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11. June 2006, 03:50   #12
Akareyon
 
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Ayayay. Laßt uns nicht die verschiedenen Übel und Gräuel gegeneinander aufwiegen oder moralisch gewichten, das geht in die Hose. Sonst steht man irgendwann vor der Wahl, wie Samy Deluxe es mal ausdrückte, "zwischen Krebs und Aids".

Mit der westlichen Welt (oder, wie Samuel P. Huntington sagen würde, der westlichen Kultur mit ihrem (Noch-)Kernstaat USA) und dem muslimischen Kulturkreis (mit dem sich bildenden Kernstaat Iran) stehen sich zwei Kontrahenten gegenüber, die sich an kollektiver Arroganz, Ignoranz, Intoleranz und Fanatismus in nichts nachstehen. Als Angehöriger des westlichen Kulturkreises, insbesondere als Angehöriger der Nation, die mit dem Genozid an 6 Millionen Juden eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen hat, sehe ich es allerdings als meine schicksalgegebene Pflicht an, Individuen des eigenen Kollektivs anzuklagen, wenn sie sich von den Werten, der Ideologie und der Moral unserer Kultur entfernen. Warum? Wir wurden beauftragt, unsere Großeltern zu ihrer Rolle im Dritten Reich zu befragen, sie zur Rede zu stellen. Vielleicht zu Recht, vielleicht nicht. Vor ungefähr einem Jahr - die "Kollektivschuld der Deutschen" wurde mal wieder Politikum und Bundespräsident Köhler erklärte, er liebe Deutschland -wurden Personen des öffentlichen Lebens gefragt, ob unsere Generation auch (erb-)"schuldig" ist. Ich glaube, Spiegel oder Friedmann sagte darauf sinngemäß: schuldig nicht, aber verantwortlich. Verantwortlich dafür, daß so etwas nicht mehr passiert. Ich hielt das für sehr vernünftig und salomonisch.

Es steht mir vielleicht nicht zu, die Verbrechen und sonstigen Eigenarten von Individuen anderer Kulturkreise zu verurteilen; obschon ich um ihre Ideologien und moralischen Instanzen weiß und argumentieren kann, daß die Tötung Wehrloser (sei es durch Terrorattentate oder Enthauptung) weder durch den Gnadenreichen Q'ran noch durch Mohammed noch durch Allah gebilligt wird.

Umsomehr sollte es eine Möglichkeit geben, scharf gegen jene vorzugehen, die unter dem Deckmantel unserer mit dem Blut und Schweiß unserer Vorväter in mühevollen Jahrhunderten erkämpften Ideale von Freiheit, Recht, Gleichheit und Demokratie (verzeiht den bebenden Pathos in meiner Stimme) Unrecht begehen und damit diese Ideale mit den Füßen treten. Warum? Weil diese Ideale identitätsstiftende Merkmale sind. Die westliche Kultur definiert sich über die Grundsätze Freiheit und Demokratie. Das ist unser kleinster gemeinsamer Nenner, gewachsen aus der religiösen und philosophischen Geschichte Europas (und in jüngster Zeit auch Nordamerikas). Diese Ideale, so glauben wir, machen uns zu zivilisierten Menschen, zu einer Zivilisation, daraus nehmen wir die Kraft, uns anderen Kollektiven moralisch überlegen zu fühlen.

Es ist nicht zivilisiert, es ist barbarisch und ein Rückschritt in die dunkelsten Jahrhunderte unserer Geschichte, die Leichname des Feindes wie Trophäen vor sich herzutragen. Die Legitimation unserer Werte wird durch uns selbst in Frage gestellt.

Und wenn eines Tages das Szepter der Weltsupermacht ein weiters Mal weitergereicht wird und China oder Indien das Erbe Ägyptens, Griechenlands, Roms, Englands und der US of A antreten, wenn SIE die Schulbücher schreiben, werden sie sagen: die mächtige westliche Welt verlor ihre Vorherrschaft durch ihre Dekadenz, ihre Selbstgerechtigkeit, ihre Arroganz und ihre Bigotterie. Ihre hehren Ideale waren zum Schluß das Papier nicht wert, auf dem sie ihre Konventionen, Bünde und Verträge unterzeichnet haben.

Wehret den Anfängen.