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19. February 2003, 08:38   #35
Eyewitness
 
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Ich bin dem Aka mal in den Keller gefolgt, vielleicht liest der Rebell das nochmal, denn ich würde sein Beispiel gerne mal aufgreifen.

Nehmen wir mal die vier Freunde. Die bilden eine Gruppe. Alleine der Gruppenbegriff widerspricht der Chaostheorie des Anarchismus. Da jeder für sich selbst verantwortlich ist und nur das tut, was er will oder braucht, kann es keine "Gruppe" geben, sondern maximal nur Bekanntschaften. Also nehmen wir an, die vier sind einfach nur lose Bekanntschaften, die sich gut verstehen und ab und zu Erfahrungen austauschen. Rein zufällig haben alle vier denselben Entschluß gefaßt, an einem bestimmten Platz zu leben, weil es dort viele Früchte gibt, Unterschlupfmöglichkeiten, etc. Also die Voraussetzungen für primitives Leben. (Merke: Technologie gibt es ja noch nicht oder nicht mehr, weil Technologie Infrastruktur und Führungsstrukturen benötigt, die es ja in der Anarchie nicht gibt)

Jetzt gibt es bereits den ersten Konflikt. Vier Menschen wollen an einem Ort leben, der zwar theoretisch genug Platz bietet, aber man wird sich trotzdem jeden Tag über den Weg laufen. Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: die vier einigen sich über das Territorium und teilen es auf oder die vier kämpfen um das Territorium und der Stärkere bekommt es. Und damit wird jede Anarchie schon zerstört, denn in beiden Fällen haben wir bereits die Grundzüge eines anderen Systems: Entweder demokratisch, da Einigung, oder Tyrannei, da Durchsetzen des Stärkeren.

Aus Fairneß sagen wir jetzt, daß sich die vier demokratisch geeinigt haben und daß wir dies nur als versehentlichen Auswuchs ansehen. Die vier leben jetzt also an besagtem Platz glücklich und zufrieden....ja bis auf einmal jemand anderes vorbeikommt und sich den Platz anschaut. Und dieser jemand anderes denkt sich dann, daß dieser Platz so toll ist, daß er da auch leben will.

Jetzt sagen die vier aber, daß dort nur Platz für vier Leute ist und ein fünfter schon zuviel wäre. Und schon passiert das, was den Menschen nunmal so üblich ist, es gibt Streit. Und wie auch immer dieser Streit jetzt ausgehen würde, es würde immer wieder eine Herrschaftsform annehmen, die der Anarchie zuwider ist. Wahrscheinlich setzen sich die vier zu einem Verteidigungsbündnis zusammen und verscheuchen den Eindringling. Aber das würde der Anarchie ja widersprechen, da es ja dann wieder eine Gruppe gibt, die nach einem bestimmten Prinzip geleitet wird.

Natürlich, unter rein rational denkenden Menschen würde sowas nie passieren. Die würden alle glücklich und zufrieden weiter im Steinzeitalter vor sich hinleben. Aber es gibt keine rein rational denkenden Menschen, sondern nur emotional denkende Menschen und die hauen dem möglichen Eindringling lieber den Schädel ein, wenn sie sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Und niemand kann doch ernsthaft behaupten, daß dies wünschenswert ist.

Rebell's Beispiel ist wirklich, wie schon erwähnt, Demokratie in ihrer ursprünglichsten Form und so auch sehr wünschenswert. Aber mit Anarchie hat das nichts mehr zu tun. Man sollte wissen, wovon man redet. Wenn man für Demokratie ist, dann sollte man das auch zugeben.

Aber wie auch immer, ich hab in meiner Schulzeit auch so einige "Anarchisten" gesehen. Die meisten waren es nur, um aufzufallen und um gegen etwas zu sein, weil es viel schwieriger ist, sich für etwas einzusetzen.