Gäste: Benno Hoffmann, Christine Schuberth
24. Modell Tetzlaff [27.9.1976]
Gäste: Alfons Höckmann, Olaf Ploetz, Eberhard Steib
25. Schlußwort [22.11.1976]
Gäste: Konrad Georg, Hans-Rudolf Fuchs

Eine DVD-Box mit 21 der 25 Folgen wurde im April 2005 veröffentlicht. Die fehlenden Folgen (1./3./18./21.) erschienen am 12. September 2005 als Spezial-DVD.

Lange Zeit war nicht klar, ob Folge 21 wirklich nochmal in Farbe gedreht wurde, oder ob es sich um eine Wiederholung der s/w Version handelte, die fälschlich als Farbfassung angekündigt wurde. Im Archiv des WDR ließen sich keine Hinweise - geschweige denn ein Sendeband - zu dieser Folge finden. Erst im Juni 2005 wurde die Folge bei Recherchen des Magazins Digital-Movie.de unter Mithilfe von zuschauerpost.de im Archiv des SWR wiedergefunden. Offenbar wurde sie als einzige Folge der Serie vom SDR statt vom WDR produziert, weshalb sie nicht im WDR-Archiv geführt wurde. Dafür spricht auch die Copyrightangabe auf der Spezial-DVD, die explizit den damaligen Süddeutschen Rundfunk, heute Südwestrundfunk, als Urheber nennt.

Weiteres