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1. May 2008, 06:39   #209
Ben-99
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... kritischer, investigativer Journalismus? Im Jahr 2008 scheint davon auch bei einem Hamburger Nachrichtenmagazin nicht mehr viel übriggeblieben zu sein. So liest man auf "Spiegel-Online" über ein gestern abend ausgestrahltes Fernsehinterview mit NK:

Zitat:
"Die 20-Jährige war bis zum Fall Amstetten wohl das berühmteste "Kelleropfer" der Welt - acht Jahre lang hatte sie der Entführer Wolfgang Priklopil in einem unterirdischen Verlies gefangen gehalten. Als sich Natascha Kampusch 2006 befreien konnte, war sie 18 Jahre alt. Heute lebt Kampusch in Wien, holt die versäumte Schulbildung mit Hilfe von Privatlehrern nach und bereitet sich auf eine berufliche Tätigkeit vor - ab Juni soll sie die Moderation einer Talkshow übernehmen.
Na klar, Talkshow-Moderatorin ist halt eine ganz normale "berufliche Tätigkeit", so wie Friseurin, Köchin oder Sekretärin. Hätte Frau Kampusch angekündigt, demnächst als Astronautin das Weltall zu erkunden, als Politikerin nach Brüssel zu gehen oder als Mathematikerin Einsteins Relativitätstheorie zu korrigieren, würde man den Blödsinn wohl auch unreflektiert nachplappern. Und natürlich habe sie es ja im Souterrain ihres künftigen Eigenheims viel schlimmer gehabt als die Kellerkinder von Amstetten. Denn:

Zitat:
"Zum einen sah ich in der Zeitung Bilder von dem Eingang dort und von dieser Sicherheits-Brandschutz-Betontür oder was das war. Das hat mich natürlich sehr stark an den Eingang zu dem Verlies erinnert", sagte Kampusch im NDR-Gespräch.

Allerdings sei der Keller in Amstetten weitaus größer gewesen als das Gefängnis, in dem sie acht Jahre lang eingesperrt war: "Bei mir war das wirklich sehr klein, dass man gerade so hineinkriechen konnte."
Und selbstverständlich kann man zwar während des unfreiwilligen Keller-Aufenthalts ohne Schulbesuch allein durch tägliches Radiohören seine rhetorischen Fähigkeiten perfektionieren, anderseits sei es aber

Zitat:
"fast unmöglich", im Kellerverlies einen ernsthaften Fluchtplan zu schmieden: "Es hat was damit zu tun, dass der Täter natürlich alles dran setzt, seine Opfer einzuschüchtern. Das heißt, irgendwann zweifelt man so stark an sich selbst, dass man überhaupt nicht mehr auf die Idee kommt, wegzulaufen."
Man könnte es auch so formulieren: Irgendwann zweifelt man als "Spiegel"-Redakteur so wenig an seinem gesunden Menschenverstand, daß man überhaupt nicht mehr auf die Idee kommt, die Glaubwürdigkeit einer geschwätzigen Natascha Kampusch in Frage zu stellen. Vor allem, wenn sie den Opfern von Josef Fritzl auch noch wertvolle Tips gibt, wie man sich der Presse gegenüber verhält:

Zitat:
Im Umgang mit den Medien rät Kampusch den Opfern von Amstetten zu Zurückhaltung. Sie selbst hatte bald nach ihrer Befreiung ein Fernseh-Interview gegeben. Elisabeth Fritzl sollte sich das genau überlegen, empfiehlt Kampusch heute. "Ich hoffe, die Medien haben im Zuge meines Falles etwas dazugelernt."

Nach dem Medienrummel um das Schicksal der Familie Fritzl ist es nach Meinung von Kampusch ratsam, dass alle Betroffenen eine neue Identität annehmen, da sie den Namen des Täters tragen. Dann bestehe eine große Chance, "dass die irgendwann mal, womöglich sogar bald, ein wunderschönes, tolles neues Leben führen."
Aha, also nicht etwa sie, die es unbedingt gleich nach ihrer angeblichen Selbstbefreiung ins Fernsehen drängte, sondern die Medien haben etwas "dazugelernt". Wie gut, daß wir nun endlich durch eine erfahrene Expertin und ihre kompetenten Medienberater über die wahren Sachverhalte aufgeklärt werden.

Fall Amstetten: Natascha Kampusch rät Opfern zu neuer Identität

Gruß Ben