Thema: Stichtage
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27. November 2006, 22:13   #366
Jules
 
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27. November 1961: Das Schlafmittel Contergan wird vom Markt genommen

Thalidomid (alpha-Phthalimidoglutarimid) ist der Wirkstoff des Schlaf- und Beruhigungsmittels Contergan, das Ende der 1950er Jahre zu zahlreichen schweren Schädigungen an ungeborenem Leben führte. Thalidomid ist eine chirale Verbindung, die in Form des racemischen Gemischs der beiden Enantiomere als Schlaf- und Beruhigungsmittel auf den Markt gebracht wurde. Zunächst wurde angenommen, dass für die Fehlbildungen (die teratogene Wirkung) allein das (S)-Enantiomer verantwortlich sei und nur das (R)-Enantiomer die gewünschte beruhigende Wirkung hervorrufe. Da die Enantiomere bei Thalidomid im Körper allerdings racemisieren, kann keinem der beiden Enantiomere eine beruhigende bzw. teratogene Wirkung zugesprochen werden. Die Gabe eines reinen Thalidomid-Enantiomers hätte die Contergan-Katastrophe also nicht verhindern können.

Schlaf- und Beruhigungsmedikament
Unter dem Namen K17 wurde 1954 eine neuartige Substanz synthetisiert, die in Tierversuchen zu schnellerer Ermüdung der Versuchstiere führte. Daraufhin wurde es vom 1. Oktober 1957 bis Ende 1961 von der Stolberger Pharmafirma Grünenthal als „erstes bromfreies Schlaf- und Beruhigungsmedikament ohne größere Nebenwirkungen“ mit dem Namen Contergan vertrieben.

Contergan führt, innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft eingenommen, zu schweren Fehlbildungen (Dysmelien) oder sogar Fehlen (Aplasien) von Gliedmaßen und Organen der Kinder. Da Contergan unter anderem auch gegen die typische, morgendliche Schwangerschaftsübelkeit in der frühen Schwangerschaftsphase hilft, wurde es Ende der 1950er Jahre gezielt als das Beruhigungs- und Schlafmittel für Schwangere empfohlen. Im Hinblick auf Nebenwirkungen galt es als besonders sicher, denn als bromfreies Schlafmittel sollten Nebenwirkungen, wie Verwirrtheitszustände, Delirien und Stottern ausbleiben.

Der Zusammenhang zwischen der Häufung fehlgestalteter Kinder und der Einnahme von Contergan wurde vom Kinderarzt und Humangenetiker Widukind Lenz entdeckt.

Mittel gegen Lepra
Im Jahre 1964 fand ein israelischer Hautarzt, der einer Lepra-Patientin Contergan aus Restbeständen verabreichte, heraus, dass sich ihre Geschwüre am nächsten Tag deutlich zurückgebildet hatten. Bedingt durch diese Entdeckung, verschwand der Contergan-Wirkstoff Thalidomid niemals aus der Wissenschaft, sondern wurde weiter an Tieren erprobt und getestet, sowie vor allem in südamerikanischen Ländern wie Kolumbien und Brasilien weiterhin als Medikament für Lepra-Kranke verwendet, ohne dass man die bekannten Nebenwirkungen vermeiden konnte.

Versuche gegen AIDS und Krebs
Wegen der hemmenden Wirkung auf die Neubildung von Blutgefäßen wurden auch schon erfolglose Versuche gegen Krebs und Anfang der 1990er in England gegen AIDS durchgeführt.

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