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10. October 2001, 15:26   #1
Black Panter
 
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Die Verwaltung!

Nach vielen Jahren sah Gott wieder einmal auf die Erde. Die Menschen waren
verdorben und gewalttätig und er beschloss, sie zu vertilgen, genau so,
wie er es vor langer langer Zeit schon einmal getan hatte.

Er sprach zu Noah: "Noah, bau mir noch einmal eine Arche aus Zedernholz,
so wie damals - 300 Ellen lang, 50 Ellen breit und 30 Ellen hoch. Ich will
eine zweite Sintflut über die Erde bringen. Die Menschen haben nichts dazu
gelernt. Du aber gehe mit deiner Frau, deinen Söhnen und deren Frauen in
die Arche und nimm von allen Tieren zwei mit, je ein Männchen und ein
Weibchen. In sechs Monaten werde ich den großen Regen schicken".

Noah stöhnte auf; musste das denn schon wieder sein? Wieder 40 Tage Regen
und 150 unbequeme Tage auf dem Wasser mit all den lästigen Tieren an Bord
und ohne Fernsehen! Aber Noah war gehorsam und versprach, alles genau so
zu tun, wie Gott ihm aufgetragen hatte.

Nach sechs Monaten zogen dunkle Wolken auf und es begann zu regnen. Noah
saß in seinem Vorgarten und weinte, denn da war keine Arche.

"Noah", rief der Herr, "Noah , wo ist die Arche?"

Noah blickte zum Himmel und sprach: "Herr, sei mir gnädig."

Gott fragte abermals: "Wo ist die Arche, Noah??"

Da trocknete Noah seine Tränen und sprach:"Herr, was hast du mir angetan?
Als Erstes beantragte ich beim Landkreis eine Baugenehmigung. Die dachten
zuerst, ich wollte einen extravaganten Schafstall bauen. Die kamen mit der
ausgefallenen Bauform nicht zurecht, denn an einen Schiffbau wollten sie
nicht glauben.

Auch deine Maßangaben stifteten Verwirrung, weil niemand mehr weiß, wie
lang eine Elle ist. Also musste mein Architekt einen neuen Plan entwerfen.

Die Baugenehmigung wurde mir zunächst abgelehnt, weil eine Werft in einem
Wohngebiet planungsrechtlich unzulässig sei.

Nachdem ich dann endlich ein passendes Gewerbegrundstück gefunden hatte,
gab es nur noch Probleme. Im Moment geht es z. B. um die Frage, ob die
Arche feuerhemmende Türen, eine Sprinkleranlage und einen Löschwassertank
benötige. Auf einen Hinweis, ich hätte im Ernstfall rundherum genug
Löschwasser, glaubten die Beamten, ich wollte mich über sie lustig machen.
Als ich ihnen erklärte, das Wasser käme noch in großen Mengen, und zwar
viel mehr als ich zum Löschen benötigte, brachte mir das den Besuch eines
Arztes vom Landeskrankenhaus ein.

Er wollte von mir wissen, was ein Schiffbau auf dem Trockenen, fernab von
jedem Gewässer, solle. Die Bezirksregierung teilte mir daraufhin
telefonisch mit, ich könnte ja gern ein Schiff bauen, müsste aber selbst
zusehen, wie es zum nächsten größeren Fluss käme. Mit dem Bau eines
Sperrwerks könnte ich nicht rechnen, nachdem der Ministerpräsident
zurückgetreten sei.

Dann rief mich noch ein anderer Beamter dieser Behörde an, der mir
erklärte, sie seien inzwischen ein kundenorientiertes
Dienstleistungsunternehmen und darum wolle er mich darauf hinweisen, dass
ich bei der EU in Brüssel eine Werftbeihilfe beantragen könne; allerdings
müsste der Antrag achtfach in den drei Amtssprachen eingereicht werden.

Inzwischen ist beim Verwaltungsgericht ein vorläufiges
Rechtsschutzverfahren meines Nachbarn anhängig, der einen Großhandel für
Tierfutter betreibt. Der hält das Vorhaben für einen großen Werbegag - mein
Schiffbau sei nur darauf angelegt, ihm Kunden abspenstig zu machen. Ich
habe ihm schon zwei Mal erklärt, dass ich gar nichts verkaufen wolle. Er
hört mir gar nicht zu und das Verwaltungsgericht hat offenbar auch viel
Zeit.

