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8. March 2003, 10:17   #3
jupp11
 
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Hier ein Bild des Meisters, dessen Gesamtwerk häufig unter dem Motto "Verzweiflung am Menschen und seiner Situation in der Welt, an seinem Ungenügen und seiner Gebrochenheit." gesehen wird.


Rainer Maria Rilke

Ich schliesse mich der o. a. Sichtweise an. Ich weiss, dass der Panther das Lieblingsgedicht einer Menge Leute, incl. des amtierenden Bundeskanzlers ist. Er kann es sogar öffentlich zitieren. Die Vermutung, dass der Panther wegen seiner Kürze den Vorzug vor Schillers "Glocke" bekommen hat, mag man zwar zynisch nennen, deshalb kann sie trotzdem wahr sein.

Ich hab inhaltlich so einige Probleme mit der durchaus einseitigen Sichtweise, die Rilke da vermittelt. Denn wenn das blöde Vieh sich fangen lässt, dann nützt auch der starke Wille nix. Im Übrigen wird die Begrenztheit im Käfig in der Regel recht gut bezahlt mit regelmässigem Futter und auch der Tierarzt ist meist nicht weit.

Die Lebenserwartung z. B. eines Löwen in freier Natur liegt bei ca. 12 Jahren - in Gefangenschaft schafft schon mal einer fast 30. - Soviel zum erfüllten Leben in der Steppe -.

Sich so zu fühlen, wie ein Panther oder Tiger im Käfig, wer kennt das Gefühl nicht. Gegebenheiten, die man nicht ändern kann begrenzen einfach die eigenen Wahlmöglichkeiten. ABER - das ist nur bezogen auf bestimmte Problemstellungen so. In anderen Bereichen kann man sich nämlich in der Regel sehr wohl entfalten.

Ich kritisiere nun die ÜBERGROSSE Darstellung der Beengtheit von Körper und Geist und bin der Meinung das sehr viele Leute, die sich in dem Rilke-Gedicht wiederfinden, kläglich scheitern würden, wenn sie sich in der freien Wildbahn ohne soziales Netz, Gesundheitsfürsorge und Rentenanspruch behaupten sollten.

Resignation scheint mir bei vielen das Mittel der Wahl zu sein, um vor sich selbst zu bestehen. Motto: "Ich hatte ja keine Wahl"