Thema: Die Brücke
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3. July 2002, 20:11   #5
Bandwurm
Erde, Wind & Feuer
 
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Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart
DIE BRÜCKE
Bundesrepublik Deutschland (Fono-Film) 1959. 35mm, s/w, 103 Min. R: Bernhard Wicki.
B: Michael Mansfeld, Karl-Wilhelm Vivier, nach dem gleichnamigen Roman von Manfred
Gregor. K: Gerd von Bonin, Horst Fehlhaber. Ba: Peter Scharff, Heinrich Graf
Brühl. S: Carl-Otto Bartning. M: Hans-Martin Majewski. D: Folker Rohnet (Hans Scho lten),
Fritz Wepper (Albert Mutz), Michael Hinz (Walter Forst), Frank Glaubrecht (Jürgen
Borchert), Karl Michael Balzer (Karl Horber), Volker Lechtenbrink (Klaus Hager),
Günther Hoffmann (Sigi Bernhard), Cordula Trantow (Franziska).
Kriegsfilme sind problematisch - deutsche allemal. Eine ernsthafte Aufarbeitung und
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg hat es
mit wenigen Ausnahmen im bundesdeutschen Nachkriegsfilm der fünfziger Jahre nicht
gegeben. Die Regisseure, die ehemals im Dienste der NS-Propagandamaschinerie standen,
setzten ihre Filmarbeit in der Bundesrepublik fort, und so entstand ein wenig innovatives
und reaktionäres Kino. Deutsche Soldaten wurden weiter verherrlicht und die
Schuld an den Nazi-Verbrechen einem anonymen Schicksal zugeschoben wie in Alfred
Weidenmanns Kriegsfilmen Canaris (1954) und Der Stern von Afrika (1956) oder Frank
Wisbars Hunde, wollt ihr ewig leben? (1958). Konsequenter und ehrlicher behandelten
die Emigranten Peter Lorre (Der Verlorene) und Robert Siodmak (Nachts, wenn der Teufel
kam) das Thema. Helmut Käutners Die letzte Brücke (1954) – eine österreichischjugoslawische
Produktion, in der Bernhard Wicki einen Partisanenführer spielt – ist
mehr dem italienischen Neorealismus verwandt als dem deutschen Nachkriegsfilm.
Fünf Jahre später debütierte der Schauspieler und Käutner-Schüler Wicki als Spielfilmregisseur
mit dem Antikriegsfilm Die Brücke, dessen schonungsloser Realismus ihn positiv
absetzt von der Nachkriegsproduktion in der Bundesrepublik.
Der Film erzählt anfangs sehr behutsam, fast lyrisch, vom Leben in einer deutschen
Kleinstadt kurz vor der Kapitulation im April 1945. Sieben Gymnasiasten, Durchschnittsalter
sechzehn Jahre, erhalten ihren Einberufungsbefehl. Sie haben ihn erwartet,
und sie haben auf ihn gehofft. Einen Tag lang werden die jungen Rekruten in der
Kaserne ausgebildet, lernen den Umgang mit den Waffen und sollen dann an die Front.
Auf Intervention ihres Lehrers, der sie vor dem sicheren Tod schützen will, werden sie
an den Stadtrand ihrer Heimatstadt abkommandiert, um eine unwichtige Brücke, die
sowieso gesprengt werden soll, vor den Amerikanern zu sichern. Der ihnen beigestellte
Unteroffizier wird beim Gang in die Stadt von Feldgendarmen als Deserteur erschossen,
so daß, die Jungen auf sich allein gestellt sind. Als die amerikanischen Panzer anrücken,
beginnt für die Jungen ein aussichtsloser, selbstmörderischer Kampf, bei dem am Ende
nur einer am Leben bleibt.
Der dem Film zugrundeliegende Roman hat autobiographischen Charakter. Manfred
Gregor schildert seine Erlebnisse in der Rückschau: Der einzige Überlebende kehrt zehn
Jahre nach Kriegsende zurück an den Ort des Geschehens. Wicki dagegen erzählt linear
in chronologischem Zeitverlauf und in zwei Akten: erst die privaten Szenen, darin der
Kampf an der Brücke. "Ich möchte zeigen, wohin es führt, wenn man Kinder mit falschen
Idealen erzieht, wenn man sie verkauft, verrät und schließlich verrecken läßt",
erklärte der Regisseur.
Die aufwendige und kostenintensive Produktion - Drehzeit und Budget wurden weit
überschritten - wurde in 76 Tagen in Cham (Oberpfalz) und Umgebung realisiert. Der
Film, ein Plädoyer für kompromißlosen Pazifismus, wurde teilweise mißverstanden: Kritiker
monierten, daß Wicki die Jungen einen Heldentod sterben laßt, der nur deshalb
sinnlos erscheine, weil die Brücke strategisch unwichtig gewesen sei. Die Filmhistorikerin
Lotte Eisner sah in Die Brücke gar eine Glorifizierung des Hitlerjugend-Geistes. Solche
Einwände konnten die Rezeption des Films, der mit Preisen förmlich überschüttet
wurde (u.a. Bundesfilmpreis, Oscar-Nominierung und Golden Globe), nicht negativ beeinflussen.
Seine jungen unbekannten Darsteller wurden über Nacht international bekannt.
Michelangelo Antonioni engagierte Wicki als Darsteller in La notte, und der amerikanische
Produzent Darryl F. Zanuck verpflichtete ihn für die Großproduktion The
Longest Day (Der längste Tag, 1961) über die Landung der Alliierten in der Normandie.
"Die Brücke". Hg. Lars Bardram/Bent Lantow. Kopenhagen 1982. (Filmprotokoll)