Thema: Stichtage
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15. January 2008, 09:59   #15
Jules
 
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15. Januar 1973: "Ein Herz und eine Seele" erstmals ausgestrahlt

Anfang der siebziger Jahre, mitten in Bochum. Eine ganz normale Arbeiterwohnung, in der die Generation der Eltern mit der Generation der Kinder auf engstem Raum zusammenlebt. Am Küchentisch sitzt in Hauspantoffeln Familienpatriarch Alfred Tetzlaff, während seine geistig etwas schwerfällige Frau Else den Haushalt schmeißen muss. Ihm gegenüber warten Tochter Rita mit Lockenwicklern und Maniküre-Set nebst Ehemann Michael ("Michi") auf das Mittagessen. "Angenommen, ich wollte auch mal im Fernsehen auftreten, meinste, die würden mich übertragen?" fragt Alfred seinen ungeliebten Schwiegersohn. "Die denken doch gar nicht dran!" entgegnet dieser. "Und warum nicht?" fragt Alfred. "Weil du so normal bist!"

Normal ist in "Ein Herz und Eine Seele" das übertriebene Klischee. Gelebt wird es vor allem von Schauspieler Heinz Schubert, der die Karikatur des rechtslastigen Spießers mit Leidenschaft zelebriert. "Ekel Alfred" wettert gegen seine begriffsstutzige Frau ("Du dusselige Kuh") und seinen von Diether Krebs gespielten, vom Geist der 68er-Bewegung angehauchten Schwiegersohn aus der "Ostzone" mit der gleichen Leidenschaft wie gegen die "Sozi"-Regierung Willy Brandts, Nachbarn, Juden, Ausländer und Gastarbeiter ("Wir sind hier in einem zivilisierten Haus und nicht im Puff von Orandaburundi"). Nur auf Hertha BSC Berlin lässt er nichts kommen.

Am 15. Januar 1973 wird die erste Folge von "Ein Herz und eine Seele" ausgestrahlt. Sie findet im Publikum auf Anhieb begeisterte Fans und erbitterte Gegner. Gegner finden sich vor allem unter Psychologen, Soziologen, Politologen und Gewerkschaftlern, die über die Folgen öffentlich diskutieren. Darf man einen Arbeiter so darstellen, wie Regisseur und Autor Wolfgang Menge dies tut? Und werden die Zuschauer begreifen, dass Ekel Alfred nur eine Karikatur sein soll, oder könnten sie sich seine Ansichten zum Vorbild bei der eigenen Meinungsfindung machen? Der WDR gibt eine Studie in Auftrag, um die Bedenken der Bedenkenträger zu zerstreuen. Und tatsächlich gibt die Studie den Machern Recht. "Eine Identifikation mit Alfred", sagt der Redakteur der Serie, Peter Märthesheimer, "hat nie stattgefunden".

Nach 25 Folgen flimmert im November 1976 die letzte Folge von "Ein Herz und eine Seele" über bundesdeutsche Fernseher. Zuvor hatten rund 25 Millionen Zuschauer jede Woche zugesehen.

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