Thema: Dresden
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6. March 2006, 23:59   #6
Ben-99
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... ich hoffe, Sacki, daß Du den Film nicht wirklich in ein "kleines TV-Kartenbild in der oberen rechten Ecke" verbannt hast, denn dann mußt Du ihn Dir zur Strafe noch einmal in voller Pracht ansehen ;-)

Ich bin nämlich hin und weggerissen und behaupte glatt, daß es die beste deutsche Kino-Produktion der letzten Jahrzehnte war. Und vor allem verstehe ich jetzt auch endlich, warum "Good bye, Lenin!" so ein Kassen-Erfolg war und auch von internationalen Kritikern so sehr gelobt wurde. Ich kann mich da nur ohne Wenn und Aber anschließen.

Zunächst das äußerst geile Drehbuch - eine ebenso intelligente wie aberwitzige Story, die selbst den Plot von "Sonnenallee" als harmlos erscheinen läßt. Dazu kommt die perfekte Regie und natürlich die wunderbaren Schauspieler. Vor allem konnte neben der sympathischen Neuentdeckung Daniel Brühl, der genetisch übrigens "Halb-Spanier" ist, vor allem auch Katrin Saß, die im Film das Glück hatte, als Koma-Patientin die Wende zu verpennen, endlich mal wieder zeigen, daß sie schon immer zu den besten deutschen Schauspielerinnen gehört hat. Denn wie man weiß, hatte sie ja – wie zum Beispiel auch die wunderbare Karin Baal, selbst für ihr vorübergehendes Aus in der Branche gesorgt. Was diese zwei mutigen Frauen verbindet: Sie haben aus ihrer verhängnisvollen Drogensucht – in beiden Fällen geht es um Alkohol – nie einen Hehl gemacht und standen immer offen zu ihren Problemen.

Mit "Good bye, Lenin!" ist ein seltenes Kunststück geglückt: Eine überaus witzige Komödie, die dennoch mehr Tiefgang hat als viele Dramen. Und das arme Tempo-Taschentuch des Zuschauers weiß am Ende nicht, ob es Lachtränen oder die echten Tropfen der Ergriffenheit waren, die es ständig aufsaugen mußte. Wie schon oft von mir betont: Im Gegensatz zu den handwerklich fast immer überlegenen frei finanzierten Hollywood-Produktionen sind 90 Prozent der Movies aus Deutschen Landen zumeist gequierlte Scheiße und eben auch deshalb nicht die (Steuerzahler-) Gelder der Filmförderung wert. Aber dann gibt es alle paar Jahre eben doch mal eine dieser ganz seltenen Ausnahmen.

Und zu diesen kostbaren Perlen gehört eben auch der gerade von mir gesehene Film. Daß er noch immer in mir nachwirkt und ich mich hier bei meiner spontanen Kritik so albern wie ein frenetisch applaudierender Zuschauer am Premiere-Abend aufführe, wird man mir hoffentlich nicht verübeln. Aber dieser großartige Film, den ich mir ganz sicher auch noch ein zweites Mal anschauen werde, hat nun mal auch meinen ganz persönlichen Nerv getroffen, was bei diesem ganzen Schund, den deutsche Kino- und Fernsehzuschauer derzeit ertragen müssen, nicht wirklich eine Überraschung ist.

Der Film stachelt ein latent in jedem von uns vorhandenes Verlangen an, Weltgeschichte noch einmal neu schreiben zu können - und wenn es auch nur für sich selbst ist. Oder halt ersatzweise für eine überaus geliebte Mutter, der man die schnöde historische Realität nicht zumuten will.

Gruß Ben