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1. July 2008, 11:14   #2
tommygoler
 
Registriert seit: December 2003
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... wenn man mal den polemischen-arroganten Blödsinn vom "dummen Volk" weglässt und beim angeblichen "Scheiß" berücksichtigt, dass die Serie "24" international seit Beginn an mit Auszeichnungen aller Art geradezu überhäuft wurde, ist die eigentlich interessante Frage für einen "24"-Fan wie mich eine ganz andere, und wie ich meine, auch die wirklich interessantere, nämlich:

Was tut man eigentlich, wenn die Mittel des Rechtsstaates an ihre Grenzen stoßen? Das es solche Situationen gibt, und zwar immer wieder und vor allem auch überall (!) auf der Welt, daran wurde man ja gerade gestern auch wieder erinnert beim Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Gäfgen, welches das absolute Folterverbot nochmals unterstrich. Was jedoch zu tun ist, wenn die Organe des Rechtsstaates bei "Gefahr in Verzug" ein drängendes Problem nicht lösen können, das bleibt - logischerweise - offen. Ganz interessant ist beispielsweise der Schlußabsatz eines FAZ-Kommentators dazu, der schreibt

Zitat:
Voraussetzung einer derart unbedingten Achtung des Folterverbots bleibt die Unterscheidung von Recht und Moral. Was der Einzelne im Extremfall für moralisch geboten hält, ist das eine. Was sanktionsbewehrt öffentlich für alle gelten soll, ist das andere. Keiner kann daran gehindert werden, gegen die gültigen Gesetze seiner moralischen Intuition zu folgen. Er muss, wenn die Sache vor Gericht kommt, freilich bereit sein, die rechtlichen Folgen zu tragen. Dieses gleiche Recht für alle hat auch Strassburg jetzt wieder herausgestellt. Es gilt, so stellen die Richter fest, für einen hochherzigen Polizeibeamten nicht minder als für einen niederträchtigen Kindsmörder. Eine Gleichbehandlung, die einen schwer ankommen mag, schaut man auf die Grausamkeit des vorliegenden Verbrechens. Aber jenseits dieser Gleichbehandlung gäbe es für den Rechtsstaat kein Halten mehr.
Quelle: Gäfgen-Urteil: Straßburg bekräftigt das Folterverbot - Hintergründe - Feuilleton - FAZ.NET

wobei er gerade mit dem letzten Satz zwar absolut recht hat, aber die Eingangsfrage bleibt unbeantwortet: Was tun, wenn man auf "normalem" Weg nicht weiterkommt? Dem Unglück seinen Lauf lassen? Sich individuell über Gesetze hinwegsetzen, um ein höheres Gut (welches?) zu schützen? Wer entscheidet das?

Und selbstverständlich setzen sich auch die Autoren von dem "24-Scheiß" mit all diesen Fragen auseinander, denn in der demnächst im Dreh beginnenden Staffel sieben steht Protagonist Jack Bauer zum Beispiel vor Gericht, um sich für sein Handeln zu verantworten. Ebenso ist die These, dass "24" eine Art "Antwort" auf den 11. September sei, natürlich völliger Quatsch, da die erste Staffel bereits Anfang November 2001 ausgestrahlt wurde - so schnell drehen noch nicht mal die Amis eine Serie ;-) Außer natürlich man glaubt, dass "24" nur ein weiteres Mosaiksteinchen im geheimen Masterplan von G.W.Bush ist, der ja auch nach Meinung einiger Spinner 9/11 selbst inszeniert hat, um danach den Irak bombardieren zu dürfen ... aber das können wir ja vielleicht an der Stelle mal außen vor lassen.

Jedenfalls, wie gesagt, die Beantwortung der Frage, was der Rechtsstaat tun soll, wenn die rechtsstaatlichen Mittel versagen, die halte ich schon für sehr bemerkenswert. Und sie ist ja auch nicht gerade neu, sondern seit ewigen Zeiten Gegenstand ungezählter rechtlich-moralischer Erläuterungen und Diskurse. Mit "24" hat sie allerdings - zugegeben - unmittelbar gar nichts zu tun, das geht schon etwas tiefer in die Materie.

Meine persönliche Meinung dazu habe ich mir, trotz oftmaliger Beschäftigung mit der Frage, übrigens bis heute nicht abschließend und eindeutig bilden können. Aber vielleicht ergibt sich ja hier der eine oder andere interessante neue Aspekt, den man diskutieren kann.