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21. August 2005, 23:15   #18
Ben-99
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... die Angriffe gegen tw waren in diesem Fall völlig unangebracht, und ich freue mich, daß gerade ein so junger Member wie Maggi offensichtlich im Geschichtsunterricht sehr viel besser aufgepaßt hat.

Zitat:
Zitat von Köhler

Nach dem Papst aus Polen, das als erstes Land im Zweiten Weltkrieg von Deutschland überfallen wurde, ist nun jemand aus der sogenannten Flakhelfergeneration zum Nachfolger des Heiligen Petrus gewählt worden. Dass es so gekommen ist, das gibt mir Zuversicht - sechzig Jahre nach dem Ende der menschen- und gottfeindlichen Ideologie, die in Deutschland herrschte.
... diese von tw_24 zitierten Worte unseres von Anfang an mit seiner Aufgabe überforderten Bundespräsidenten, der ja bisher auch sonst kein Fettnäpfchen ausließ, halte auch ich für bedenklich. Denn so einfach kann man es sich mit der Aufarbeitung der deutschen Geschichte nicht machen. Wir, die Deutschen, haben Länder überfallen, ausgeplündert, und unser damaliger Führer tat auch so, als könne er Gott spielen und darüber urteilen, welche Menschen allein aufgrund ihrer vermeintlichen "Rasse"-Merkmale kein Weiterleben auf dieser Welt verdienen.

Man sollte sich endlich mal die folgenden Zahlen einprägen: Der 2. Weltkrieg, der von uns Deutschen angezettelt wurde, hat insgesamt über 50 Millionen Menschenleben gekostet. Davon allein 20 Millionen Russen. Und das vergleichsweise kleine Land Polen hatte fast 6 Millionen Tote zu beklagen. Dagegen ist der damalige Riesenstaat Deutschland mit weniger als 5 Millionen Toten noch recht glimpflich davongekommen.

Ob man es "Glück" nennen sollte, daß ausgerechnet das "Täter"-Volk so gut bei der blutigen Bilanz wegkam und danach sogar mit seinem "Wirtschaftswunder" vor den übrigen Ländern der Welt angeben durfte, weiß ich nicht. "Verdient" haben wir Deutschen es aber auf gar keinen Fall, und deshalb sollten wir wenigstens jetzt, 60 Jahre danach, nicht wieder so eine dicke Lippe riskieren.

Was sich da in Köln abgespielt hat, muß im Prinzip auf alle denkende Menschen widerlich wirken, da man so viel gefährliche Dummheit nur selten mal so konzentriert erleben konnte. Und wer das verharmlost, ist mindestens genauso dumm wie die Pope-Pilger, gegen die heute selbst die naiv-romantisch verklärten Hippies der Woodstock-Generation beinahe wie Intellektuelle wirken.

Zum Glück melden sich inzwischen aber auch kritische Stimmen zu Wort. Unter ihnen Tobias Raschke von der Organisation "Wir sind Kirche - Jugend". Und er sagt zum Beispiel

Zum Thema "Auswahl der eingeladenen Gläubigen": "Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass zu dem sogenannten Weltjugendtag nicht alle Jugendlichen der Welt eingeladen sind, sondern nur die katholischen - wie bei den Kommunisten nur kommunistische Jugendliche kommen durften. Ich wünschte mir dagegen ein für alle offenes Ereignis. So aber muss ich dem Kölner Kardinal Joachim Meisner Recht geben, der gesagt hat, was sich hier wirklich abspielt: ein Weltpapsttag."

zum Thema "Frauen": "Diese Hierarchie klammert doch über die Hälfte der Weltbevölkerung, nämlich die Frauen, einfach aus. Sie kommen in der Amtskirche nicht vor. Kleriker haben kaum eine Ahnung von Frauen, von Familie und von Jugendlichen, weil sie in einer von der realen sehr entfernten Welt leben. Das führt zu einem Mangel an Dialogfähigkeit und dazu, dass Bischöfe oft sehr dozierend daherkommen".

Über die "Weltfremdheit" der Bischöfe: "Junge Menschen müssen ermutigt werden, ihren eigenen Glauben zu suchen und zu finden. Die Ausrichtung auf die Amtsträger ist beim katholischen Weltjugendtag zu stark."

Über Themen wie "Eucharistie" und den sogenannten "modernen Ablaß": "Ich habe hier noch niemanden gehört, der sich positiv über diese mittelalterliche Ablass-Idee des Papstes geäußert hätte. Das ist ein Hohn für den gesamten Protestantismus in Deutschland."

Über den bisherigen Auftritt von Papst Benedikt im Vergleich zum erzkonservativen Brachial-Kardinal, den er noch vor kurzem repräsentierte: "Im Unterschied zum Inquisitor Ratzinger lächelt er ja. Er versucht in ein Pop-Star-Image zu schlüpfen wie es Johannes Paul II. hatte. Die Vatikan-Fotografen haben ihn super in Szene gesetzt, als sie ihn im offenen Cabrio mit verspiegelter Sonnenbrille ablichteten. Doch wichtiger wäre Dialog. Der fehlt bisher."

