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22. October 2005, 13:58   #11
tw_24
 
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Der Stoff, aus dem Der Untergang gemacht wurde, ist schlicht langweilig. Ein paar Hanseln, allesamt ziemlich weltfremd, hocken in einem Bunker herum und erregen bestenfalls Mitleid, weil sie in dieser, freilich selbstverantworteten, Gefangenschaft noch immer auf einen Ausweg hoffen. Irgendwo draußen wird auch noch wild rumgeballert, aber wieso dies geschieht, läßt der Film offen, was eine verdammte Sauerei ist.

Denn selbst wenn es zur Allgemeinbildung gehört, daß den WK II die (Mehrheits-)Deutschen irgendwie zu verantworten haben, kann einfach ein zum dreistündigen Langweiler aufgeblasener Film, in dessen Mittelpunkt eben die Tristesse jener letzten Tage steht, darüber nicht einfach hinwegschweigen. Wer des Führers Sorge um die Verläßlichkeit des letzten 'Schlafmittels' thematisiert, kann, will er redlich sein, Hitlers Weltbild, das wahrlich nicht nur seines war, nicht der Phantasie des Zuschauers überlassen.

Letztlich ist der Film doch nur deshalb ein Erfolg, weil der Führer in ihm den Bruno Ganz gibt oder umgekehrt. Man könnte auch eine Big Brother-Besatzung in einen Bunker sperren, ihr etwas von einem Weltuntergang - es müßte ja nichtmal ein Krieg sein, es reichte ein Unwetter - erzählen, den Spaß ein paar Tage lang aufzeichnen und zu einem abendfüllenden Film wieder verdichten. Doch selbst ein noch so genialer Zusammenschnitt käme wohl nicht auf die Einschaltquoten des Untergangs - es fehlte der Führer.

Und das ist ja so schlimm an diesem Machwerk. Die Handlung, so es eine gibt, ist vorhersehbar, die Gefühle der dargestellten Personen ebenso - niemand würde sowas sich in einer dreistündigen Fassung antun, dann doch lieber Bollywood-Schrott. Aber weil das Label Hitler draufsteht, ist der Film plötzlich "Deutschlands wichtigster Film", wie TV Movie meint, und soll sogar bilden, wie es in einer ARD-Pressemitteilung zur Begründung der Verlängerung auf drei Stunden heißt. (Daß man noch am Führer hängt und deshalb den Schrott sendet/sich anschaut, gibt niemand zu, also muß ein Lehrauftrag her.)

Und was da neu gegenüber der DVD-Fassung ist, spricht auch schon wieder für sich. Der Russe, dieser Bauerntölpel aus dem Osten, ist nichtmal mit einer echten Führungsriege vor Ort, als die wackeren Deutschen mit ihm verhandeln wollen, und klaut sowieso noch alles, was nach Armbanduhr aussieht. Da wirkt tatsächlich noch die Goebbels-Propaganda vom unzivilisierten Untermenschen fort, und man fragt sich wirklich, wie es nur soweit kommen konnte, daß der Bolschewik es aus Sibirien bis nach Berlin schaffte. Eichinger und/oder die ARD bedienen damit ganz hervorragend das Klische von der Horde, die weder geistig noch technisch, sondern nur zahlenmäßig deutscher Kultur überlegen war.

Und dazu paßt denn auch, was man von ihr oder ihrem Werk sieht - Zerstörung überall. Trümmerwüsten, in denen einst das deutsche Bürgertum die Zivilisation pflegte, verzweifelte Verletzte, die sich lieber selbst die Kugel geben als vielleicht auf einen russischen Arzt zu hoffen. Sie mögen seinerzeit in der Tat so gefühlt haben, doch durch die Dämonisierung der im Film ohnehin nur als Angreifer (oder besser: Aggressoren) Vorkommenden, wird versucht, diese Verblendung als rational darzustellen, als in jeder Hinsicht berechtigt.

