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15. July 2002, 16:01   #60
tw_24
 
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Zitat:
Zitat von jupp11
Es geht doch um Toleranz und Intoleranz.
Genau. Ich bin der Meinung, daß Fereshta Ludin als Lehrerin - gerade in Deutschland - eine Bereicherung sein könnte - aber ich gebe auch zu, daß sie das nicht unbedingt sein muß; und vor allem ihr Kopftuch, das mir persönlich kein Kopfzerbrechen bereitet, kann aber wirklich, wenn es als Symbol einer Religion verstanden wird, die Frauen unterdrückt (Männer dürfen sich nicht einmal rasieren![?]), als negativ empfunden und bezeichnet werden.

Insofern sehe ich durchaus ein, daß die arme Frau ihren Beruf nur an einer Koranschule ausüben darf und würde auch nicht sagen, daß jupp11, quentin, freund, mandy sue u.a. falsch lägen. Die Befürchtung (indirekter) religiöser Indoktrination ist sicher durch das im Unterricht getragene Kopftuch gegeben, auch wenn ich das Gefährdungspotential vom jeweiligen Fach abhängig machen würde. Gegenteilige Ansichten kann ich aber auch verstehen - weil ich mit Göttern in der einen oder anderen Ausprägung nichts anfangen kann und will.

jupp11 hat recht, quentin hat recht, freund hat recht - ich habe aber auch recht ;-).

Ich sehe die Schule im festen Griff christlich-abendländischer Kultur und würde angesichts dieser institutionalisierten religiösen Einseitigkeit eine religiöse Vielfalt an der Schule als einen Schritt hin zu der richterlich geforderten weltanschaulichen Neutralität sehen. Vielfalt statt Einfalt eben, da eine wirkliche Neutralität einfach nicht machbar ist (, zumindest in meinen Augen).

Vielleicht würde ich damit aber auch den Bock (bzw. die Böcke) zum Gärtner machen? Ich weiß es nicht. Ich (nachwuchslos) hätte jedenfalls nichts gegen dieses Experiment, gerade weil die Lehrerin durch ihre Bekleidung kontrollierende Aufmerksamkeit geradezu herausfordert; die Gegenargumente sind aber auch richtig.

Wenn jupp11 fordert, Eltern sollten ein Recht darauf haben, daß ihre Kinder vor unerwünschten Beeinflussungen an der Schule bewahrt bleiben, dann kann ich dem zustimmen. Ich hätte nichts gegen Fereshta Ludin, er dagegen schon, aber das ist dann halt eine Frage der Entscheidungsfreiheit der Eltern, denen ich auch nicht Intoleranz vorwerfen würde, in die sich der Staat nicht einmischen sollte.

Meine Ablehnung des Urteils gegen Fereshta Ludin gründet auch auf der Tatsache, daß in ihrem Fall der Staat mit beispiellosem Eifer von sich aus agierte, während im Fall der bayerischen Kruzifixe Eltern klagen mußten und (noch) müssen, während staatlicherseits nichts geschah und geschieht, um die gebotene schuliche Neutralität durchzusetzen. Das ist und bleibt für mich Ausdruck von Intoleranz der staatlichen Institutionen, die eine Religion bevorzugen, die in ihrer Vergangenheit (und teilweisen Gegenwart) auch nicht gerade ein Menschenbild predigt(e), das als "modern" gilt - ich denke da u.a. an die Ausfälle der katholischen Amtskirche nach der Nominierung der unverheirateten Mutter Katharina Reiche als Familienspezialistin im "Kompetenzteam" Edmund Stoibers.

Die Trennung von Staat und Kirche steht nur auf dem Papier - bei den C-Parteien ist das offensichtlich, aber letztlich vertreten ja auch die anderen Parteien irgendwelche Weltanschauungen und werden dafür (nicht) gewählt. Daher meine ich, daß eine entsprechende Vielfalt an Schulen eher der Neutralitätspflicht entspräche als das staatlich (!) verfügte Verbot bestimmter religiöser Symbole.

Aber, wie gesagt, wenn Eltern keine kopftuchtragende Lehrerin wünschen, so ist dieser Wunsch ebenfalls berechtigt - das muß nicht in einem faktischen Berufsverbot für Fereshta Ludin enden, sondern wäre mit einer entsprechenden Ausstattung an Lehrkräften an Schulen sicher auch zu lösen. Aber da kommen ja wieder die ewigen Geldnöte ins Spiel, die Stundenausfall beinahe schon zur Normalität werden lassen :-( - in der vielgescholtenen DDR gab es eigentlich leider ;-) immer irgendeinen Vertretungslehrer, richtigen Stundenausfall kenne ich nur aus den Sommermonaten - wegen übermäßiger Hitze, nicht aber aus Lehrermangel.

MfG
tw_24