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10. July 2005, 04:23   #12
Akareyon
 
Registriert seit: November 2001
Beiträge: 2.823
Aber von Ben würden sicherlich auch andere User wieder mal etwas lesen, das ausnahmsweise nichts mit mir zu tun hat. Seit über einem Jahr befaßt er sich ja nur noch mit überaus "wichtigen" Themen wie Schumi, Jacko und die Frisur der Merkel, und wenn ich mal vorbeikomme, regt er sich jedesmal köstlich über meine Signatur auf. Haha :-)

Tja, aber viel hat sich geändert seit damals. Wie Nebenerwerbsrentner und Seniorenresidenzinsasse Loddi nach kurzer Konsultation seines Abakus richtig herausfand, habe ich beispielsweise mittlerweile gute drei Jahre Tanke hinter mir. Wir haben eine neue Waschanlage (die alte tat's wirklich nicht mehr), so eine mit Lappen statt Bürsten - supergut, ehrlich! Und vor allem gibbet jetzt keine Karten mehr. Das ist wie mit den Prepaid-Karten für Handys. Die gibt's auch nicht mehr.

Stattdessen habe ich neben meiner Tastatur und dem Quittungsdrucker zwei weitere Tastaturen mit Quittungsdrucker stehen. Einen für die Prepaid-"Karten", weil die kommen jetzt modernerweise online in die Tanke geschwebt - wenn nicht gerade die Antenne spinnt - und einen für die Wasch-"Karten", weil die bestehen nur noch aus einem Zettel mit sechsstelliger Zahl drauf - die muß man dann am Terminal der Waschanlage eingeben.

Ihr müßt Euch das so vorstellen: da kommt ein Kunde in die Tankstelle und sagt "Die 1, D 1, die 1 und R1". Was bedeutet das für den normal denkenden Kassierer? Richtig.

Einmal Zapfsäule eins. Dann nachfragen: D 1 zu 15, 30 oder 50 Euro? Damit ist dann die Prepaidkarte auch schonmal geklärt. Also weiter: ein Kunde, der weiß, was er will, ist selten. Er will als nächstes Waschprogramm Nummer eins. Soll er haben. Und R1: die gibbet in rot, in blau, in lang und als Slim Line. Einfach nachfragen. Nikotingrundversorgung danach dann auch gesichert.

Aaaalso: Auf Tastatur 1 die Taste ZP1, Enter (Zapfpunkt auswählen und in Buchungsvorgang eingliedern). Dann die Artikelnummer für Wäsche eins eingeben (908001 - dafür hamwa nämlich noch kein Barcode), Enter. An Tastatur 2 derweil Taste F4 (Menü), einmal Enter (D-1), einmal runter (30 €), Enter, dann Kunden Pinpad zwecks Rufnummerneingabe auf den Tresen hinstellen (weil bei D1 ja direkt hochgeladen wird). An Tastatur 3 die Taste "Ticket", 1, Enter - Waschticket wird ausgedruckt. Kunde hat - wie es sich gehört - zweimal seine Handynummer eingegeben, ich drücke an Tastatur 2 auf "OK", um die Sicherheitsabfrage zu bestätigen. Ja, wirklich Guthaben aufladen. R1 aus dem Regal holen, anscannen. Barcode für Wäsche Nummer 1 anscannen. Upload des Guthabens geglückt, auch dafür kommt ein Quittungszettel raus.

Preis ansagen. Kreditkarte annehmen, in Kartenleser stopfen, wieder rausholen, aus dem Quittungsdrucker kommen zwei weitere Zettel (für Unterschrift und als Kopie für Kunden). Kunde unterschreibt, kriegt seine geliebten Sammelpunkte und ist glücklich.

Im Idealfall.

Und der tritt nie ein.

Der optimale Horrorkunde nämlich bemerkt viel zu spät, daß er seine Handynummer nicht weiß. Wenn er überhaupt weiß, welches Netz er hat. "Ich habe ein Nokia", meinte mal einer. Ja siiischa. Eine Prepaidkarte für Nokia bitte.

