Thema: Stichtage
Einzelnen Beitrag anzeigen
28. February 2006, 08:53   #90
Jules
 
Benutzerbild von Jules
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Nähe Düsseldorf
Beiträge: 2.352
28. Februar 1986: Der schwedische Ministerpräsident Olof Palme wird ermordet

Sven Olof Joachim Palme (* 30. Januar 1927 in Stockholm; † 28. Februar 1986 ebenda) war schwedischer Sozialdemokrat und zweimaliger Premierminister Schwedens (1969-1976 und 1982-1986).

Leben

Olof Palme kam aus einer großbürgerlichen und konservativen Familie. Die Familie seines Vaters stammte aus den Niederlanden; seine Mutter war eine baltendeutsche Freiin von Knieriem. Während seiner Studienjahre in Stockholm trat er dem Sozialdemokratischen Studentenverein bei und 1952-53 war er Vorsitzender der Schwedischen Hochschülerschaft. 1953 wurde er Sekretär des Premierministers Tage Erlander. Ziemlich rasch entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Premierminister und dem 25 Jahre jüngeren Olof Palme. 1963 wurde er Staatsrat, 1965 Minister und 1969 – nach dem Rücktritt Tage Erlanders – Parteivorsitzender und Premierminister. Nach dem Wahlverlust von 1976 ging die Sozialdemokratische Partei in die Opposition, aus der sie Olof Palme 1982 auf die Regierungsbank zurückführte. Seine zweite Periode als Premierminister endete abrupt mit seiner Ermordung 1986.

Olof Palme war an der Reformpolitik der 50er und 60er Jahre maßgeblich beteiligt. Er hatte selbst an der Ausformung der Ideologie von der "starken Gesellschaft" mitgewirkt, die Tage Erlanders Wirken prägte. Nach seinem Amtsantritt 1969 versuchte Palme, die Politik Tage Erlanders fortzuführen, begegnete aber mehreren Schwierigkeiten. Einerseits erschwerte die Verfassungsreform und die neue parlamentarische Situation nach der Wahl von 1973 eine stabile Zusammenarbeit über die Blockgrenzen hinweg, andererseits überschatteten wirtschaftliche Probleme, vor allem nach der Ölkrise 1973, die soziale Reformarbeit. Die Atomkraftdebatte entzweite die eigene Partei und brachte einen neuen politischen Faktor ins Spiel, die Umweltpolitik und die grüne Bewegung, und die gewerkschaftliche Forderung nach Einführung von Arbeitnehmerfonds verschärfte die Gegensätze zu den bürgerlichen Parteien.

Wie kein anderer prägte Olof Palme aber das Bild Schwedens im Ausland durch seine engagierte Außenpolitik: durch seine harte Kritik am Vietnamkrieg, als UNO-Vermittler im Iran-Irak-Krieg und durch seine internationale Abrüstungsinitiativen, wie zum Beispiel im Rahmen der Palme-Kommission. Darüber hinaus hatte Palme enge persönliche Beziehungen zu europäischen Politikern wie Willy Brandt und Bruno Kreisky.

Das Attentat

Stockholm: Gedenktafel am TatortAm 28. Februar 1986 um 23:23 Uhr wurde Olof Palme im Alter von 59 Jahren an der Ecke Sveavägen/Tunnelgatan in der Innenstadt von Stockholm ermordet. Er war mit seiner Frau Lisbet ohne Polizeischutz nach einem Kinobesuch („Bröderna Mozart“ Die Gebrüder Mozart von Suzanne Osten ) auf dem Heimweg, als er aus nächster Nähe erschossen wurde. Obwohl er sehr schnell in ein Krankenhaus gebracht wurde, wurde Palme dort kurz vor Mitternacht als tot erklärt. Seine Frau erlitt leichte Verletzungen. Am Tatort erinnert eine Gedenktafel an den Mord.

