Thema: Stichtage
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7. October 2006, 14:26   #308
Jules
 
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03. Oktober 1969: Der Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz wird eröffnet

Der Berliner Fernsehturm ist mit 368 m das höchste Bauwerk Deutschlands und nach dem Ostankino-Turm in Moskau (540 m), dem Fernsehturm Kiew und dem Fernsehturm Riga das vierthöchste freistehende Bauwerk Europas. Nicht zu verwechseln ist der Berliner Fernsehturm mit dem Berliner Funkturm im Westen von Berlin.

Geschichte
Planung

Auf den Müggelbergen hätte schon in den 1950er Jahren ein Fernsehturm entstehen sollen, doch musste der Bau des Fernsehturms Müggelberge eingestellt werden, da er für die den Flughafen Berlin-Schönefeld an- und abfliegenden Flugzeuge eine enorme Gefahr bedeutet hätte; nur ein Stumpf wurde deshalb fertiggestellt. Ein anderer angedachter Standort war der Friedrichshain.

Im Jahr 1964 entschied der SED-Parteichef Walter Ulbricht, den Fernsehturm am Alexanderplatz errichten zu lassen. Die Architektur geht auf eine Idee von Hermann Henselmann und Jörg Streitparth zurück, die Bauplanung erfolgte dann aber im VEB Industrieprojektierung (Ipro) Berlin. Wichtigste Architekten waren hier: Fritz Dieter, Günter Franke und Werner Ahrend. Die Fußumbauung stammt von Walter Herzog und Herbert Aust.

Bau

Am 4. August 1965 war Baubeginn. Der Gesamtbauleiter und Chef der Deutschen Bauakademie Gerhard Kosel wurde schon 1965 wieder abberufen, da die Baukosten mit 200 Mio. Mark der DDR sechsmal höher wurden als ursprünglich kalkuliert. Obwohl die gesamte Planung und die meisten Bauteile aus der DDR stammten, wurden unter anderem die Seile und Lifte sowie die Klimaanlage von schwedischen Firmen montiert und Sicherheitsglas aus den Niederlanden importiert.

Als erstes fing man damit an den Schaft in der Kletterbauweise zu betonieren, wobei in dem Hohlkörper ein Stahlgerüst mit in die Höhe kletterte. Dann wurde am Boden das Stahlskelett der Kugel zusammengebaut. Auf der Spitze des Betonschaftes montierte man einen Montagekran, der die einzelnen Stahlsegmente der zerlegten Kugel zu ihrer heutigen Position heraufholte. Der Kran befindet sich heute noch dort, sein Ausleger ist nach unten geklappt. Die Antenne wurde aus einzelnen, etwa vier Meter großen, Segmenten zusammengesetzt. Hierfür wurde ein kleiner mitwachsender Kran an der Seite der Antenne installiert, der nach Beendigung der Arbeit wieder entfernt wurde.

Nach gut vier Jahren Bauzeit wurde der Fernsehturm am 3. Oktober 1969 in Betrieb genommen. Er gehört zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Berlin und zählt jährlich rund eine Million Besucher. Heute ist er im Besitz der Deutschen Telekom AG. Vorbild für die Konstruktion als Betonnadel war unter anderem der Stuttgarter Fernsehturm.

Anekdoten
Im Folgenden ein paar Anekdoten aus der Geschichte des Fernsehturms.

„Rache des Papstes“
Immer wenn die Sonne die Kugel aus rostfreiem Stahl anstrahlt, erscheint eine Reflexion in Form eines Kreuzes. In Anspielung auf die atheistische Grundeinstellung der sozialistischen Regierung und die Diskriminierung kirchlicher Einrichtungen in der DDR bezeichneten Berliner dieses leuchtende Kreuz als Rache des Papstes. Eine beliebte – allerdings nicht gesicherte – Anekdote in diesem Zusammenhang besagt, der Architekt sei nach Fertigstellung von der Stasi vernommen worden, um herauszufinden, ob er das Kreuz absichtlich mit eingeplant habe. Nach einer weiteren Anekdote beendete ein Regierungsmitglied die Diskussion mit dem Ausspruch: „Das ist kein Kreuz, sondern ein Plus für den Sozialismus!“

„St. Walter“
Das Bauwerk an sich wird aus demselben Grund auch St. Walter (nach Walter Ulbricht) genannt. Ebenfalls wird der Begriff „Ulbrichts Gedächtniskirche“ deshalb seit dem Tode von Walter Ulbricht verwendet.

„Telespargel“
Von Reiseleitern und Stadtführern wird Touristen gern erzählt, die Berliner würden den Fernsehturm Telespargel nennen, so wie für jedes bekanntere Gebäude der Stadt angeblich ein Name existiert, der von den Einheimischen benutzt wird. Dies ist in fast allen Fällen nicht zutreffend, Berliner benutzen in der Regel die Bezeichnung Fernsehturm. Die Bezeichnung Telespargel war ein von den DDR-Offiziellen gewünschter Spitzname, der sich in der Praxis jedoch auch schon in der DDR nicht durchgesetzt hat.

Standortentscheidung
Parteichef Walter Ulbricht traf am 22. September 1964 vor einem Modell der Stadt höchstpersönlich die Wahl des Standorts in seiner unnachahmlichen Weise mit den Worten: „Nu, Genossen, da sieht man's ganz genau: Da gehört er hin.“ Und so geschah es, zunächst so geheim, dass es keine offizielle Grundsteinlegung und Baugenehmigung gab.

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