Die Suche nach dem Zedernholz habe ich eingestellt. Libanesische Zedern
dürfen nicht mehr eingeführt werden. Als ich deshalb hier im Wald Bauholz
beschaffen wollte, wurde mir das Fällen von Bäumen - unter Hinweis auf das
Landeswaldgesetz verweigert. Dies schädige den Naturhaushalt und das
Klima. Außerdem sollte ich erst eine Ersatzaufforstung nachweisen.

Mein Einwand, in Kürze werde es gar keine Natur mehr geben und das
Pflanzen von Bäumen an anderer Stelle sei deshalb völlig sinnlos, brachte
mir den zweiten Besuch des Arztes vom Landeskrankenhaus ein.

Die angeheuerten Zimmerleute versprachen mir schließlich, für das
notwendige Holz selbst zu sorgen. Sie wählten jedoch erst einmal einen
Betriebsrat. Der wollte mit mir zunächst einen Tarifvertrag für den
Holzschiffbau auf dem flachen Lande ohne Wasserkontakt aushandeln. Weil wir
uns aber nicht einig wurden, kam es zu einer Urabstimmung und zum Streik.

Herr, weißt du eigentlich, was Handwerker heute verlangen? Wie soll ich
denn das bezahlen?

Weil die Zeit drängte, fing ich schon einmal an, Tiere einzusammeln. Am
Anfang ging das noch ganz gut, vor allem die beiden Ameisen sind noch
immer wohlauf. Aber seit ich zwei Tiger und zwei Schafe von der
Notwendigkeit ihres gemeinsamen und friedlichen Aufenthaltes bei mir
überzeugt hatte,
meldete sich der örtliche Tierschutzverein und rügte die artwidrige
Haltung.

Und mein Nachbar klagt auch schon wieder, weil er auch die Eröffnung eines
Zoos für geschäftsschädigend hält.

Herr, ist dir eigentlich klar, dass ich auch nach der Europäischen
Tierschutztransportverordnung eine Genehmigung brauche? Ich bin schon auf
Seite 22 des Formulars und grüble im Moment darüber, was ich als
Transportziel angeben soll.

Und wusstest du, dass z. B. Geweih tragende Tiere während der Brunftzeit
überhaupt nicht transportiert werden dürfen? Und die Hirsche sind ständig
am
Schnackeln, wie Fürstin Gloria sagen würde und auch der gemeine Elch und
Ochse denken an nichts anderes, besonders die südlicheren!

Herr, wusstest du das?

Übrigens, wo hast du eigentlich die Callipepia caliconica du weißt schon,
die Schopfwachteln und den Lethamus Discolor versteckt? Den
Schwalbensittich
habe ich bisher auch nicht finden können.

Dir ist natürlich auch bewusst, dass ich die 43 Vorschriften der
Binnenmarkt-Tierschutzverordnung bei dem Transport der Kaninchen strikt
beachten muss.
Meine Rechtsanwälte prüfen gerade, ob diese Vorschriften auch für Hasen
gelten.

Übrigens: wenn du es einrichten könntest, die Arche als fremdflaggiges
Schiff zu deklarieren, das sich nur im Bereich des deutschen Küstenmeeres
aufhält, bekäme ich die Genehmigung viel einfacher.

Du könntest dich doch auch einmal für mich bemühen.

Ein Umweltschützer von Greenpeace erklärte mir, dass ich Gülle, Jauche,
Exkremente und Stallmist nicht im Wasser entsorgen darf.

Wie stellst du dir das eigentlich vor? Damals ging es doch auch!

Vor zwei Wochen hat sich das Oberkommando der Marine bei mir gemeldet und
von mir eine Karte der künftig überfluteten Gebiete erbeten. Ich habe
ihnen einen blau angemalten Globus geschickt.

Und vor zehn Tagen erschien die Steuerfahndung; die haben den Verdacht,
ich bereite meine Steuerflucht vor.

Ich komme so nicht weiter Herr, ich bin verzweifelt! Soll ich nicht doch
lieber meinen Rechtsanwalt mit auf die Arche nehmen?"

Noah fing wieder an zu weinen.

Da hörte der Regen auf, der Himmel klarte auf und die Sonne schien wieder.
Und es zeigte sich ein wunderschöner Regenbogen.

Noah blickte auf und lächelte. "Herr, du wirst die Erde doch nicht
zerstören?"

Da sprach der Herr: "Darum sorge ich mich nicht mehr, das schafft schon
eure Verwaltung!"