Der optimale Horrorkunde nämlich bemerkt viel zu spät, daß er ja nicht die Wäsche eins, sondern die Wäsche sechs haben will. Perfider Trick meines Chefs: das teuerste Programm (Nummer Eins mit SuperPolish, Unterbodenreinigung, Hochdruckvorwäsche, Aktivschaum, Waschen, Legen, fönen) nämlich steht ganz oben auf der Preistafel.

Der optimale Horrorkunde verwechselt seine Lieblings-Zigarettenmarke R6 mit der R1.

Der optimale Horrorkunde hat eigentlich gar nicht an der 1 getankt, sondern auf der Säule am anderen Ende der Mittelinsel - der Säule Nummer 6.

Der optimale Horrorkunde hat nochwas vergessen - das Kaugummi, geht das noch mit drauf auf die Karte? Nein, verdammt, das hätte Ihnen einfallen können, als ich zweimal hintereinander fragte, ob's nochwas sein dürfte.

Der optimale Horrorkunde hat auch eigentlich seine Kreditkarte zuhause vergessen, keinen Ausweis und keinen Führerschein dabei und reagiert ungehalten, wenn man ihm sagt, daß man unter diesen Umständen in Erwägung ziehen müßte, den Wagen hier stehen zu lassen, Anweisung vom Chef. Da nämlich die Rechtsprechung so aussieht, daß man verdammt nochmal Bargeld dabeihaben MUSS, wenn man tanken tut. So sieht's nämlich aus.

Der optimale Horrorkunde hätte ja eigentlich auch Diesel tanken müssen.

Aber man gewöhnt sich an alles, und irgendwann reagiert man auf jeden Horrorkunden mit einer fast entrückten Gleichgültigkeit. Immer dran denken: es kann auch schlimmer kommen.

Der optimale Horrorkunde weiß schließlich auch nicht, was für Öl in das Auto kommt, mit dem er schon seit fünf Jahren durch die Botanik juckelt, weiß nicht, daß man das Fenster zumachen muß, wenn man in die Waschanlage fährt, wundert sich über Schmutzreste an seinen filigranen Speichenfelgen, leert zwei Kühlwasser-Gießkannen, um sie über seine Motorhaube laufen zu lassen, in der Hoffnung, das könnte den mittlerweile eingebrannten Insektenfriedhof irgendwie... wegspülen oder so. Der optimale Horrorkunde wundert sich, warum sein Auto auf der nur scheinbar horizontalen Tankstelle bergab rollt, wenn der Gang draußen ist, der optimale Horrorbauer beschwert sich über einen nicht funktionierenden Sauger, nachdem er das gesammelte Heu der letzten drei Monate aus dem Fußraum durch den Schlauch gejagt hat, die optimale Horrorschlampe baggert mich immer noch an (heiß wie die Nacht, sage ich Euch!), die optimale Horroroma will wissen, für wann die aktuelle Fersehzeitung ist und ob das Tortenrezept nun in der Laura, Lea, Lisa, Tina oder Bella war, das optimale Horrorbalg kann sich nicht zwischen Wendy, Dauerlolli, Eistee und Kinderriegel entscheiden, der optimale Horrorchef flitzt derweil wie Bugs Bunny über die Tankstelle und flucht seine Kundschaft zusammen, weil und obwohl er ja schon längst Feierabend hat, der optimale Horrorkollege hat vergessen, zu sagen, daß man die Wäsche Nummer eins gar nicht mehr verkaufen darf (weil das MaxiPolish alle ist), das optimale Horrorchick...

