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5. July 2005, 12:33   #7
Ben-99
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... ich bin erleichtert und freue mich immer, wenn Du wieder wohlbehalten aus dem Irak zurück bist. Auch wenn Du dort anscheinend mit Leuten zusammentriffst, die Dir ein einseitig verzerrtes Bild von dem neuen angeblich "demokratischen" Irak vermitteln wollen.

Aber langsam müßte Dir doch mal auffallen, daß Du zu einer winzigen Minderheit gehörst, die immer noch die Verbrechen von Bush verharmlost und schönredet. Oder denkst Du etwa, daß die anderen Reporter alle lügen?

Sogar die Mehrheit der Amerikaner ist inzwischen entsetzt, nachdem man die wirklichen Gründe für den Überfall auf den Irak kennt und nun auch weiß, wie US-Soldaten und Gefängnisaufseher Häftlinge quälen und töten. So werden die Forderungen immer lauter, die Truppen abzuziehen und KZs wie Guantanamo auf Kuba sofort zu schließen.

Übrigens wird auch im "neuen" Irak wieder wie früher gefoltert. Nur diesmal ohne Saddam. Und eine solche Regierung willst Du unterstützen? Wie sehr das ohnehin schon halb ausgeblutete Land durch die amerikanischen Invasoren vom Regen in die Traufe gekommen ist, beweist auch der nachfolgende Artikel aus dem heutigen "Hamburger Abendblatt", den ich so erschreckend finde, daß ich ihn bewußt in voller Länge poste.

Und nun kannst Du ja wieder behaupten, das würde alles nicht stimmen, weil in Bagdad dank Bush wieder Milch und Honig fließt und alle Iraker ihre "Befreier" lieben.

Gruß Ben


Zitat:
Foltern wie bei Saddam

Im neuen Irak herrschen wieder die alten brutalen Verhörmethoden. Vor allem Terrorverdächtige werden von Polizisten gequält - mit Wissen der Regierung.


Von Thomas Frankenfeld

Hamburg/London - Bevor ihn ein Sonderkommando der irakischen Polizei holte, war Hassan an-Niami ein gutaussehender Mann. Er war Imam einer Moschee im Bagdader Adhimiya-Bezirk und bekleidete einen höheren Rang in der Vereinigung muslimischer Geistlicher.

Jetzt liegt sein Leichnam in der Moschee und wird für die Beisetzung gewaschen. Was sich innerhalb der 24 Stunden im Polizeigewahrsam ereignete, läßt sich an seinem Körper ablesen. Die Handgelenke und Hände sind vom langen Hängen an Handschellen grotesk geschwollen. Seine Brust ist schwarz von Brandspuren. Den Bauch überziehen Striemen, die offenbar von Schlägen mit Stromkabeln rühren; die Haut ist stellenweise aufgeplatzt. Die Nase ist gebrochen, und im Gesicht sind weitere Brandspuren zu sehen, vermutlich von einer Zigarette.

Ein Arm ist gebrochen, ein Rückenwirbel brutal nach innen gedrückt. In beiden Knien finden sich zahlreiche Löcher, die offenbar mit einer Bohrmaschine hineingefräst wurden. Den gnädigen Tod führten mehrere Schüsse in Körper und Kopf herbei.

Das Schicksal des Geistlichen Hassan an-Niami, der in den Verdacht geraten war, Kontakte zu den Aufständischen zu haben, ist im modernen Irak kein Einzelfall. Wie Peter Beaumont, Außenpolitikchef des angesehenen Londoner "Observer", in Bagdad recherchierte, stehen die Folterschergen der neuen Regierung denen des alten Saddam-Regimes in der Erfindung bestialischer Quälereien in nichts nach.

Beaumont fand entsprechende Anschuldigungen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nicht nur bestätigt, er enthüllte auch einige der betriebsamsten Folterzentren in Bagdad. Wer dort hineingerät, hat keine Chance auf einen fairen Prozeß; wenn seine Familie nicht hohe Bestechungssummen zahlt, wird man später nur noch seinen geschundenen Körper finden.

Im Irak hat sich parallel zum offiziellen Rechtssystem ein Netz von Todesschwadronen, geheimen Folterzentren und Lagern etabliert, das sich der gleichen Methoden und oft auch Täter bedient wie während der grausamen Herrschaft Saddams. Symptom für eine uralte Kultur der Gewalt, die in der Region bis zu den Assyrern zurückreicht. Das von den USA installierte westliche Rechtsverständnis hat hier noch keinerlei Wurzeln.

Das bedeutendste Folterzentrum ist laut Beaumont das Gebäude des Innenministeriums, ein klobiger Bau nahe der Stadtautobahn. Der siebte Stock ist zur Hölle für jene geworden, die des Terrorismus verdächtigt werden.

Ein Überlebender der Verhöre, ein junger Taxifahrer, der sich nur zufällig in der Nähe eines Bombenanschlags befunden hatte, berichtete, er sei zusammen mit 60 anderen Gefangenen in einen Raum gepfercht worden, der drei mal vier Meter gemessen habe. Er sah Wunden an den Insassen, einige konnten ihre Hände nicht mehr benutzen.

Weitere Folterzentren wurden im Keller einer Klinik im Shoula-Distrikt ausgemacht, im Al-Hadoud-Gefängnis und auf der Al-Muthana-Luftwaffenbasis. Der schlimmste Ort des Schreckens soll sich jedoch am Bagdader Nissor-Platz befinden. Hier liegt das Hauptquartier der schnellen Eingreiftruppe "Wolfs-Brigade Abu Walid", einer Todesschwadron.

Der "Observer" schrieb, amerikanische und britische Regierungsvertreter seien sich bewußt darüber, daß Hilfsgelder für die irakische Regierung an derartige Killer-Truppen umgeleitet würden. Bagdad dementierte das gestern, bestätigte aber die Foltervorwürfe. "Diese Dinge passieren. Wir wissen das", erklärte ein Regierungssprecher kühl. Man gehe auch dagegen an.

Ein Vertreter des Menschenrechtsministeriums - auch so etwas gibt es im neuen Irak - sagte dagegen, Leute im Innenministerium förderten die Folterungen: "Es ist in ihrer Ideologie, in ihrer Strategie. Sie können nichts anderes. Sie glauben, Menschenrechte sind dummes Zeug."

erschienen am 5. Juli 2005

http://www.abendblatt.de/daten/2005/07/05/455425.html