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6. January 2003, 00:26   #1
Akareyon
 
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Die soziobiologische Rolle von Großmüttern

Habe die Tage einen interessanten Artikel in meiner Lieblings-Fachzeitschrift gelesen:


"WARUM GIBT ES GROSSMÜTTER?"

Aus evolutorischer Sicht erscheint interessant, daß Frauen nach der Menopause unfruchtbar sind. Soziologisch interessant dadurch, daß Oma sich nun um ihre Enkel kümmern kann und nicht eigene Blagen am Hals hat.

Welche Rolle spielen (traditionelle) Omas bei der Wohlfahrt ihrer Enkel? Ein Team von Wissenschaftlern hat die Kirchenbücher von 23.000 Familien des 18. und 19. Jahrhunderts im Krummhörn in den Computer getippt.

Und dann haben sie sich darangemacht, die Daten zu analysieren.

Unerwartete Ergebnisse: ob nun Omas noch lebten oder nicht, hatte keinen Einfluss auf Frequenz und Quantität von Geburten. Höchstens, wenn eine Familie bereits vier Kinder hatten, kam noch eins hinzu, wenn Oma noch lebte.

Daraufhin wurde untersucht, inwieweit Großmütter einen Einfluß auf die Säuglingssterblichkeit hatten. Und, siehe da: es zeichneten sich Ergebnisse ab, und die waren voll krass.

Lebte nur die Oma mütterlichseits noch, war die Überlebenswahrscheinlichkeit am höchsten. Lebten beide Omas noch, war sie etwas geringer. Doch jetzt kommt's: lebte die Oma väterlichseits noch, war die Überlebenswahrscheinlichkeit geringer, als wenn keine Großmutter mehr gelebt hätte.

Ui.

Das heißt: der Einfluß von Papas Mama war schädlich für Junior - schlimmer als gar keine Oma! Und Mamas Mama war das beste, was dem Nachwuchs passieren konnte.

Nun zurück zum evolutionstheoretischen Ansatz des Rätsels: die Großmutter mütterlichseits wäre natürlich am Fortbestand des eigenen Erbguts sehr interessiert und würde sich heftig für den eigenen Nachfahren interessieren. Doch warum sollte die andere Oma nicht genauso interessiert daran sein, daß ihr Erbgut, weitergegeben über den Sohn, ebenso Fortbestand hat?

Mögliche Erklärungen: Spannungen zwischen der Schwiegermutter der Mutter, die schon während der Schwangerschaft sich negativ auswirken könnten. Schwiegermütter sind ohnehin immer die bösen.

Außerdem könnte der Gedanke: "Wer weiß, ob das wirklich meines Sohnes Kind ist?" eine Rolle gespielt haben - die Oma mißtraute einfach der ehelichen Treue ihrer Schwiegertochter. Evolutionsbiologisch also wäre es Verschwendung gewesen, sich um Enkel abzumühen, die potentiell gar nicht die eigenen waren. Eine andere Erklärung wäre, daß die Oma im Interesse ihrer eigenen Familie die Schwiegertochter einfach ausgebeutet hat: Marsch, Marsch, ab auf's Feld, Kartoffeln ernten, Kind ist Grund, aber kein Hindernis. War insofern auch nicht so tragisch, kommt ja bald der nächste Ableger.

Ich fand das Thema recht interessant, bedeutet es doch, daß ich meinen (potentiellen) Nachwuchs mit allen Mitteln vor meiner Mutter schützen muß