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4. November 2005, 10:23   #9
tw_24
 
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Oskar Lafontaine hat sich geirrt. "Man kann nach einer Serie verlorener Wahlen nicht auf Dauer eine Diskussion in der SPD über den künftigen Kurs unterdrücken", hatte er noch am Mittwoch frohlockt und wohl sowas wie einen Linksruck bei der SPD gesichtet, dpa meinte, er sehe in Franz Münteferings Abgang "ein Zeichen für einen politischen Kurswechsel der Sozialdemokraten".

Der Kurswechsel ist nun erstmal wieder auf unbestimmte Zeit verschoben, Matthias Platzeck, designierter Nachfolger Franz Münteferings steht nur noch für einen "Generationswechsel", während Andrea Nahles, die "Königsmörderin" - Wann wurde aus der SPD eine Monarchie? -, auch darauf verzichtet, stellvertretende Parteivorsitzende werden zu wollen. Als Generalsekretär wird ohnehin der "Netzwerker" Hubertus Heil gehandelt, ein "Pragmatiker".

Was das heißt, verkünden die Ticker: "Union und SPD wollen bei Hartz IV einsparen". Den Ostdeutschen Beziehern von ALG II wird zwar in Aussicht gestellt, demnächst im Monat den gleichen Betrag für Telefon/Fax zur Verfügung zu haben wie jene im Westen, dafür allerdings sollen gerade bei den Beziehern dieser Leistung, die Armut nach EU-Maßstab staatlich verordnet, 1.85 Milliarden Euro pro Jahr gespart werden.

Wolfgang Clement, nazionalsozialdemokratischer Ungezieferjäger, gab schon vor, wie diese Einsparung erreicht werden soll, und auch Franz Müntefering versprach eine weitere Entrechtung derer, die auf ALG II angewiesen sind, als er versprach, er wolle "Rumtrickserei" bekämpfen, was besonders den SPIEGEL erfreuen dürfte, der jüngst noch klagte: "In Mannheim zum Beispiel stehen 16000 Haushalten, in denen Anspruchsberechtigte leben, sogenannten Bedarfsgemeinschaften, vier Ermittler gegenüber."

Mit einem Aufstocken der Müntefering-Schnüffler, einer Umkehrung der Beweislast bei nicht in einer Bedarfsgemeinschaft gemeinsam in einer Wohnung lebenden Menschen wollen die Großkoalitionäre, zu denen der neue SPD-Spitzenmann zählt, bei denen sparen, die nach ihrer Ansicht wohl noch immer zu gut leben, weil sie noch einen Rest von Privatleben haben, das doch nur den Anständigen zusteht, die auf die Nutzung aller legalen Möglichkeiten verzichten, die sich ihnen noch bieten.

"Die größte Entrechtung von Arbeitnehmern ist es, sie zu entlassen." mitteilen Unions- wie SPD-Politiker gern in den zahlreichen Talkshows, um gegen soziale Standards, deren Bestand in der BRD in der Tat nur die Existenz der DDR sicherte, zu wettern, was sie in ihren Verhandlungen gemeinsam auskungeln, ist freilich eine noch größere Entrechtung als eine Entlassung, denn die schon Entrechteten befinden sich ja in ihrem Verantwortungsbereich, in dem mittlerweile selbst legales Verhalten als "parasitär" diffamiert werden darf.

Insofern ist also aus dem vor allem von FDP und Leichtmatrose Edmund Stoiber befürchteten Linksruck der SPD offenkundig nichts geworden, daß mit Matthias Platzeck ausgerechnet ein "Bürgerrechtler", der selbst von der Union gelobt wird, den tatsächlichen Rechtskurs der deutschen ASozialdemokratie anführen soll, macht dabei deutlich, daß in Deutschland Bürgerrechte weiterhin nur beanspruchen darf, wer auch als Bürger anerkannt wird.

Und ALG II-Bezieher gehören offenkundig nicht dazu, da sind sich generationsgewechselte Platzeck-SPD und Union einig.

MfG
tw_24