Thema: Stichtage
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15. December 2005, 09:20   #15
Jules
 
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15. Dezember 1995: Verkündung des Bosman-Urteils

Als Bosman-Urteil wurde ein Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus dem Jahr 1995 bekannt, welches zum einen besagt, dass Profifußballspieler in der Europäischen Union nach Ende des Vertrages ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln dürfen und zum anderen die Ausländerrestriktionen im Sport innerhalb der EU zum Einsturz brachte. Auslöser für die dem Urteil zugrundeliegende Schadenersatzklage war eine nach Ansicht des belgischen Profi-Fußballspielers Jean-Marc Bosman zu hoch angesetzte Ablösesumme seines Arbeitgebers RFC Lüttich, welche nach Ansicht des Spielers seine Arbeitnehmer-Freizügigkeit ungerechtfertigterweise einschränkte.

Urteilshistorie
Bosman reichte zunächst gegen seinen Verein und den belgischen Fußballverband eine Klage auf Schadenersatz ein. Im November 1990 entschied ein belgisches Gericht, Bosman könne ablösefrei nach Dünkirchen wechseln. Der belgische Fußballverband legte gegen dieses Urteil Berufung ein. In der Revisionsverhandlung bestätigten die Richter am 15. Dezember 1990 den ablösefreien Wechsel Bosmans. Gleichzeitig rief das Gericht den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, einheitliche Regelungen über die freie Wahl des Arbeitsplatzes innerhalb Europas zu schaffen.

Obwohl der Europäische Fußballverband UEFA zunächst die Zuständigkeit des EuGH in Fragen des Fußballs bestritt, begann im Juni 1995 in Luxemburg die Verhandlung der Ansprüche von Jean-Marc Bosman. Die Urteilsfindung versuchte die UEFA, unterstützt vom Weltfußballverband FIFA, mit einem offenen Protestbrief zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Unbeeindruckt davon fällte der EuGH am 15. Dezember 1995 (EuGH RS C-415/93, Slg 1995, 4921) das Urteil, dass Profi-Fußballer innerhalb Europas normale Arbeitnehmer im Sinne des EG-Vertrages seien und daher die Freizügigkeit des EG-Vertrages, insbesondere der Art. 39 EGV, nicht nur für behördliche, also staatliche Maßnahmen gilt, sondern sich auch auf Vorschriften anderer Art erstreckt, die zur kollektiven Regelung der Arbeit dienen. Allerdings muss es sich dabei um kollektive Regelungen handeln, also um solche, die einen bestimmten Bereich abschließend und vergleichbar mit einem staatlichen Gesetz regeln.

Der Gerichtshof verbot alle Forderungen nach Zahlung einer Ablösesumme, wenn ein Spieler nach Vertragsende von einem EU-Staat in einen anderen wechseln wollte. Auch die in einigen Ländern geltenden Ausländerregelungen, nach denen nur eine bestimmte Anzahl von Ausländern in einer Mannschaft eingesetzt werden durften, wurden, soweit Spieler aus den EU-Staaten davon betroffen waren, für ungültig erklärt. Zudem wurde Jean-Marc Bosman ein Schadenersatz in Höhe von 400.000 Euro zugesprochen.

Auswirkungen
Dieses sogenannte Bosman-Urteil hatte nicht nur Auswirkungen im Bereich Fussball, sondern es betrifft auch die Ausländerregelung in allen Sportarten. Seit dem Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofes und der danach folgenden immer weiteren Lockerungen der Ausländerregeln im Vereins-Fußball wird es auf Grund des Überangebots ausländischer Spieler immer schwerer für die Nationalmannschaftskandidaten, sich in den jeweiligen nationalen Ligen regelmäßig Spielpraxis zu verschaffen. So gab es schon mehrfach die paradoxe Situation, dass Spieler in ihren Nationalmannschaft spielten, obwohl sie bei ihren Vereinen keinen sicheren Stammplatz hatten. Inzwischen darf zum Beispiel ein deutscher Bundesliga-Verein beliebig viele Ausländer aus Europa (EU und nicht-EU) einsetzen, aus nichteuropäischen Verbänden höchstens fünf. Es ist also durchaus möglich, dass eine Mannschaft nur noch aus Spielern besteht, die nicht für die Fußball-Nationalmannschaft spielberechtigt sind. So stehen zum Beispiel an einem Bundesliga-Spieltag mehr Ausländer als Deutsche in den Startformationen.

Gegenargumente der Sportverbände
Viele Sportverbände versuchten zu argumentieren, das Bosman-Urteil beträfe sie gar nicht, denn Sportvereine seien keine Wirtschaftsunternehmen. Die Luxemburger Richter haben aber dargelegt, dass ein Profiverein durchaus mit einem Unternehmen vergleichbar ist. Einheimische Spieler müssten vor zu vielen Ausländern geschützt werden. Dies lehnten die Luxemburger Richter ab, da es innerhalb eines Mitgliedstaates keinerlei Einschränkungen für den Spielereinsatz gäbe.

Das Bosman-Urteil im Amateursport
Das Bosman-Urteil hatte bislang noch keine Auswirkungen auf den Amateursport, da Amateur-Sportklubs gemeinnützige Verbände und keine Wirtschaftsunternehmen darstellen.