Thema: Stichtage
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30. September 2006, 07:49   #305
Jules
 
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30. September 1661: Der Londoner Kutschenstreit wird zum Politikum

Der Londoner Kutschenstreit (frz. Guerre de préséance, engl. Contest for precedence) war ein diplomatischer Zwischenfall in London im Oktober des Jahres 1661. Es handelte sich dabei um einen Rangstreit zwischen Frankreich und Spanien.

Beim Einzug des neuen schwedischen Botschafters in London am 30. September 1661 stritten sich der französische Botschafter Godefroy d'Estrades und der spanische Botschafter Carlos de Vatteville, wessen Kutsche an der Spitze des Zuges fahren durfte, also wer deutlich machen durfte, dass sein König den höheren Rang innehatte. Beide Seiten waren zuvor gut instruiert worden. Besonders Ludwig XIV. bestand darauf, dass Frankreich als Vormacht Europas den Vorrang vor jedem anderen hatte. Spanien hatte zuvor oft versucht, Frankreich mit Vorrangfragen zu demütigen. Es kam schließlich zum Eklat: Der Spanier hatte sich gut bewaffnet, erschoss einfach die Pferde vor der französischen Kutsche und tötete zwei Pagen des Botschafters, sodass die Franzosen nicht am Einzug teilnehmen konnten.

Damit hatten die Spanier genau das geliefert, was Ludwig XIV. erhofft hatte, nämlich eine erneute Beleidigung der französischen Krone. Der König von Frankreich reagierte umgehend: Der spanische Botschafter in Frankreich wurde des Landes verwiesen, der Botschafter Frankreichs in Spanien abgezogen. Ludwig XIV. forderte eine öffentliche Entschuldigung des Königs von Spanien und den uneingeschränkten Vorrang Frankreichs in allen Angelegenheiten und an allen Höfen Europas. Sollte Spanien diesen Forderungen nicht nachkommen, so würde Frankreich in Spanien einmarschieren und die Spanischen Niederlande annektieren. Wohl wissend, dass Spanien zahlungsunfähig war und über keine Truppen mehr verfügte, nachdem es erst 1659 einen langen Krieg mit Frankreich verloren hatte, blieb Spanien nichts übrig, als alle Forderungen anzuerkennen.

Der Londoner Kutschenstreit gilt als erster großer Auftritt des „Sonnenkönigs“ in der europäischen Politik. Mit dem Streit hatte Ludwig XIV. auch das Ziel verfolgt, ganz Europa zu zeigen, dass er nicht nur der mächtigste König Europas, sondern auch ein politisch erfahrener Mann war. Dieser Zwischenfall gilt als eines der besten Beispiele der klassischen Diplomatie.

Der Fall wurde von einem Zeitzeugen beschrieben: Samuel Pepys erwähnt die Episode in seinem Tagebuch am 30. September und 4. Oktober 1661. Interessant ist der Stimmungsbericht. Er erzählt dort: "And indeed we do naturally all love the Spanish, and hate the French."

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