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4. November 2005, 11:40   #4
tw_24
 
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Da kommt doch Freude auf: "58 Prozent der Amerikaner halten Bush für unehrlich". Demokratie funktioniert eben sogar im Reich des Bösen, wozu auch eine Justiz gehört, die einfach mal erwartungsgemäß funktioniert, was ja nur den überraschen kann, der das vorher - grundlos, wie sich jetzt herausstellt - leugnete. Zu einer funktionierenden Justiz gehört allerdings auch die Unschuldsvermutung.

Und da muß ich dem geschätzten Papa widersprechen, für den schon feststeht, wer schuldig ist und wer nicht. Die Entscheidung darüber treffen allerdings regelmäßig erst Richter, und auf dessen oder deren Beschluß wird auch hier zu warten sein, statt schon von vornherein ein eventuelles Scheitern des Prozesses als Beleg dafür zu nehmen, daß etwas nicht stimme oder hinter den Kulissen geschummelt werde.

Die ZEIT, freilich nicht ganz so notorisch antiamerikanisch wie der SPIEGEL ausgerichtet, erklärte denn schon, daß "diese Affäre George W. Bush bis zum Ende seiner Amtszeit quälen, ihn aber nicht stürzen" wird, was sich der Vorredner ja zu wünschen scheint, um für den gegenteiligen Fall, den er ganz heimlich auch erwartet, denn sonst müßte er Amerika ja loben, den Untergang wovon auch immer zu beklagen.

Doch es ist vieles offen, meint die ZEIT nicht ganz unberechtigt: "Meineid und Justizbehinderung wirft der Sonderermittler Fitzgerald dem Stabschef von Vizepräsident Cheney vor, aber der Beweis wird nicht einfach sein. Wer hat wem was und wann gesagt und so die Identität einer CIA-Agentin namens Valerie Wilson enthüllt? Geschah es wissentlich und mit üblem Vorsatz - mens rea, wie es im amerikanischen Recht heißt? Hat Libby sich zwei Jahre danach falsch erinnert oder gezielt gelogen?"

Moralisch, soviel allerdings ist klar, ist es sehr verwerflich, eine Agentin, die vielleicht gerade in einem brisanten Einsatz steckt, zu enttarnen, weil deren Mann eine Aussage verbrach, welche dem Weißen Haus möglicherweise nicht paßte. Derlei wäre eine billige Rache, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Ob dieses Verhalten jedoch juristisch geahndet werden kann, ist noch ungewiß, zumal der Angeklagte seine Unschuld beteuert.

Dieser Prozeß bzw. die Ermittlungen werden, was ein wenig tragisch ist, überlagert vom Irak-Krieg, um den es im Prozeß gar nicht geht. Es ist daher in der Tat ein Urteil zu befürchten, das weniger mit dem konkreten Fall zu tun hat, sondern eben mit dem Agieren der amerikanischen Regierung vor dem Irak-Krieg, so oder so gerät Lewis Libby in die Rolle eines Stellvertreters seiner Regierung.

Entweder, wird man ein Urteil kommentieren, wurde er vom Weißen Haus als Bauernopfer, ähm, geopfert oder aber es werden dessen Kritiker, sollte Lewis Libby als freier Mann das Gericht verlassen, finstere Machenschaften des Weißen Hauses vermuten, das einen Mitwisser schützen wolle. Das ist keine gute Ausgangslage für einen Prozeß, der doch nicht ganz unwichtig ist.

Für das Funktionieren der amerikanischen Demokratie andererseits spricht genau dies aber auch. Die Regierung ist nicht unangreifbar, ihr Handeln wird öffentlich diskutiert und kritisiert, und natürlich könnte sie darüber stürzen, denn das Krisenmanagement der Regierung Bush ist einfach lausig, ihre Macht über die (ver)öffentlich(t)e Meinung daher eben nicht so absolut, wie es ihr ja gern unterstellt und vorgeworfen wird.

Durchaus auch nützlich könnte es sein, über Sinn oder Unsinn des Irak-Krieges in den Vereinigten Staaten zu diskutieren, allerdings fürchte ich, daß dabei - wie ja auch hierzulande - nur allzu gern wieder die vergessen werden, die unter der beseitigten Diktatur und/oder den gegenwärtig herrschenden Umständen im Irak am meisten oder nicht mehr zu leiden hatten bzw. haben. Ihre mehrheitliche Zustimmung zu einer neuen Verfassung könnte man ja als Beleg dafür nehmen, daß der Krieg, vielleicht mit einer falschen Begründung begonnen, doch nicht ganz sinnlos war, freilich rechtfertigte selbst diese Erkenntnis rückwirkend nicht jede vermeintliche Lüge.

MfG
tw_24