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25. August 2005, 19:49   #1
Sacki
Dummschwätzer
 
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Schon mal mit Tyson zu tun gehabt ?

Heute Mittag in Berlin: wir bekommen den Einsatz "männliche Hilferufe aus Wohnung", eigentlich kein rechter Einsatz für einen Notarztwagen, aber wir waren halt die einzigen, die frei waren.
Das sich daraus einer meiner eigenartigsten Einsätze entwickeln würde, habe ich vorher schon irgend wie im Urin gehabt.
Vor dem Haus standen etwa 50 Menschen und schauten uns erwartungsvoll an. Wie bei einer solchen Ansammlung üblich, erzählte uns jeder eine andere Geschichte. Fakt war, daß aus einer Wohnung im 1. OG die Hilfe- u. Schmerzenschreie einnes Mannes hörbar waren.
Wir also hoch und klingeln und klopfen, ohne Erfolg.
Mir war dann jedenfall so, als hörte ich aus der Wohnung das Nebelhorn eines Dampfers, es klang aber ein wenig wie das bellen eines Hundes.
"Det is Tyson, der verschluckt Euch ohne zu kauen" sprach Frau Klawuttke, die Nachbarin zu mir.
"Wie jetzt, wer ist Tyson ?"
"Det isn Köter, so jroß wie ein Kalb"
"Aha, wir müssen da aber rein, weil sein Herrchen offenbar krank und nicht in der Lage ist, selbst zu öffnen"
"Na viel Spaß wünsch ick Euch" grinst und verschwand...

