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20. June 2002, 17:48   #1
Marie
 
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Völler hat für Fritz Walter gesiegt

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Seogwipo/Südkorea (dpa) - Rudi Völler will gegen die USA für Fritz Walter siegen - Oliver Kahn möchte in Asien sogar an den größten Triumph des Ehrenspielführers anknüpfen. «Auch damals 1954 hat man der deutschen Mannschaft wenig zugetraut. Uns traut man ja immer noch relativ wenig zu - und vielleicht werden wir ja auch Weltmeister», erklärte der Kapitän der aktuellen DFB-Auswahl in Seogwipo.

«Warum sollen wir so ein Spiel nicht auch für Fritz Walter gewinnen können», zog Völler für das Viertelfinale am Freitag gegen die Amerikaner zusätzliche Kraft aus der traurigen Nachricht, die nachts das Team-Quartier auf der südkoreanischen Insel Cheju erreicht hatte. «Wir sind alle sehr betroffen», sagte Völler, dessen Team beim Spiel in Ulsan Trauerflor tragen wird.

Spätestens beim Training am Dienstagabend mussten sich Trainer und Spieler wieder mit der Partie gegen die USA befassen, bei der es auf Anordnung des Weltverbandes FIFA auch eine Schweigeminute zum Gedenken an Weltmeister Fritz Walter geben wird. Abwehrspieler Christoph Metzelder bleibt wegen seiner Sprunggelenksverletzung das große Sorgenkind im DFB-Kader, obwohl der Dortmunder wieder mit leichtem Lauftraining beginnen konnte. Ob der 21-Jährige rechtzeitig bis zum Spiel fit wird, bleibt dennoch fraglich. Entwarnung gab es dagegen am Dienstag bei Christian Ziege, dessen Knöchelblessur sich als unproblematisch erwies.

«Wir wissen alle, dass wir uns steigern müssen», betonte Völler im Hinblick auf das zweite WM-Spiel gegen eine US-amerikanische Mannschaft nach dem Vorrunden-Duell 1998 in Paris (2:0). Kahn warnte vor dem «sehr unangenehmen» Gegner: «Das sind patriotische Jungs, die alles für ihr Land geben werden.» Auch die Viertelfinal-Niederlagen 1994 gegen Bulgarien (1:2) und vier Jahre später gegen Kroatien (0:3), die jeweils zum unerwarteten WM-K.o. geführt hatten, stehen als warnende Beispiele. «Es ist zwei Mal passiert. Wir hoffen alle, dass es nicht ein drittes Mal passiert», betonte Jens Jeremies.

Der Kämpfer vom FC Bayern sieht die Mannschaft im Gegensatz zu jenem schwarzen 4. Juli 1998, als nach dem Sieg der Kroaten auch die Verschwörungs-Theorie des damaligen Bundestrainers Berti Vogts die WM zum Fiasko werden ließ, auch psychologisch in einer besseren Situation: «Wir können entspannt in das Spiel gehen. Unser Spirit kann uns tragen.» Trotz aller Kritik am unattraktiven Spiel der Deutschen sei ein Punkt entscheidend, hob Jeremies heraus: «Wenn diese Mannschaft in allen Teilen funktioniert, ist es sehr, sehr schwer, uns zu schlagen.» Und dies gelte nicht nur gegen die USA.

Völler hatte nach den scharfen verbalen Angriffen gegen das Spiel seiner Mannschaft sogar kurzfristig seine gute Kinderstube vergessen («der bekloppte Cha Bum hat zu viel Aspirin gegessen»). Vier Wochen habe er versucht, sich «einigermaßen im Griff zu halten», berichtete der 42-Jährige. Aber nach der harschen Kritik seines «alten Spezis» Thomas Berthold und des Ex-Leverkuseners Cha Bum spürte «Tante Käthe» den großen nervlichen Verschleiß. «Manchmal habe ich so das Gefühl, was wollen eigentlich alle von uns?», gestattete Völler erstmals in diesen langen WM-Wochen einen kurzen Einblick in sein Innenleben. «Schließlich bin ich auch nur ein einfacher Mensch.»

Kahn trat dem Teamchef entschlossen zur Seite: «Wenn es ganz unter die Gürtellinie geht, kann man auch gute Motivation schöpfen.» Zudem trete Völler trotz großem Stress und großer Anspannung «erstaunlich ruhig» auf. Mit der taktischen Umstellung nach dem Platzverweis von Carsten Ramelow im Spiel gegen Kamerun habe Völler bereits sein «Meisterstück» bei dieser WM abgeliefert. «Man sieht, dass er mit der Situation absolut zurecht kommt», betonte der ehrgeizige Torhüter.

«Gewisse Dinge» werde er sich auch weiterhin nicht gefallen lassen, meinte Völler. «Ich werde mich immer tausendprozentig vor die Mannschaft stellen.» Die Linie bleibt: Nach Außen der «Vater» Rudi, der nichts auf seine Spieler kommen lässt, intern jedoch schürt der Teamchef zunehmend die Duelle um die wenigen vakanten Plätze. «Man spürt den Konkurrenzkampf auch im Training», stellte Kapitän Kahn zufrieden fest: «Da wird sich in den nächsten Tagen einiges tun.»

Völler verweigerte drei Tage vor dem Viertelfinale alle Hinweise auf eine mögliche Startformation. Total offen erscheint vor allem die Besetzung der Position des Abwehrchefs, für die sich WM-Frischling Sebastian Kehl mit starken 45 Minuten gegen Paraguay (1:0) empfohlen hat. Doch auch der wieder spielberechtigte Ramelow drängt zurück in den Defensiv-Verbund. Völler muss außerdem entscheiden, ob er neben dem sicher ins Team zurückkehrenden Dietmar Hamann in Jens Jeremies einen zweiten Abräumer ins Mittelfeld stellt.

Jeremies selbst, der in der Vergangenheit meist deutlich auf sein Startrecht pochte, verdeutlichte am Dienstag mit persönlicher Zurückhaltung die Stimmung im Team: «Am Freitag müssen elf Spieler auf dem Platz stehen, die bereit sind, alles dafür zu tun, dass wir ins Halbfinale kommen. Die anderen elf, die nicht spielen, werden auf der Bank sitzen und die Daumen drücken.»