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21. December 2005, 15:11   #4
tw_24
 
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Faschismus beginnt nicht damit, daß sich ein Präsident durch in einer Rede angesprochene Themen öffentlicher Kritik aussetzt, die es doch gerade in den USA gibt. Gäbe es solche Kritik nicht, dann - aber eben nur dann - stimmte etwas mit der amerikanischen Demokratie nicht. George W. Bush hat kein Medienimperium a la Hugenberg hinter sich, und auch die politische Konkurrenz wird nicht durch irgendwelche Regelungen kaltgestellt. Institutionell ist also doch alles in bester Ordnung.

George W. Bush hat erklärt, er habe persönlich Abhörmaßnahmen angeordnet, der NSA erlaubt, Kontakte verdächtigter US-Bürger ins Ausland zu überwachen. Damit hat er in den USA geltendes Recht gebrochen, denn genau für solche Fälle gibt es schon gesetzliche Regelungen, nach denen ein Richter entsprechende Maßnahmen hätte anordnen müssen. Und für diesen Regelverstoß, den er nicht hätte öffentlich machen müssen, wird George W. Bush nun - berechtigt - politisch und medial geprügelt, ein Watergate wird daraus aber wohl nicht werden.

Faschismus jedenfalls sieht anders aus, ein Duce oder Führer hätte sich zunächst wohl kaum öffentlich zu seiner Tat bekannt, noch hätten sich Medien oder selbst Parteifreunde kritisch geäußert. Und selbst wenn George W. Bush durch schon existierende Berichte zu seinem 'Geständnis', das durchaus noch juristische Folgen haben kann, gezwungen worden sein sollte, so belegte auch dies, daß die amerikanische Demokratie sich nicht auf dem Weg der Selbstauflösung befindet.

Ich sehe da schlicht keinen Grund, nachgerade hysterisch "Faschismus!" zu rufen, zumal in den vergangenen Wochen ja auch noch andere Dinge öffentlich wurden, die der US-Administration alles andere als angenehm sein dürften. Es war öffentlicher Druck, der die US-Regierung dazu brachte, ihre Haltung zu Folter oder unmenschlicher/harter Behandlung Gefangener zu präzisieren - hätte ein faschistischer oder sonstiger Diktator sich eine solche Einschränkung letztlich seiner Macht bieten lassen?

Zitat:
Zitat von Ben-99
Es geht mir auch nicht speziell um die heimlichen Bespitzelungen, sondern um die erstaunliche Begründung des Herrn Bush.
George W. Bush hat, so lächerlich oder vorgeschoben es auch klingen mag, wenn er sein Handeln mit der Terrorismusbekämpfung begründet, dennoch damit die Wahrheit erklärt. Zumindest gegen den islamistischen Terror, gegen diesen schmutzigen Heiligen Krieg, kann der herkömmliche Repressionsapparat noch weniger ausrichten als gegen normale Kriminalität, für die Gesetze gemacht wurden.

Ein Selbstmordattentäter, der sich ins Paradies bomben will, kann leider praktisch gar nicht durch eine hohe Haft- oder die Todesstrafe mehr abgeschreckt, Heilige Krieger können auch durch eine noch so vorbildliche Einhaltung demokratischer Spielregeln überzeugt werden, denn sie bekämpfen ja genau diese Demokratie und halten sich ganz nebenbei am wenigsten an deren Regeln - insofern ist das Argument, der Westen stärke erst durch Menschenrechtsverletzungen die Terroristen, nicht wirklich zutreffend.

Vor einem Staat wie etwa Syrien oder jenem von der PA kontrollierten korrupten System muß weder Israel, noch müssen sich die USA irgendwie rechtfertigen, sondern letzterer Regierungen höchstens tatsächlich vor der jeweils eigenen Bevölkerung oder auch der Wertegemeinschaft, der sie angehören. Aber daß Al-Kaida einen Waffenstillstand ausriefe, wenn der Westen sich nur brav an seine eigenen Werte hielte, können nur ziemlich ignorante Idealisten hoffen.

Wer also meint, die US-Regierung, die sich gerade von unmenschlicher Behandlung Gefangener verabschiedete und die auch keine KZs unterhält noch ein "Gulag-System" - ein polnischer Journalist berichtete neulich im TV, daß russische Gefangene darum baten, in Gitmo bleiben zu dürfen, statt nach Rußland überstellt zu werden -, gefährde den Weltfrieden dadurch, daß sie sich unter den kritischen Blicken einer freilich zu Übertreibungen neigenden Öffentlichkeit einige - teilweise gravierende - Gesetzesbrüche erlaubt, irrt gewaltig.

Die einzige Gefahr, die von derlei Tun ausgeht, besteht tatsächlich in einer Aushölung der westlichen Gesellschaften, doch hier zeigen ja die vergangenen Tage, daß die USA eher auf dem Weg einer Besserung sind, während hierzulande Grauzonen ausgeweitet werden, also gerade nicht dem Beispiel der US-Administration gefolgt wird. Daher bringt auch die jüngste Ansprache George W. Bushs mein Weltbild nicht zum Einsturz, denn es folgt doch gerade dem Eingeständnis von Fehlern der Versuch einer Besserung.

Und so kann ich auch die nun eingestandenen Abhörmaßnahmen als solche als Fehler bezeichnen, muß deshalb aber nicht gleich einen "Bush-Faschismus" erfinden, zumal nach solchen Maßstäben die Beschreibung Faschismus eher auf die deutsche Gegenwart zutrifft denn auf die der USA, die sich noch immer den Luxus einer auch veröffentlichten Meinungsfreiheit leistet, von dem hierzulande selbst erklärte Feinde der FDGO nur träumen können.

MfG
tw_24

P.S.: Dein Sohn steht nicht mehr mit einer Israel-Fahne irgendwo herum, sondern trägt einen kaum zwei Zentimeter großen Pin mit der israelischen Flagge, denn schon dieses kleine Zeichen der Solidarität entgeht den linksdeutschen Blockwarten nicht, die noch immer wie erwartet aufgeregt auf es reagieren, gegen das Kopftuch als wahrlich unübersehbares Zeichen islamistischer Unterdrückung von Frauen in ihren Reihen dagegen keine Einwände haben. Sie wissen eben, was sich für Antiimperialisten geziemt ...