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29. August 2006, 17:40   #1
Ben-99
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Ein Jahr nach Katrina.

... ein Jahr nach "Katrina", und die Welt erinnert sich mit Schaudern und Abscheu daran, daß man im reichsten und angeblich "modernsten" Land der Welt Menschen wie Vieh verrecken ließ, weil man, möglicherweise kalkuliert, zu spät Hilfskräfte auf den Weg schickte, die obendrein auch noch ihren Job schlechter verrichteten als Rettungskräfte in einem Drittwelt-Land.

Aber es waren eben "nur" Schwarze, die es betraf. Und die USA, die sonst immer gern anderen Staaten Nachhilfeunterricht in "Zivilisation" erteilen will, zeigte sich einmal mehr von ihrer häßlichsten Seite. Und auch George Bush belog nachweislich erneut schamlos das amerikanische Volk.

Und doch werden die meisten Menschen auf der Welt schon wieder vieles vergessen haben, was sich vor einem Jahr in New Orleans abspielte. Obwohl die Katastrophe nicht etwa überraschend kam, sondern man diesmal fast die Uhr hätte danach stellen können, so präzise wurde vorher von Experten vor den Dammbrüchen gewarnt. Und gerade das macht die Schande aus. Denn wenn "Katrina" vor Manhattan oder Long Island ihr Unwesen getrieben hätte, wäre das Leben und Hab und Gut der meisten "kostbaren" weißen Bürger sicherlich gerettet worden.

Der staatlich sanktionierte Rassismus – in Südafrika wurde er vor Jahren abgeschafft. In den USA scheint er unter Bush aber nun wieder aufzublühen.

Zitat:
Der erste und zweite Akt von Lees Requiem erzählen die Katastrophe vom Vorabend bis zur Folgewoche nach. Es sind viele Bilder dabei, die man aus den Nachrichten kennt, doch die Augenzeugenberichte fügen sie zu einer furchtbaren Chronologie zusammen, die in dem Monolog eines Mannes namens Herbert Freeman gipfelt. Er erinnert sich, wie er mit seiner an den Rollstuhl gefesselten Mutter vor dem Convention Center von New Orleans tagelang auf die versprochenen Busse wartete. Wie die Fragen seiner Mutter immer leiser wurden. Wie sie sich irgendwann nicht mehr rührte. Und wie man ihn, als die Busse endlich kamen, nicht mal mehr Abschied nehmen ließ von seiner Mutter. Wenigstens hatte er der Leiche einen Zettel mit seiner Telefonnummer angepinnt, damit man ihn kontaktieren konnte.

(...)

Es gibt auch die sattsam bekannten Ausschnitte von Nachrichtensendungen und Politiker-Pressekonferenzen. Sie steigern die bodenlose Demütigung und Verlassenheit der New Orleanser Bürger ins Unerträgliche. Da ist der CNN-Beitrag, in dem die Moderatorin Soledad O"Brien den schläfrigen Chef der Katastrophenschutzbehörde Fema, Michael Brown, fünf Tage nach dem Sturm mit kaum verhohlener Wut fragt, wie es möglich sei, dass sie mehr Informationen habe als er. Da sind die Bilder des jovialen Präsidenten George W. Bush, der mitten im größten Chaos schulterklopfend zu Brown sagt: "You're doing a heck of a job, Brownie!" Da ist die Mutter des Präsidenten, Barbara Bush, die beim Besuch der Evakuiertenlager im Houstoner Astrodome sagt: "Viele dieser Menschen waren ja sowieso unterprivilegiert, ich glaube, sie haben es ganz gut hier."

(...)

Gina Montana, afroamerikanische Bewohnerin von New Orleans, fühlt sich sogar an die dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte erinnert. "Als meine Familie im Rahmen der Evakuierung nach der Flut auseinander gerissen und über das ganze Land verteilt wurde", sagt sie und senkt den Blick, "wurde ich von etwas wie einer uralten Erinnerung erfasst. Es war, als hätten wir noch einmal auf dem Auktionsblock gestanden."
Das sind Ausschnitte aus einem Artikel über eine vierstündige Dokumentation des schwarzen amerikanischen Filmemachers Spike Lee ("Malcolm X"), die hoffentlich auch bald in Deutschland zu sehen sein wird.

Von den vielen Artikeln, die man derzeit über den Jahrestag von "Katrina" lesen kann, hat mir dieser noch am besten gefallen, der schon vor einer knappen Woche erschien. Da Beiträge bei "Spiegel-Online" nach relativ kurzer Zeit nur noch kostenpflichtig abrufbar sind, will ich hier noch einmal daran erinnern, weil der Artikel derzeit noch frei verfügbar ist :

Spike Lees "Katrina"-Doku: Requiem für einen Traum

Gruß Ben