Über den Kampf Ratzingers gegen den angeblichen "Relativismus der Werte": "Wenn wir über HIV und Sexualität reden, dann reden wir über Werte. Dabei geht es um Verantwortung und um moralisches Verhalten. Unmoralisch finde ich, dass die Kirche nichts dagegen tut, dass sich täglich 14.000 Menschen mit HIV infizieren. Die Hälfte davon sind Jugendliche zwischen 15 und 24. Gleichzeitig verbreitet die katholische Kirche Falschinformationen, etwa dass HI-Viren durch Kondome hindurchgingen. Das ist falsch und gefährlich. Das halte ich für ungerecht und unkatholisch. Wie man angesichts dessen positiv über Werte reden kann, ist mir ein Rätsel. Die Kirche kann nur glaubhaft über Werte reden, wenn sie ehrlich ist."

Nachzulesen hier:

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,370594,00.html

Anzumerken bleibt vielleicht noch, daß auch in den letzten Tagen wieder sehr viele unschuldige Menschen im Irak durch Selbstmordattentäter ums Leben gekommen oder verstümmelt worden sind. Die Deutschen hingegen scheinen immer Glück zu haben. Aber wenn inmitten dieser heuchlerischen, abgrundtief verlogenen Kölner Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltung auch mal ein Selbstmord-Attentäter den Zündmechanismus für seine Rucksack-Bombe betätigt hätte, wäre ich zumindest darüber nicht verwundert gewesen.

Natürlich sollte man Dummheit nicht gleich mit dem Tod bestrafen. Und auch nicht alle unsere Großeltern, die als junge Menschen dafür büßen mußten, daß sie Rattenfängern auf den Leim gegangen sind, waren wirklich "schuldig", wenn man berücksichtigt, daß sie bis dahin nur monarchische Verhältnisse gewohnt und im Umgang mit der noch jungen Demokratie sehr unerfahren waren.

Bei den dummen Kindern von Köln ist es aber etwas anderes: Sie alle hätten sich rechtzeitig über den neuen Papst informieren können - über das Internet, über Radio und Fernsehen oder über gute Bücher. Denn das alles steht uns Deutschen - 60 Jahre nach der Hitler-Diktatur und 16 Jahre nach dem Ende des DDR-Regimes - zur freien Verfügung. Und ich bin einer von denen, die möchten, daß das auch mindestens noch weitere 60 Jahre so bleibt.

Wer aber so dumm ist wie die Kölner Hallelujah-Karnevalisten und möglicherweise auch noch im Herbst sein Kreuz bei den Merkel-"Christen" macht, hat die Demokratie, in der wir hier seit Jahrzehnten global gesehen fast wie in einem Paradies leben, nicht wirklich verdient und sollte sich daher auch nicht wundern, wenn er schon bald in seinen Bürgerrechten beschnitten wird und irgendwann auch ein kastriertes Internet präsentiert bekommt, das nur noch die Seiten freigibt, die von den gerade Herrschenden zugelassen werden.

Genau davon träumt ja auch George Bush: Von einem Internet, das den Zugang nur für 150prozentige Anhänger freigibt. Der Rest wird schon nach dem ersten Einwahlversuch digital aufgespürt, abgeholt, verschleppt und darf dann in einem der modernen KZs auf die Folter-Verhöre warten.

Ratzinger ist Rückschritt. Ratzinger steht für ein reaktionäres Weltbild. Für Verdummung, Aberglaube, Frauenfeindlichkeit. Und durch eine Massenhysterie, wie wir sie jetzt wieder in Köln bei Jugendlichen erlebt haben, verbunden mit einem gefährlichen Personen-Kult, wobei ohne darüber nachzudenken stets derjenige bejubelt wird, der sich anmaßend "Stellvertreter Christi" nennt, der ja wiederum vom katholischen Standpunkt aus der größte "Führer" aller Zeiten war, werden bei uns erneut wieder alle Tore geöffnet, um das Gedankengut der Neonazis und anderer Feinde der Demokratie salonfähig zu machen. Ganz so, als hätten wir unter diesem Pack, das man hierzulande (leider) auch direkt wählen kann, nicht schon genug zu leiden.

Mein Gott, warum machen sich die "christlichen" Jung-Deppen nicht wenigstens mal die Mühe, sich altes Wochenschau-Material aus der Nazi-Zeit anzusehen. Dann würden sie vielleicht begreifen, daß solche live übertragenen ebenso kitschigen wie gefährlichen Massenveranstaltungen in einem bis jetzt noch freien demokratischen Deutschland wie ein gruseliger Ausblick in die Zukunft wirken, die in Wirklichkeit aber nur eine Zeitreise zurück ist und einen Aufguß unserer alten faschistischen Traditionen darstellt.

Gruß Ben