Thema: Stichtage
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10. August 2008, 13:41   #220
Jules
 
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07. August 1883: Der Dichter Joachim Ringelnatz wird geboren

Hans Bötticher hat nicht viel Glück im Leben. Vom Königlichen Staatsgymnasium Leipzig wird das phantasievolle Kind wegen Ungehorsams verwiesen. Unter erbärmlichen Bedingungen fährt der melancholische Einzelgänger später als Schiffsjunge zur See. Danach versucht er sich als Hausmeister in einer englischen Herberge und als Lehrling einer Dachpappenfabrik. Böttichers Hassliebe aber gilt dem weiten Meer. Als er skurrile Gedichte schreibt und im Kabarett erste Erfolge feiert, wird er sich nach dem Seemannswort für ein Seepferdchen benennen, das Glück verheißen soll: Ringelnatz.

Joachim Ringelnatz wird am 7. August 1883 als Sohn eines angesehenen Tapetenzeichners und Schriftstellers von Jugendromanen im sächsischen Wurzen geboren. Insgesamt verbringt er fünf Jahre auf hoher See. Seine Zeit als Matrose hält er in dem autobiografischen Buch "Was ein Schiffsjungen-Tagebuch erzählt" (1911) fest. Dem eingeweihten literarischen Publikum ist Ringelnatz da schon als Verfasser liebevoll-verrückter Geschichten und Gedichte für Erwachsene und Kinder bekannt. Zwischen 1909 und 1913 erscheinen unter Titeln wie "Die Schnupftabakdose" und "Stumpfsinn in Versen und Bildern" insgesamt sieben Bände. Allerdings kommen die schmalen Bücher über eine Auflage von zusammen 3.000 Exemplaren nicht hinaus. Seinen Lebensunterhalt muss sich Ringelnatz in anderen Berufen verdienen, so als gräflicher Bibliothekar oder als Fremdenführer auf einer Burg.

1909 wird Ringelnatz "Hausdichter" des prominenten Münchner Künstlerlokals Simplicissimus, wo er seine grotesk-hintersinnigen Verse vorträgt und Frank Wedekind, Erich Mühsam und andere Schwabinger Literaten kennen lernt. Deutschlandweit bekannt wird er als Mitglied des Kabaretts "Schall und Rauch", mit dem er ab 1920 auf Tournee geht. Hier trägt Ringelnatz überaus lebendig eigene Gedichte vor. Seine bekannteste Figur wird der Seemann Kuttel Daddeldu. Vor allem in den Geschichten rund um dieses Alter Ego zeigt sich der im Grunde pessimistische Dichter als zwischen Tiefsinn und Unsinn schwankendes Künstleroriginal. Ringelnatz stirbt 1934 in Berlin.

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