Selbstbewußtsein nützt nichts, wenn es auf dem falschen
Wertmaßstab gründet. Unter den Frauen, die im
Nord-Irak, der
Papa möge mir vergeben, daß ich weitgehend in dem
Landstrich verbleibe, befragt wurden, fanden sich durchaus viele, die ausgesprochen
selbstbewußt waren - nur eben im
Rahmen ihrer
Auslegung der Worte des
Propheten oder der
überlieferten Tradition, die ihnen die eine, ihren tapferen
Männern eine andere Rolle zuweisen, die sie irgendwann auch annahmen und
heute eben ganz selbstverständlich
leben.
Und für diese
Frauen ist es denn auch eine völlig normale Sache, daß ihre
Töchter verstümmelt werden müssen, meist erledigen das entsprechend dann nicht irgendwelche
Männer, sondern tatsächlich sie selbst. Und an dieser Stelle ist die Rede von einem zu entwickelnden
Selbstbewußtsein kaum mehr als eine
Phrase, die zwar schön klingt, aber völlig nutzlos ist. Ein vier-, fünf- oder sechsjähriges
Mädchen hat in dieser Situation schlicht keinen
eigenen Willen, den es verteidigen könnte.
Die
Täterinnen -
Mutter oder
Großmutter - sind zugleich davon überzeugt, völlig korrekt zu handeln und auch bereit, gegen geltende
staatliche Gesetze zu verstoßen, werden sie in dieser
Haltung doch auch von einigen
(geistlichen) Autoritäten, ihrem
männlichen Anhang und letztlich der
Tradition bestärkt, die sie damit natürlich selbst
fortschreiben - und zwar sehr
selbstbewußt. Als
Zwang empfänden sie es, ließe man ihnen eine
Wahl.
Die
Abweichung vom
'Normalen' ist in
islamistischen und den extrem
patriarchalisch geprägten Gesellschaften
Afrikas im Grunde immer
tödlich, weil sie mit einem
Ausschluß aus dieser
Gesellschaft (oder
Stamm/
Clan/
Familie) geahndet wird, der unumkehrbar ist. Der
christliche Sünder sagt hundertmal einen
Vers auf und gehört wieder dazu, der
Islam oder die
"Tradition" hingegen verzeiht nie. Nur wer
'normal' lebt, hat nichts zu befürchten.
Welches Verhalten indes
'normal' ist, wird dabei immer von
außen bestimmt, was
Frauen wie
Männer gleichermaßen
'fremdbestimmt', wobei der
islamische Mann in gewisser Hinsicht vielleicht sogar noch mehr
leiden muß als
Frauen, denn die ihm zugedachte Rolle als
edler Krieger und/oder
Ernährer der
Familie kann er immer weniger überzeugend
ausfüllen - besiegbare
Gegner gibt es praktisch nicht (*) und
bezahlte Arbeit auch immer weniger.
So bleibt, um seine
"Ehre" zu verteidigen, dem
Mann in diesen
Gesellschaften nur noch die seiner
Familie, wo
Sex und
Lust ins Spiel kommen, die es nicht geben darf, weil das
Grüne Buch sie nicht vorsieht, auch nicht für den
Mann, denn der
Beischlaf dient hier immer einem
höheren Zweck (
Reproduktion, Ausübung von
Herrschaft). Die
Frau (oder das
Mädchen) ist dabei als
Trägerin der familiären
"Ehre" einerseits zwar
beschützenswert (**).
Doch dieser
Schutz verkehrt sich in sein Gegenteil, nämlich absolute
Unterdrückung, wenn dafür der
Frau das
Recht auf
Selbstbestimmung abgesprochen wird, weil sie als von finsteren
Trieben gesteuertes Wesen begriffen wird, die die
"Ehre" der
Familie bedrohen, würden sie - vielleicht sogar noch öffentlich - ausgelebt. Deshalb finden
Beschneidungen statt, deshalb gibt es den
Zwang zur
Verhüllung, ist
"aufreizender" Schmuck verboten.
Und deshalb gibt es
Morde zu Wiederherstellung der
"Ehre" der
Familie, denn, wie gesagt, es gibt im
Islam sowas wie
Vergebung nicht, die
"Ehre" kann nur dadurch gerettet werden, daß getötet (und nicht etwa nur
ausgestoßen) wird, wer sie
verletzte. Im
Irak übrigens wurden
"Ehrenmorde" 1988 legalisiert, der
Mann durfte fortan bestimmen, wann eine
Ehrverletzung vorlag und durfte bzw.
mußte entsprechend
Macht ausüben, verzichtete er darauf, wäre das ja auch wieder ausgesprochen
gotteslästerlich.
Gegen dieses von vielerlei (letztlich eingebildeten)
Zwängen bestimmte
Weltbild, das in
islamistischen oder sonstwie
traditionellen Gesellschaften vorherrscht, anzukommen fällt in der
Praxis ausgesprochen schwer, die man zwar ganz hervorragend
analysieren, aber kaum wirksam
ändern kann.
Aufklärung klingt in diesem Zusammenhang auch immer wieder gut, wie diese freilich erfolgen kann oder soll, wenn die
Aufzuklärenden sich in ihren
Rollen eingerichtet haben, ist die große
Frage, nur mit dem Hinweis auf
Gesundheitsrisiken ist zumindest dauerhaft wohl herzlich wenig auszurichten.
NGOs, die sich damit befassen, haben dabei meistens gleich zwei grundsätzliche
Probleme (siehe
hier), die die Arbeit erschweren, selbst wenn sie ein
'Rezept' haben. Sie kommen nämlich erstens aus dem
Ausland, womit sie schonmal mehr als
verdächtig sind, und leisten sie sich zweitens einheimisches
Personal hat dieses es auch wieder schwer, in den
'privaten Bereich', zu dem
FGM zählt, überhaupt vorzudringen, weil es im Dienste von Ausländern steht.
Von innen heraus aber sind
islamistische Gesellschaften nicht zur
Überwindung ihrer
Probleme in der Lage. Es fehlt einerseits das
Problembewußtsein, andererseits aber haben sie es ganz
objektiv nicht geschafft, die
Rollenbilder von
Frau und
Mann im Laufe der Zeit zu
'reformieren' wie dies in
westlichen Gesellschaften gelungen ist.
"Nur mit Terror, der in Selbstvernichtung gipfelt, kann an dem überkommenen Begriff der Ehrhaftigkeit noch festgehalten, Aktivität und Männlichkeit im Sinne islamischer Tradition inszeniert werden." (Quelle)
(*) Als
'Ausweg' bleibt freilich der
Tod als
"Märtyrer" im Kampf gegen einen (oft auch nur imaginären) Feind, darauf werden schon
Kinder mit bunten
Cartoons abgerichtet, hier Beispiele aus dem
Iran:
http://www.memritv.org/Search.asp?ACT=S5&P1=146#,
Peter Scholl-Latour würde entschuldigend kommentieren, diese Filmchen seien wie des
iranischen Präsidenten jüngste Drohungen gegen
Israel "eigentlich ans Inland gerichtet" (Junge Freiheit 04.11.2005, S. 1) und daher nicht wirklich
schlimm.
(**) Das für
Frauen geltende
Verbot Fahrzeuge zu steuern begründen
islamistische "Gelehrte" denn auch damit, daß es dem
Schutz der
Frau diene, denn etwa eine öffentliche Verhandlung nach einem vielleicht selbstverantworteten Unfall verletze deren
"Ehre" und damit zwangsläufig die der
Familie.
MfG
tw_24