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23. November 2005, 15:34   #34
tw_24
 
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Selbstbewußtsein nützt nichts, wenn es auf dem falschen Wertmaßstab gründet. Unter den Frauen, die im Nord-Irak, der Papa möge mir vergeben, daß ich weitgehend in dem Landstrich verbleibe, befragt wurden, fanden sich durchaus viele, die ausgesprochen selbstbewußt waren - nur eben im Rahmen ihrer Auslegung der Worte des Propheten oder der überlieferten Tradition, die ihnen die eine, ihren tapferen Männern eine andere Rolle zuweisen, die sie irgendwann auch annahmen und heute eben ganz selbstverständlich leben.

Und für diese Frauen ist es denn auch eine völlig normale Sache, daß ihre Töchter verstümmelt werden müssen, meist erledigen das entsprechend dann nicht irgendwelche Männer, sondern tatsächlich sie selbst. Und an dieser Stelle ist die Rede von einem zu entwickelnden Selbstbewußtsein kaum mehr als eine Phrase, die zwar schön klingt, aber völlig nutzlos ist. Ein vier-, fünf- oder sechsjähriges Mädchen hat in dieser Situation schlicht keinen eigenen Willen, den es verteidigen könnte.

Die Täterinnen - Mutter oder Großmutter - sind zugleich davon überzeugt, völlig korrekt zu handeln und auch bereit, gegen geltende staatliche Gesetze zu verstoßen, werden sie in dieser Haltung doch auch von einigen (geistlichen) Autoritäten, ihrem männlichen Anhang und letztlich der Tradition bestärkt, die sie damit natürlich selbst fortschreiben - und zwar sehr selbstbewußt. Als Zwang empfänden sie es, ließe man ihnen eine Wahl.

Die Abweichung vom 'Normalen' ist in islamistischen und den extrem patriarchalisch geprägten Gesellschaften Afrikas im Grunde immer tödlich, weil sie mit einem Ausschluß aus dieser Gesellschaft (oder Stamm/Clan/Familie) geahndet wird, der unumkehrbar ist. Der christliche Sünder sagt hundertmal einen Vers auf und gehört wieder dazu, der Islam oder die "Tradition" hingegen verzeiht nie. Nur wer 'normal' lebt, hat nichts zu befürchten.

Welches Verhalten indes 'normal' ist, wird dabei immer von außen bestimmt, was Frauen wie Männer gleichermaßen 'fremdbestimmt', wobei der islamische Mann in gewisser Hinsicht vielleicht sogar noch mehr leiden muß als Frauen, denn die ihm zugedachte Rolle als edler Krieger und/oder Ernährer der Familie kann er immer weniger überzeugend ausfüllen - besiegbare Gegner gibt es praktisch nicht (*) und bezahlte Arbeit auch immer weniger.

So bleibt, um seine "Ehre" zu verteidigen, dem Mann in diesen Gesellschaften nur noch die seiner Familie, wo Sex und Lust ins Spiel kommen, die es nicht geben darf, weil das Grüne Buch sie nicht vorsieht, auch nicht für den Mann, denn der Beischlaf dient hier immer einem höheren Zweck (Reproduktion, Ausübung von Herrschaft). Die Frau (oder das Mädchen) ist dabei als Trägerin der familiären "Ehre" einerseits zwar beschützenswert (**).

Doch dieser Schutz verkehrt sich in sein Gegenteil, nämlich absolute Unterdrückung, wenn dafür der Frau das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen wird, weil sie als von finsteren Trieben gesteuertes Wesen begriffen wird, die die "Ehre" der Familie bedrohen, würden sie - vielleicht sogar noch öffentlich - ausgelebt. Deshalb finden Beschneidungen statt, deshalb gibt es den Zwang zur Verhüllung, ist "aufreizender" Schmuck verboten.

Und deshalb gibt es Morde zu Wiederherstellung der "Ehre" der Familie, denn, wie gesagt, es gibt im Islam sowas wie Vergebung nicht, die "Ehre" kann nur dadurch gerettet werden, daß getötet (und nicht etwa nur ausgestoßen) wird, wer sie verletzte. Im Irak übrigens wurden "Ehrenmorde" 1988 legalisiert, der Mann durfte fortan bestimmen, wann eine Ehrverletzung vorlag und durfte bzw. mußte entsprechend Macht ausüben, verzichtete er darauf, wäre das ja auch wieder ausgesprochen gotteslästerlich.

Gegen dieses von vielerlei (letztlich eingebildeten) Zwängen bestimmte Weltbild, das in islamistischen oder sonstwie traditionellen Gesellschaften vorherrscht, anzukommen fällt in der Praxis ausgesprochen schwer, die man zwar ganz hervorragend analysieren, aber kaum wirksam ändern kann. Aufklärung klingt in diesem Zusammenhang auch immer wieder gut, wie diese freilich erfolgen kann oder soll, wenn die Aufzuklärenden sich in ihren Rollen eingerichtet haben, ist die große Frage, nur mit dem Hinweis auf Gesundheitsrisiken ist zumindest dauerhaft wohl herzlich wenig auszurichten.

NGOs, die sich damit befassen, haben dabei meistens gleich zwei grundsätzliche Probleme (siehe hier), die die Arbeit erschweren, selbst wenn sie ein 'Rezept' haben. Sie kommen nämlich erstens aus dem Ausland, womit sie schonmal mehr als verdächtig sind, und leisten sie sich zweitens einheimisches Personal hat dieses es auch wieder schwer, in den 'privaten Bereich', zu dem FGM zählt, überhaupt vorzudringen, weil es im Dienste von Ausländern steht.

Von innen heraus aber sind islamistische Gesellschaften nicht zur Überwindung ihrer Probleme in der Lage. Es fehlt einerseits das Problembewußtsein, andererseits aber haben sie es ganz objektiv nicht geschafft, die Rollenbilder von Frau und Mann im Laufe der Zeit zu 'reformieren' wie dies in westlichen Gesellschaften gelungen ist. "Nur mit Terror, der in Selbstvernichtung gipfelt, kann an dem überkommenen Begriff der Ehrhaftigkeit noch festgehalten, Aktivität und Männlichkeit im Sinne islamischer Tradition inszeniert werden." (Quelle)

(*) Als 'Ausweg' bleibt freilich der Tod als "Märtyrer" im Kampf gegen einen (oft auch nur imaginären) Feind, darauf werden schon Kinder mit bunten Cartoons abgerichtet, hier Beispiele aus dem Iran: http://www.memritv.org/Search.asp?ACT=S5&P1=146#, Peter Scholl-Latour würde entschuldigend kommentieren, diese Filmchen seien wie des iranischen Präsidenten jüngste Drohungen gegen Israel "eigentlich ans Inland gerichtet" (Junge Freiheit 04.11.2005, S. 1) und daher nicht wirklich schlimm.

(**) Das für Frauen geltende Verbot Fahrzeuge zu steuern begründen islamistische "Gelehrte" denn auch damit, daß es dem Schutz der Frau diene, denn etwa eine öffentliche Verhandlung nach einem vielleicht selbstverantworteten Unfall verletze deren "Ehre" und damit zwangsläufig die der Familie.

MfG
tw_24