Einem Passanten gelang es zunächst, den Attentäter zu verfolgen, er verlor ihn jedoch. Der nun folgende Polizeieinsatz startete schleppend. In Widersprüche verwickelte sich der damalige Stockholmer Polizeichef Hans Holmér, der beispielsweise angab, zum Zeitpunkt des Attentates in einem Hotel in Borlänge genächtigt zu haben, dort allerdings nie gewesen war. Holmérs Buch "Tod in Stockholm – Der Mordfall Olof Palme" wurde vom Autor nach heftigen Anfeindungen zurückgezogen; unter anderem kam die Vermutung auf, die schwedische Sicherheitspolizei Säpo sei von Rechtsextremen unterwandert, habe die Ermittlungen verschleppt oder sei sogar selbst in das Attentat verwickelt. Auf letztere Vermutung weisen unter anderem Mitschnitte des Funkverkehrs in der Nacht des 28. Februar 1986 hin.

Die Suche nach dem Täter kam nur äußerst schleppend in Gang, da sich die Stockholmer Stadtpolizei und die schwedische Bundespolizei SÄPO zunächst lange um die Zuständigkeit stritten. Überdies ging die Polizei Hinweisen einer Zeugin nicht nach, die wenige Minuten vor den Schüssen auf den schwedischen Ministerpräsidenten einen Verdächtigen im Eingang eines Geschäfts am Sveavägen erkannt haben will. Sie war mit einer Freundin unterwegs, wollte sich nach der Uhrzeit erkundigen, erkannte in dem Mann ein Mitglied jenes Fitness-Studios, in dem sie selbst trainierte, und sprach ihn – weil sie wusste, dass er Finnisch sprach – auch auf Finnisch an. Daraufhin drehte sich der Mann nach Angaben der späteren Zeugin um, verdeckte sein Gesicht, während aus einem Walkie-Talkie, das er mit sich führte, auf Finnisch die Anweisung zu vernehmen war, er solle sich unauffällig verhalten.

Darauf, dass bei den Ermittlungen geschlampt wurde, deutet ebenso hin, dass die beiden Patronen nicht von der Polizei, sondern von Passanten gefunden wurden. Angebliche RAF-Mitglieder bekannten sich zu der Tat, die aus Rache am schwedischen Verhalten bei der Besetzung der deutschen Botschaft in Schweden verübt worden sei. Die Polizei hielt diese Aussagen für unglaubwürdig.

Zunächst wurde auch die PKK verdächtigt. Eine Spur führte überdies nach Südafrika. Das dortige Apartheid-Regime, gegen das sich Palme wiederholt und engagiert ausgesprochen hatte, wurde verdächtigt, den Mord an Palme in Auftrag gegeben zu haben. Doch es vergingen fast drei Jahre, ohne dass die Polizei bei der Suche nach Palmes Mörder entscheidende Fortschritte machte. Erst Ende 1988 konnte der zuständige Cheffahnder einen Tatverdächtigen präsentieren. Es handelte sich um den einschlägig vorbestraften und drogenabhängigen Christer Pettersson, dessen Alibi für die fragliche Nacht sich als falsch erwiesen hatte.

Der vermeintliche Täter Pettersson wurde 1989 des Mordes für schuldig gesprochen, jedoch in zweiter Instanz freigesprochen, weil die Ermittler bei der entscheidenden Gegenüberstellung der Witwe Palmes einen Tipp gegeben hatten, der auf Petterson hinwies. Petterson starb am 29. September 2004 57-jährig in Stockholm an den Folgen seiner Drogensucht.

Der ungeklärte Mord geriet im September 2003 im Zusammenhang mit dem Attentat auf Anna Lindh wieder in die öffentliche Diskussion: Auch bei diesem zweiten Mord an einer prominenten Persönlichkeit der schwedischen Politik binnen weniger Jahre konnte der Täter zunächst nicht zweifelsfrei festgestellt werden, was zu massiver Kritik an der Arbeit der schwedischen Polizei führte und bei vielen Menschen die Erinnerung an den Mordfall Palme wieder wachrief.

Der Mordfall Olof Palme ist bis heute nicht aufgeklärt und die Tat würde 2011 verjähren.

Aufsehen erregte der Film Jag såg mordet på Palme, der am 26. Februar 2006 im schwedischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Dort gesteht Petterson den Mord und beschreibt, dass es sich um eine tragische Verwechslung handelte, weil er jemanden anderen töten sollte, den Drogenhändler Sigge Cedergreen.