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16. October 2007, 23:57   #32
Ben-99
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Zitat:
Zitat von Akareyon

Da ich keines ihrer Bücher bisher gelesen habe, bin ich auf die Presse angewiesen
... das gilt im Prinzip auch für mich. Allerdings fiel mir diese Frau mit ihrem Gespür für in der TV-Branche einflußreiche (Ehe-) Männer schon vor Jahren auf, die wie kein anderes Fernseh-Huhn nur ihre Karriere im Kopf hatte und nun, mit fast 50, wenn der Lack langsam zu bröckeln beginnt, plötzlich auf der "Mutter"-Schiene durch die Medien reist, was sie total unglaubwürdig macht. Und ich habe genügend Interviews mit ihr gesehen und gelesen, um mir ein Bild von einer bauernschlauen Möchtegern-"Schriftstellerin" machen zu können, die bewußt mit braunem Gedankengut kokettiert, um Aufsehen in der Presse zu erregen.

Zitat:
Zitat von Akareyon

Wir wissen, daß die ersten Jahre für die geistige und emotionale Entwicklung eines Kindes von unermesslicher Bedeutung sind, man spricht oft von der "Prägephase"
Das wird oft überbewertet. Genauso wie es schwer ist, den Quark aus den Köpfen der Leute zu vertreiben, die irgendwann mal gelesen haben, daß in Spinat besonders viel Eisen (nützlich für die roten Blutkörperchen) enthalten sein soll. Heute weiß man zwar, daß sogar in jeder Tafel Schokolade mehr Eisen enthalten ist, aber weil es mal irgendwer vor vielen Jahren falsch behauptet hat, glauben viele noch immer daran.

Als Du damals gerade geboren wurdest, war es zum Beispiel in Latzhosen-Kreisen Mode, unbedingt daheim zu gebären. Natürlich auch noch ohne Schmerzmittel, und am tollsten war es, wenn das ungewaschene, blutverschmierte Baby noch möglichst lange auf dem Bauch der Mutter bleiben konnte. Weil ja die ersten Minuten so unheimlich wichtig für die spätere Mutter-Kind-Beziehung sind - glaubte man damals zumindest. Das war auch die Zeit, als "Unterwasser-Geburten" in Mode waren und anderer Blödsinn Hochkonjunktur hatte. In Wahrheit ging es fast immer nur um egozentrische Mütter, die sich nur selber mit dem Quatsch wichtig machen wollten.

Das haben inzwischen auch Langzeit-Tests ergeben, bei denen festgestellt wurde, daß zum Beispiel Frühchen, die erst Tage oder gar Wochen nach ihrer Geburt in Kontakt zu ihrer Mutter kommen konnten, später in keiner Weise auffällig wurden. Das heißt schlicht und einfach: Dem Baby ist es wurscht, wie und wo es die erste Zeit auf unserem Planeten erlebt.

Die Erziehung durch die Eltern in der Zeit danach ist für das Kind natürlich immens wichtig. Aber auch hier sollte man nicht denken, daß ein Mehr an Fürsorge auch immer ein besseres Mutter-Kind-Verhältnis garantiert. In meinem Bekannten-Kreis konnte ich beobachten, daß später die schlimmsten Probleme ausgerechnet bei den Familien auftraten, in denen sich die Mütter in übertriebener Weise als Glucke besonders um ihre Kinder gekümmert haben und ihnen vor lauter Fürsorge kaum noch Luft zum Atmen ließen.

Insofern glaube ich auch nicht, daß sich der Besuch eines Kindergartens mehrere Stunden am Tag negativ auf die Gesamtentwicklung auswirken könnte. Im Gegenteil: Wenn eine Frau beides unter einen Hut bringt - Job und Mutterrolle - hat sie allen Grund, stolz auf sich zu sein, was wiederum ihr Selbstwertgefühl hebt und sich somit auch positiv auf die Entwicklung ihres Kindes auswirken dürfte.

Denkt doch nur mal an die Mütter, die ihr Kind mitten im Krieg, womöglich in einem Luftschutzkeller, zur Welt bringen und anschließend unter horrenden Umständen versorgen mußten, die wir Nachkriegs-Geborenen uns heute überhaupt nicht vorstellen können. Es wäre schlimm, wenn ausgerechnet diese Kinder zu ihren Müttern später ein problematisches Verhältnis entwickelt hätten. Doch man weiß inzwischen, daß es nicht so war. "Prägend" waren für sie erst die Jahre später, als sie als Jugendliche begriffen, daß sie den Krieg nur mit viel Glück überlebt hatten und in eine Zeit des Neubeginns und Wiederaufbaus hineingeboren worden waren. Allerdings: Daß aus manchen dieser harmlosen Schwarzmarkt-Dealer später hochangesehene erfolgreiche Wirtschafts-Bosse wurden, während andere im Knast landeten und es ihnen Zeit ihres Lebens nicht mehr gelang, aus dem kriminellen Sumpf herauszukommen, mag sicherlich auch an der Schicksalsfrage gelegen haben, ob man als Baby in der "Lebens-Lotterie" zufällig eine Mutter oder einen Vater abbekommen hat, die es verdienen, auch später vom erwachsenen "Kind" noch geliebt zu werden, weil man ihnen eine glückliche Kindheit verdankt, zu der eben auch gehört, daß man normal erzogen wurde und nicht allzusehr verhätschelt worden ist.

Es gibt doch nichts Schlimmeres für den Sohn oder die Tochter als der olle Spruch einer frustrierten Über-Mutter, die zu Gunsten ihrer Kinder auf Job und Selbstverwirklichung verzichtet hat: "Was habe ich nicht alles für Dich getan, und Du dankst es mir nicht mal!" Ich fürchte, daß es auch den Kindern von Eva Herman später einmal so ergehen könnte - und auch allen anderen erzkonservativen Müttern, die sich wie sie ihrem Nachwuchs in einer nicht mehr zeitgemäßen, vielleicht sogar für alle Beteiligten denkbar ungesunden Art schon fast mit Gewalt aufdrängen wollen.

Gruß Ben