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30. August 2005, 11:14   #25
tw_24
 
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In der aktuellen Jungen Freiheit, sicher nicht verdächtig, besonders kritisch mit dem ins Gericht zu gehen, was katholisch sich nennt, schreibt Chefredakteur Dieter Stein mal ein paar wahre Worte: "Den katholischen Christen ist es mit dem Weltjugendtag gelungen, das Modell von Massenveranstaltungen zu übernehmen, wie sie besonders von evangelikalen Freikirchen seit Jahren erfolgreich betrieben werden. Während die evangelische Kirche nun aber in Hunderte und Tausende vielfach konkurrierende Einzelkirchen zerfällt, manifestiert sich bei der katholischen die Einheit der Kirche in einem Ort, Rom, und einer Person, dem Papst."

Es ist alles ausgerichtet auf ihn, den angeblichen Stellvertreter, nicht auf IHN. "Der Papst hat offensichtlich nicht trotz, sondern wegen der von ihm vertretenen klaren Werte die Jugend in Scharen angezogen" und offenbar also gerade nicht das Erlebnis Jugendtreffen. "Die Synthese aus Bilderpracht, Zeremoniell, gezähmtem Pomp, intellektueller und geistlicher Schärfe ziehen an diesem Papst an und reißen offenbar gerade Jugendliche mit, denen Autoritäten und Meister abhanden gekommen sind."(Junge Freiheit 35/05, S. 1)

Da mag es sein, daß der katholische Amtsaberglaube die Anbetung des Popen nicht ausdrücklich vorschreibt, de facto aber unternimmt sie nicht nur nichts dagegen, sondern fördert sie ja durch Veranstaltungen wie in Köln recht unübersehbar. Gefährlicher als jeden Pop-Star macht den Ratzinger dabei, daß er wohl tatsächlich die Macht hat, mittels Amt Massen zu mißbrauchen, während die Verehrung eines Pop-Stars in den meisten Fällen doch enden dürfte, forderte er bedingungslosen Gehorsam ein.

Verschärfend hinzu kommt, daß es im Selbstverständnis der Amtskirche zwar sehr wohl ein Instanz gibt, vor der auch sie sich verantworten muß, doch diese Kontrollinstanz ist irgendwo im Jenseits angesiedelt, mithin gibt es eben keine irdische Macht, der sich diese Kirche beugen würde, ein Zustand, der typisch ist für Diktaturen und der allein schon deshalb überwunden werden muß. Gewollt ist dies allerdings auch aus der Sicht der gegenwärtig Regierenden nicht, denen die massenhafte Anbetung des Popen tatsächlich bescheinigte, daß sie ziemliche Dilettanten sind.

Deshalb traten sie aber so gern mit dem Popen auf, um wenigstens so ein wenig von der Verehrung abzubekommen, die auch der nicht verdient hatte. Zugleich müssen sie natürlich das Bündnis mit ihm suchen, nicht mit IHM, denn mit ihm anlegen können sie sich nicht, zumal aufgeklärte Menschen ohnehin dazu neigen, bestehende Herrschaftsverhältnisse mindestens zu hinterfragen. Und die will ein Gerhard Schröder ebenso erhalten wie ein Horst Köhler. Auch deshalb steht in Deutschland die Trennung von Staat und Religion nur auf dem Papier.

Auf diese Weise sorgt die katholische Kirche natürlich auch noch mit dafür, daß sich an den realen Ausbeutungsverhältnissen hier und anderswo herzlich wenig ändert, selbst wenn der jeweilige Pope mal das eine oder andere Papier zusammenkritzeln läßt, in dem Globalisierung und ähnliche Schreckgespenster verurteilt werden. Die vermeintlichen "Werte", die die Amtskirche degegensetzt und die über eine große Anziehungskraft verfügen, dienen letztlich so nur dem Erhalt aktueller Gegebenheiten, die Anhänger des Popen werden damit im Grunde gleich mehrfach mißbraucht, denn den von Dieter Stein angenommenen Widerspruch zwischen einer Welt ohne "Autoritäten und Meister" und einer geistlichen mit dem Ratzinger an der Spitze als "Gegenpol" zu ersterer gibt es gar nicht.

MfG
tw_24