Durch diese Rationalisierungen wird zugleich der ganze Krieg zwar nicht als solcher verharmlost, aber das Wesen speziell dieses Krieges völlig verklärt. Was da die Deutschen anzettelten, war eben kein 'normaler' Krieg, wie er unter kapitalistischen Staaten gelegentlich mal passieren kann, sondern ein rassistischer Vernichtungsfeldzug, dessen Ziel es war, menschenleere Gebiete zu schaffen und zu erobern, um sie mit deutschen Übermenschen zu bevölkern, deren Darstellung im Film ohnehin mißlingt.

Natürlich waren Hitler und sein Bunkerkommando irgendwo doch auch nur deutschdumme Kleinbürger mit nur allzu verständlichen Begehren und Nöten, sie aber praktisch nur als solche zu präsentieren, entnazifiziert sie ohne jeden Anlaß, und selbst der Führer wirkt - ideologisch - ja eher wie ein verstocktes Kind, das nicht einsehen will, daß es sich geirrt hat, nicht als das, was er für die meisten Deutschen noch nach ihrer Kapitulation war: ihr Führer. Klar, es mag schwierig sein, genau das filmisch umzusetzen, doch niemand hat Eichinger gezwungen, sich auf Hitler zu konzentrieren.

Es ist tatsächlich so, daß, wer sich noch die anderen beiden jüngeren deutschen Filme Napola und Sophie Scholl antut, nach dieser geballten Ladung "Geschichte" bei der Frage ankommt, ob es jemals überhaupt auch nur einen Nazi gegeben hat. Überzeugt mitgemacht hat offenbar niemand, wobei man sich als dann wiederum fragen muß, wieso sich der Untergang doch noch so lange hinziehen konnte, irgendwer muß sich den Alliierten ja doch in den Weg gestellt haben - und das tat man, etwa nach Dresden, dann eben wohl doch, weil man an den Endsieg glaubte, nicht aus Vernunft.

Aber solche Deutsche, mit Sicherheit keine Minderheit, kommen im Untergang kaum vor - und überleben ihn nicht. Doch so leicht wurde Deutschland seine Nazis eben nicht los, es behielt sogar die meisten von ihnen oder bekam sie wieder zurück, die russische Kriegsgefangenschaft, die eine sowjetische war, wurde dann in der BRD sogar zu einer Art Persilschein. Die, die auszogen, brandschatzend und massenmordend "Lebensraum" zu erobern, kamen zurück als "Opfer" allzu langer Gefangenschaft - niemand stellte mehr Fragen nach (Mit-)Täterschaft.

Und genau das ist typisch für das, was man hierzulande als Vergangenheitsbewältigung betreibt. Die (Mit-)Verantwortung wird einfach entsorgt. Die Bundeswehr beruft sich auf Vorbilder, die zwar Hitler umlegen wollten, daß sie sich zuvor aber bewußt, teilweise sogar planend, an Kriegsverbrechen beteiligten, kümmert niemanden, sie sind die "Helden des 20. Juli". Und wenn im Untergang der wodkavernebelte Russe über die Deutschen kommt, so tilgt das anscheinend ihre Schuld, wenn sie denn überhaupt schuldig sich gemacht haben, was der Film ja eher verneint.

Das macht den Film in der Tat wertvoll. Für all die, die in diesen Tagen daran gehen, den 60. Jahrestag einer "Vertreibung" zu begehen, die für sie ein "Menschheitsverbrechen", nein, das "Menschheitsverbrechen" schlechthin darstellt, können sie sich - auch wegen der öffentlichen Wirkung des Untergangs - doch noch unbefangener als die unschuldigen Opfer inszenieren, die sie in der Realität - die wiederum ist in unzähligen staubigen Akten festgehalten, die nicht so leicht zu konsumieren sind wie ein dennoch grottenschlechter Film - nie waren.

MfG
tw_24