Thema: Stichtage
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15. June 2006, 11:47   #193
Jules
 
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11. Juni 1985: Auf der Glienicker Brücke findet der größte Agentenaustausch statt

Unter einem Agentenaustausch versteht man, wenn zwei Geheimdienste gefangene Agenten der Gegenseite freilassen und im Austausch eigene Agenten von ihr erhalten.

Austauschgründe

Für den Tausch von Agenten können folgende Gründe vorliegen:
Eigene, vom Gegner gefasste Agenten, zu erhalten, um
zu verhindern, dass noch unentdeckte Strukturen des eigenen Agentennetzes beim Gegner aufgedeckt werden (Verrat).
bislang unbekannte Informationen abzuschöpfen, die nach der Verhaftung nicht übermittelt werden konnten und auch nicht nach der Festnahme preisgegeben wurden.
Erfahrungen des Agenten zu Ausbildungszwecken zu nutzen.
den gefassten Agenten zu bestrafen.
die Leistungen des Agenten im eigenen Land propagandistisch zu verwerten.
Feindliche Aktionen zur Befreiung des gefassten Agenten zu verhindern.

Humanitäre Gründe (Befreiung, Rückkehr in die Heimat, Familienzusammenführung) spielen in der Regel keine Rolle. Sie werden jedoch gegenüber der Öffentlichkeit meist vorgegeben, wenn der Fall bekannt wird.

Austauschpraxis

In der Regel findet ein Austausch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da keine Seite zugeben will, dass sie im Ausland spioniert. So einigt man sich meist auf eine stille Aktion. Nur in wenigen Fällen wird die Öffentlichkeit unbeabsichtigt oder gezielt einbezogen.

Agententausch auf der Glienicker Brücke

Für den Tausch Abel gegen Powers hatte man bewusst die Glienicker Brücke an der Grenze zwischen West-Berlin und Potsdam (DDR) gewählt. Kein anderer Grenzort als Berlin wäre von den beteiligten Mächten USA und UdSSR besser erreichbar gewesen. Hier stand beiden Seiten eine perfekte Logistik für die Sicherung, den An- und den Abtransport zur Verfügung.

Die Glienicker Brücke hatte gegenüber allen anderen Grenzübergängen Zwischen West-Berlin und Ost-Berlin bzw. der DDR den Vorteil, dass sie hermetisch von der Öffentlichkeit abgeschottet werden konnte. An jedem anderen Grenzübergang war weitaus mehr unerwünschter Publikumsverkehr. Beim ersten Agententausch auf der Glienicker Brücke war mindestens von einer Seite nicht beabsichtigt, Öffentlichkeit herzustellen. Dennoch sorgte der Austausch für Schlagzeilen.

Zwischen 1962 und 1985 wurden auf der Glienicker Brücke drei Austauschaktionen mit insgesamt 38 Personen durchgeführt. Später ging sie unter dem Namen "Agentenbrücke" durch die Medien. Der englische Spitzname der Brücke ist "Bridge of Spies". Glienicker Brücke Eine maßgebliche Vermittlerrolle bei den Austauschen 1985 und 1986 spielte der Ost-Berliner Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Vogel.

Austausch 1
11. Februar 1962 zwischen
Oberst Rudolf Iwanowitsch Abel, Spitzenspion der Sowjets in den USA und
Francis Gary Powers, dem amerikanischen Piloten, der bei einem "Aufklärungsflug" mit der U 2 über der Sowjetunion abgeschossen wurde.

Austausch 2
11. Juni 1985 zwischen
23 Häftlingen aus der DDR und
vier im Westen von der CIA verhafteten Spionen.

Austausch 3
11. Februar 1986 Austausch 4(Ost) ./. 5(West) von
Anatoli (Nathan) Scharanski (Schreibweise auch Anatolij Schtscharanski), UdSSR
Kybernetiker, Dissident, Regimekritiker, Oppositioneller. Aus Sicht der UdSSR ein Agent, verurteilt wegen Verrats und antisowjetischer Agitation. Später Minister für Jerusalem in Israel.
Wolf-Georg Frohn, DDR
Jaroslav Javorský, ČSSR
Dietrich Niestroj, BRD

gegen
Hanna Köcher
Karl Köcher
Semjiakow, Computerspezialist der UdSSR
Jerzy Kaczmarek, Geheimdienstler der VR Polen
Detlef Scharfenorth

Die Amerikaner wählten beim dritten Austausch gezielt den 11. Februar 1986 aus, da exakt 24 Jahre zuvor der Austausch zwischen Oberst Abel und Pilot Powers erfolgt war. Im Vorfeld gab es zwischen der Sowjetunion und den USA Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Anatoli Scharanski als Freiheitskämpfer (Sicht der USA) oder Agent (Sowjetische Auffassung) zu behandeln sei. Die Amerikaner setzten sich mit ihrer Auffassung durch und erwirkten, dass Scharanski vor den drei Anderen zur Grenzlinie gefahren wurde.

