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22. November 2005, 09:44   #24
tw_24
 
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Gutmenschen wollen neuerdings drangehen, eine "digitale Kluft", die es zwischen der Nord- und der Südhalbkugel des Planeten zweifellos gibt, mit unheimlich billigen Kurbel-Laptops zu überwinden, was ein nobles Ziel ist, aber zugleich ausgesprochen weltfremd, denn Hunger kann man schlicht nicht wegkurbeln, was auch für die enorme Lustfeindlichkeit gilt, die wohl Ursache dafür ist, daß die barbarische Beschneidung von Mädchen in allerlei Ländern praktiziert wird.

Und traurigerweise hilft gegen FGM sehr wahrscheinlich kein Konsum-Boykott, wenn selbst ein Regime wie das des Saddam Hussein es nicht vollbrachte, das offizielle Verbot der Beschneidung wirksam durchzusetzen und deshalb eher jene bekämpfte, die öffentlich auf diese Praxis hinweisen wollten. Entsprechend unterblieben denn auch im Bath-Irak Aufklärungskampagnen, denn diese wären ja dem Eingeständnis gleichgekommen, daß der allmächtige Staat zumindest in dieser Sache machtlos war.

Und auch heute ist es im Irak noch immer praktisch unmöglich, wirksam etwas gegen FGM zu unternehmen, wenngleich nun immerhin ein paar Zahlen vorliegen (von ungefähr 1.500 befragten Frauen in der Gegend von Germian, einem ziemlich armen Landstrich, gaben 907 an, beschnitten worden zu sein) und es auch nicht mehr tödlich endet, öffentlich darüber zu sprechen. Allerdings haben selbst die motiviertesten NGOs ein riesengroßes Problem, das darin besteht, an die Mädchen/Frauen bzw. ihre Familien überhaupt heranzukommen.

Die Illegalisierung von FGM macht diese 'Operation' zur Familienangelegenheit, die Opfer von einst, sind dabei oftmals die Täterinnen von heute, und an der Familie(ntradition) scheitern regelmäßig selbst anerkannte religiöse Würdenträger, im Irak lehnen ja tatsächlich einige von ihnen die Beschneidung ab. Doch auch das richtet herzlich wenig aus, es geschieht wieder und wieder, daß Mädchen zwischen 4 und 10 Jahren an den Folgen der Beschneidung jämmerlich verrecken.

Das führt zu der eigentlich paradoxen Situation, daß als ein erster Schritt zur vielleicht irgendwann einmal gelingenden Ächtung von FGM deren Legalisierung wünschenswert scheint, denn wird die Beschneidung medizinisch professionell durchgeführt, dürften die Überlebenschancen der betroffenen Mädchen steigen. Und eventuell verliert FGM, wird sie unter klinischen Bedingungen durchgeführt, langfristig auch ihren Charakter als religiöser/traditioneller Brauch, wird sozusagen entzaubert.

Grundsätzlich müßte aber, so scheint es mir, natürlich noch an einem völlig anderen Selbstverständnis von Sex in den betroffenen islamistisch/patriarchalisch geprägten Gesellschaften gearbeitet werden, was wiederum mit sonst zu beinahe allem bereiten NGOs nur schwer möglich ist, christlichen etwa, denn auch für die ist es schier unmöglich anzuerkennen, daß Sex einfach nur Spaß machen kann, Spaß oder Lust, den bzw. die die Beschneidung ja verunmöglichen soll.

Und wenn dies schon einigen Hilfsorganisationen nur äußerst schwer beizubringen ist, ist das natürlich noch ungleich schwieriger dort, wo es für sexuelle Selbstbestimmung noch nichtmal die passenden Vokabeln gibt :-(.

MfG
tw_24