Mit Tysons Boss hatten wir inzwischen laut brüllend durch die Tür Kontakt aufgenommen. Er war in der Badewanne ausgerutscht und unfähig sich zu bewegen.
Sein Rat: "Passen se uff den Hund uff, auf mir hörta nich mehr..."
Sackis Idee, mittels einer Steckleiter über den Balkon in die Wohnung einzusteigen wurde von meinem Kollegen und dem Doktor für sehr gut befunden. Und wer die Idee hat, darf sie in die Tat umsetzen.
Auf dem Balkon angekommen wollte ich gerade die Scheibe einschlagen, als Tyson plötzlich hinter selbiger stand:
Eine sonderbare Erscheinung, groß wie ein Kalb, ein Kopf wie ein ausgewachsener Bulle und ein Gebiß wie ein Tiger. Und Tyson sah nicht freundlich aus.
Ich lehnte mich über den Balkon und schaute hilfesuchend in die Menschenmenge und zu meinen Kollegen.
Ich weiß nicht warum, aber ich war wirklich so bescheuert den Rat zu befolgen,"mit dem Hund einfach zu reden"
Und so stand ich vor Tyson, durch eine dünne Fensterscheibe von seinem Gebiß getrennt und erlärte ihm die Situation und Notwenigkeit, jetzt die Wohnung betreten zu müßen.
Tyson gab mir zu verstehen, daß sein Leithund (Herrchen)nicht zurechnungsfähig wäre und er, Tyson, nun die Richtlinien hier bestimmt. Und ohne Widerstand ginge da garnichts. Inzwischen war die Nachbarin Frau Klawuttke mit einer 1 Kg Geflügelfleischwurst als Bestechungsobjekt aufgetaucht: Tysons Lieblingsspeise (Außer Feuerehrmänner) !
Und so stand ich Trottel vor der Scheibe und tat so als würde ich die Fleischwurst essen und zeigte Tyson, wie gut die schmeckt. Tyson zeigte Regung, er wog seinen Kopf von links nach rechts und ich konnte sogar beobachten, wie ihm der Geifer aus dem Maul lief.
Ich schob die Wurst durch das angekippte Fenster. Was dann geschah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren:
Tyson biß zweimal in die Wurst (1 Kg!!!), kaute dreimal setzte sein Nebelhorn wieder in Bewegung und zeigte mir seine Leftzen.
Ich gab angesichts der dünnen Fensterscheibe auf und trat mutig den Rückzug über die Leiter an.
Inzwischen war die Polizei eingetroffen. Vor mir stand Dirty Harry persönlich mit einer MP im Anschlag, lässig seinen Kaugummi kauend. "OK, wenn nichts hilft, flamme ich ihn ab" sagte es lud seine MP durch und schwang sich auf den Balkon.
Aber Tyson hatte Lunte gerochen und war nicht mehr gesehen und bot somit auch kein Ziel für den schießwütigen Ordnungshüter.
Ich konnte mich nicht den Eindrucks erwehren, daß Tyson mehr Hirntätigkeit als Dirty Harry hatte.
Dann kam der Vorschlag des Polizisten: "Paß auf, Du schlägst die Scheibe ein, gehst rein und wenn "er" kommt, erlege ich ihn mit einem Fangschuß"
Ich frage ihn, ob ansonsten alles OK mit ihm sei und er schon lange an Wahnvorstellungen leide.
Unser Doktor sprach mir Mut zu und versicherte mir mit einem Blick auf vseinen Reanimationskoffer, daß er mich notfalls sofort fachmännisch versorgen könne...
Meinen Gegenvorschlag, mit Tyson zu "reden und ihn abzulenken" während er ihm eine 3fache Menge Evipan (Narkosemittel) spritzt, wollte der Doktor nicht so recht akzeptieren.
Und dann nahte professionelle Hilfe: Der staatlich geprüfte Hundefänger des Landes Berlin persönlich erschien. Dann standen wir auf dem Balkon: Der Hundefänger mit seinen Utensilien, ich mit der Axt und Dirty Harry mit einer durchgeladenen und entsicherten MP, kaugummikauend versteht sich...
Inzwischen hatte ich vor der MP in der Hand des Ordnungshüters mehr Angst als vor Tyson.
Der Rest ging schnell und verblüffte uns alle: Nach dem Einschlagen der Scheibe durch Sacki stieg der Profi Hundefänger als erster ein, dann die Maschinenpistole mit ihrem Kaugummi danach ich.
Oh Wunder: Tyson war weder zu sehen noch zu hören. Das war alles zu viel für mich, was hatte dieser Köter sich für eine Taktik zugelegt ? Und dann noch Harry mit seinem Finger am Abzug... Das gefährliche: er hatte offensichtlich seinen Kaugummi verschluckt.
Und wir verschluckten uns auch bald, als wir ins Badezimmer kamen:
Tysons Boss und Leithund lag in der Badewanne. Der Unterschenkel rechts mit einem offenen Bruch. Ausgerutscht infolge des Genußes einer Pulle Wodka, die im Wasser schwamm...
Und Tyson?
Der lag auf der Badezimmermatte, hatte seinen Schwanz zwischen seine Hinterbeine geklemmt und den Kopf flach auf dem Fußboden, leise winselnd. 55 Kg Elend, mit mehr Angst als Vaterlandsliebe.
Der Hundefänger kraulte ihm seinen Schädel und Tyson zeigte Regung: er wackelte freudig mit dem Schwanz und ließ sich anstandslos in die Küche führen.
Kommentar von Dirty Harry: "Na also, jeht doch", sprach es, ensicherte seine Flak und verschwand um sich als Held von der Menschenmenge vor dem Haus feiern zu lassen

Der Rest war Routine: Tysons Boss kam wohlversorgt ins Krankenhaus und Tyson zu Frau Klawuttke in Pflege, die sich sogleich mit ihm an der Leine aufmachte, reichlich Nachschub an Geflügelfleischwürsten zu kaufen.

Als Tyson an der Leine war, raffte ich meinen ganzen Mut zusammen und streichelte ihn im Nacken. Ich habe nur Muskeln pur gespürt, ein Kraftpacket der gute.

Ich liebe Hunde.