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17. December 2005, 08:06   #22
Ben-99
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... der Begriff "Mythos" ist genauso schwammig wie das, was er vorgibt zu beschreiben. So sprechen wir ja auch vom "Mythos Titanic" oder "Mythos Greta Garbo". Damit sind allerdings die Legenden gemeint, die sich um das angeblich "unsinkbare" Schiff und die vermeintlich "unsterbliche" Schauspielerin ranken. Keineswegs soll damit jedoch bestritten werden, daß es den Luxusliner und die Filmdiva tatsächlich real gegeben hat, und niemand käme auf die abenteuerliche Idee, Leute, die in diesem Zusammenhang den Begriff "Mythos" verwenden, als "Titanic"- oder "Garbo-Leugner" zu bezeichnen.

Man muß kein Antisemit oder iranischer Staatschef sein, um sachlich festzustellen, daß es sehr wohl auch Legendenbildungen im Zusammenhang mit der Massenvernichtungsmaschinerie der Nazis gab. Eines der jüngsten Beispiele war der Hollywood-Film: "Schindlers Liste", der von Steven Spielberg in redlicher Absicht gedreht worden ist, weil er zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, daß der Herr Schindler gar nicht so selbstlos war, sondern dabei vor allem seine eigenen wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund standen, wie Historiker inzwischen herausgefunden haben.

Ahmadinedschad als "Holocaust-Leugner" zu bezeichnen, nur weil er den Begriff "Mythos" verwendet hat, war von Anfang an unklug, ja sogar schädlich für die Bekämpfung des echten Antisemitismus, weil man die wirklichen Holocaust-Leugner dadurch verharmlost und somit aufwertet.

Außerdem rudern Sprecher der iranischen Regierung auch schon wieder zurück und reden von einem "Mißverständnis":

http://www.spiegel.de/politik/auslan...390878,00.html

Man sollte sich nicht von Teilen der Presse für dumm verkaufen lassen. Denn: Der Iran ist nicht ein mittelalterlicher Staat wie Afghanistan zu Zeiten der Taliban und möchte natürlich auch weiterhin seine wirtschaftlichen Beziehungen mit Ländern der westlichen Welt nicht aufs Spiel setzen. Deshalb muß man auch nicht gleich an Krieg gegen den Iran denken, sondern kann in Ruhe abwarten, bis Ahmadinedschad von Leuten aus den eigenen Reihen entmachtet wird. In einem Aufsatz der im Iran geborene Leiterin der persischen Redaktion des Berliner Senders "Radio Multikulti", Nasrin Bassiri, heißt es dazu:

Zitat:
Auch das iranische Establishment wird offenbar unruhig. Einer der mächtigsten Männer in Iran, Ali Akbar Rafsandschani, Vorsitzender des Schlichtungsrats, der zwischen dem von Chamenei geführten Wächterrat und der Regierung vermitteln soll, hat die Äußerungen Ahmadinedschads jetzt durch die Blume kritisiert. Während eines Freitagsgebets in Teheran hat er mit ungewöhnlich milden Tönen über die Entwicklung im Nahen Osten gesprochen und die Errichtung eines Palästinenserstaats als einen Fortschritt bezeichnet, der fortgesetzt werden sollte.

Auch deshalb brodelt es nun in der Teheraner Gerüchteküche. Ahmadinedschad könne nicht nur wegen seiner ungeschickten Äußerungen in der Außenpolitik, sondern auch wegen innerpolitischer Probleme vorzeitig abgesetzt werden, flüstert man sich zu. Seinen Ölminister - wichtigste Figur im Kabinett - konnte er vor einer Woche erst im vierten Wahlgang mit knappem Ergebnis im Parlament durchsetzen. Einem Präsidenten, der fest im Sattel sitzt, wäre das nicht passiert.

http://www.spiegel.de/politik/auslan...390569,00.html
Gruß Ben