...kommt in den Laden geschwebt, windet ihren traumhaften, elfengleichen, zuckersüßen Körper durch die Tankstelle, nachdem ich für sie nochmal viertel nach zehn die Tür aufgemacht habe - ich kann ja einem so verführerischen Lächeln nicht widerstehen (und dieser Wimpernschlag erst) - sie stellt sich ans gerade für die nächste Frühschicht aufgefüllte Kühlregal, greift nach dem Smirnoff Ice, holt Flasche um Flasche heraus und presst sich diese zwecks Transports zur Kasse an ihren zarten Busen, stellt den ersten Teil Einkaufs auf die Theke, wendet mit nocheinmal den Rücken zu - oh Mann, sie trägt so ein schulter- und bauchfreies Top, und sie ist zum Anbeißen, und wie sie die Hüften - jedenfalls will sie noch ein Eis, einen Flutschfinger, sie beugt sich über den Rand der Kühltruhe, Schnecke, was für ein GEILER Arsch!, und dann kommt sie wieder und sieht die Auslagen auf der anderen Seite der Kasse, unten im Regal, und sie bückt sich, sie will noch was herzhaftes, ein Snickers, und während sie sich bückt, da öffnet sich die Sicht auf ihre wunderbaren, aprikosenförmigen Brüste in diesem BH, der so knapp ist, daß er anscheinend selber gar nicht weiß, ob es ihn gibt (oh Baby, das Smirnoff war jedenfalls kalt), sie lächelt und spielt etwas mit dem Snickers und schiebt es zwischen ihren feinen Händen hin und her, sie ist noch unschlüssig und legt einen Finger an ihre Lippen, sie zieht beim Nachdenken eine süße Schmollschnute, sie knabbert und saugt an ihrer Fingerspitze und möchte noch Sekt - "trocken oder halbtrocken?" frage ich sachkundig - und sie streicht ihre langen, wallenden Haare hinter ihre nackten Schultern, läßt die Hand im Nacken liegen, streicht sich bei der Kontemplation über die verschiedenen Alkoholika über ihre blütensanfte Haut, scheint sich auch körperlich zu winden zwischen halbtrockenem Freixenet und trockenem MMchen, dem Piccolo, ach nee, der ist ihr zu teuer, wieviel hat sie denn schon? - zwölf Euro fünfundsechszig - okay, dann noch eine Luckies, tschüß dann, bis zum nächsten Mal, sie geht, ich wünsche ihr einen schönen Abend, sie schon fast an der Tür, aber dito, und ich sage "naja, mal schaun, was er noch bringt", und sie lacht ihr glockenhelles, zuckersüßes Lachen - "hahaha" macht sie - und ihre hellblauen Augen funkeln mich fröhlich an, sie geht raus,


steigt in ihr Auto, ihr Freund (südländisches Aussehen) guckt mich ziemlich böse an und gibt Vollgas und ich hätte eigentlich seit einer halben Stunde schon Feierabend gehabt. Scheißschwanzdenken.

Darf's nochwas sein? Sammelpunkte? Quittung? Schokolade? Gummibärchen? Drogen? Waffen? Frauen? Autos? Ich hab' alles da, ich kann alles besorgen.

Weil der andere Gag an der Tankstelle ist ja: sobald die richtigen Kunden erstmal mitgekriegt haben, daß Du alle Blunt-Papers schon einmal ausprobiert hast, steht nur der gewisse Mangel an krimineller Energie zwischen Dir und einer schillernden Laufbahn als Hehler, Drogendealer, Urkundenfälscher, ultimativ: Gangsterboss. Du bekommst Drogen aller Art angeboten (Speed, Hasch, Koks, Pep, XTC - noch Fragen?), Autos, Falschgeld (vergleichsweise gute 100er-Blüte mit Wasserzeichen, UV-Signatur, bloß das Papier war etwas dick, das Hologramm bei genauerem Hinsehen schäbig und das Relief nicht so gut - rechtfertigt den Freundschaftspreis von 60 € pro Zettel), Kontakte, Schmuggelzigaretten, geklauter Whisky (1-Liter-Flasche Jack Daniel's für 10 € - guter Kurs eigentlich), Telefonnummern...

...hab' ich schon von der süßen Polizistin erzählt, die mich neulich fast rekrutiert hätte? :-)

Ich finde, ich hab 'nen coolen Job. Nochmal drei Jahre? Jederzeit. Dann muß ich den Leuten am Ende meines Lebens wenigstens keine Horrormärchen auftischen davon, wie ich die Sorgen meines verkackten Berufs in Alkohol und Drogen ersäuft habe, weil ich mein Gewissen mit schnödem Mammon gefickt habe - weil ich sonst ja keine Zeit und keinen Sinn mehr für mein luxusdurchseuchtes, ansonsten aber armseliges Leben hatte - bloß, um mein permanent wichtigtuerisches Auftreten als "weise" rechtfertigen zu können. Dann lieber dauerstoned und 98 Oktan high hübschen Kundinnen in den Ausschnitt gucken.

Habe ich gerade irgendwelche Klischees bedient? *g*