Während von westlicher Seite ein spektakulärer Medienrummel inszeniert wurde, berichtete im Osten lediglich das Staatsorgan der DDR "Neues Deutschland" in der Ausgabe vom 12. Februar 1986:
Austausch auf der Glienicker Brücke Auf Grund von Vereinbarungen zwischen den USA und der BRD sowie der UdSSR, ČSSR, der VRP und der DDR fand am Dienstag, den 11. Februar 1986 ein Austausch von Personen statt, die durch die jeweiligen Länder inhaftiert worden waren. Darunter befanden sich mehrere Kundschafter.

Agentenaustausch


Die Glienicker Brücke verbindet über die Havel hinweg die Städte Berlin und Potsdam, Stadtteil Berliner Vorstadt. Ihren Namen verdankt sie dem in der Nähe gelegenen Gut Klein-Glienicke, an dessen Stelle heute das Schloss Glienicke liegt. Weltweit bekannt wurde die Glienicker Brücke durch den spektakulär inszenierten dritten und letzten Agentenaustausch am 11. Februar 1986.

Lage

Nördlich der Brücke befindet sich der Jungfernsee, südlich davon die Glienicker Laake und der Tiefe See. Die Bundesstraße 1 verläuft über die Brücke, unter ihr führen Binnenwasserstraßen (Havel, Teltowkanal Letztes Verbindungsstück über Seen) hindurch.

Geschichte

Anfang des 17. Jahrhunderts wurde eine schmale Holzbrücke an dieser Stelle errichtet. Es war ausschließlich das Privileg des Adels, diese als Verbindung zwischen den Potsdamer Schlössern und den Jagdgründen auf der anderen Havelseite zu nutzen. 1753 wurde eine ständige Postverbindung zwischen Berlin und Potsdam über die Brücke eingerichtet. Das alte Bauwerk wurde 1777 durch eine neue Holzkonstruktion mit Geländer und Zugbrücke ersetzt. Bald wurden Wachsoldaten an der Brücke eingesetzt. Da es häufig zu Problemen bei der Kontrolle kam – manche Kutscher fuhren einfach unkontrolliert durch – wurde erstmals ein Schlagbaum auf dieser Brücke errichtet.

Die Strecke Berlin - Potsdam wurde 1792 bis 1795 als preußische Muster- und Vorzeigechaussee ausgebaut. Dazu wurde auch ein "Chausseegeld-Einnehmerhäuschen" errichtet, das Befahren war gebührenpflichtig, außer für den Adel. An mehreren Streckenabschnitten hatte man zum Kassieren Kontrollpunkte eingerichtet. Die Glienicker Brücke erhielt somit ihren ersten festen Kontrollpunkt.

Neben der Holzbrücke wurde 1831 mit dem Bau einer Steinbrücke begonnen. Der preußische Hofarchitekt Karl Friedrich Schinkel war maßgeblich am Entwurf beteiligt. Für die Bauausführung bestimmte der Preußische Staat: ... hat elf Durchflussöffnungen, von welchen zehn Öffnungen, jede 31½ Fuß weit und überwölbt, und eine Öffnung zur Durchfahrt der Schiffsgefäße, die 30 Fuß im Lichten weit und mit zwei gegeneinanderschlagenden Zugklappen überdeckt ist. Die ganze Länge der Brücke zwischen den Stirnwänden beträgt 565 Fuß. Die Fahrbahn ist 20 Fuß und jeder Fußweg daneben vier Fuß breit. Erstere ist mit behauenen Granitsteinen gepflastert, die Fußwege sind aus scharf gebrannten Steinen gemauert.... (Anmerkung: 1 Fuß in Preußen = 31,385 cm. Die Brücke hatte somit eine Gesamtlänge von 177,33 m, eine Gesamtbreite von 8,79 m, Die Öffnungen waren 9,88 und 9,42 m breit). Diese Brücke weihte am 30. September 1834 " ...die erhabene Tochter ...(des) ... allgeliebten Königs, Ihre Majestät die Kaiserin von Russland ... Allerhöchstdieselben und Ihre Kaiserl. Hoh. die Großfürstin Maria .." ein. Das Kassenhäuschen wurde im nächsten Jahr entfernt und verkauft. Im gleichen Jahr passierte exotische Fracht unter der Brücke hindurch: Das Dampfschiff "Henriette" brachte von Hamburg für den königlichen Tiergarten auf der Pfaueninsel einen Löwen, zwei Ameisenbären und zwei Affen. Begleitet wurde die Fracht von den Prinzen Carl und Wilhelm.

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