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13. September 2002, 15:57   #1
Pumawoman
 
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Wenn das Auto streikt

Der Wetterbericht klingt ja ganz passabel, 25 Grad, strahlender Sonnenschein, also Blick in den Kleiderschrank, ein Sommerkleid gefunden, leichtes Parfüm verwenden, Schuhe zum Kleid passend und ab gehts.

Auto steht mal wieder nicht am üblichen Parkplatz - wer ist zuletzt damit gefahren? Geistesblitz: die Tochter. Handy zücken; Kurzwahl: ein verschlafenes "Ja Mum?!" "Guten Morgen mal, kannst du mir bitte sagen wo mein Auto parkt?" "Ähhhhmmm, na schau mal in der Nebenfahrbahn, aber..." Mhhh, jetzt hätte die Mum wohl besser zugehört - vieles hätte sie an diesem Tag nicht erlebt. Über die Straße, Nebenfahrbahn ablaufen - Auto steht da, Schnellinspektion, kein Kratzer. Rein, Tasche auf den Nebensitz, starten ... wollen. Kein Laut!!!! Noch ein Versuch ... nichts. Blick auf die Tankanzeige (jaja manchmal schaffen das auch Frauen ohne die Hilfe eines Mannes). Erster Gedanke: Ich bring sie um! Zweiter Gedanke: Shit, ich muß mit den Öffis fahren. Also dann los.

Zuerst mal der Autobus:
Na klar, um diese Zeit - knapp vor 8 Uhr Früh - er ist voll. Der Lärm ist fast unerträglich, aber es sind ja viele Schulkinder dabei, die müssen sich verdammt viel erzählen - am besten quer durch den Bus. Ahhh, hat da jemand seine Turnstange grad in mein Kreuz gerammt? Ein Blick nach rückwärts - nein, ein kleiner Junge drückt mir eine Schultasche ins Kreuz. Ich versuche einen kleinen Schritt vorwärts, rumms - da steht ja auch einer im Weg. Ok, ich bleib stehen - mit der Tasche im Kreuz. Wird ja wohl mal weniger weh tun.

Aha, meine Lieblingsfahrgäste, die Pensionisten sind auch on Board. Ein leichtes Lächeln macht sich breit: wie eh und je, wenn die Schüler unterwegs sind, habens die Pensionisten besonders eilig. Und es wird wieder mal gemeckert, was das Zeugs hält. "Zu unserer Zeit war das gaaaaaanz anders" (na klar, liebe Dame, damals mußtest du auch zu Fuß gehen und hattest keinen Autobus zur Verfügung), "wir hatten noch Respekt vor dem Alter" (auch das haben unsere Kids - nur wollen sie nicht pausenlos angegiftet werden). Puuhh, Endstation - hey, ich will auch raus, also rempelt doch nicht alle so.

Nächster Weg: U-Bahn. Die Meute läuft mit, diesmal etwas größer und älter, Gymnasiasten und Studenten. Ich finde einen Fensterplatz, nehme meine Zeitung und versuche zu lesen. Es bleibt beim Versuch. Irgendwie machen sich meine Magennerven plötzlich bemerkbar, meine Nase nimmt Gerüche auf, die sie um diese Zeit irgendwie nicht ganz verträgt - Bier und Leberkäse (Fleischkäse glaub ich in Deutschland). Igitt! Augen hoch - oh, nein. Vis a vis von mir nimmt grad jemand sein Frühstück ein, schmatzend, rülpsend. Na super.

Was ist denn das jetzt? Zu dieser Geruchskomposition schleicht sich der feine Duft von ... Maiglöckchen. Mit diesen Blumen assoziere ich ältere, feingliedrige Damen, Blick wieder hoch: Unverständnis macht sich breit. Wie kann dieser Duft an DIESER Frau sein? Spindeldürr, knallbunte Leggins, Turnschuhe, zerknülltes T-Shirt, wasserstoffblond und ne Dauerwelle. Ich würd am liebsten schreien, ABER ... "Hearst Oida, wos schaust meina Kotz ins Dekoitee? (ich nehme an, daß eine Übersetzung überflüssig ist ) Der Begleiter des "Maiglöckchen", ebenfalls eine Augenweide von mindestens 120 kg - wie groß ist eigentlich ein Bierfaß und kann man es ganz schlucken, schießt durch meinen Kopf? Diese wunderbare Freizeitkleidung, die Männer im Fitness-Studio hin und wieder tragen - Bodybuilderhose und Holzpantoffel, Trägershirt und Unmengen von Gold um den Hals - der Kontrahent - ein ausländisch aussehender Mann, schmächtig, ruhig. "Ich nix deiner Frau irgendwohin schau". Jetzt wirds sprachlich immer besser: "Kimmetirk, häng dei Oide net mit de Fetzen zu, daun brauchst net meine auschaun". Argh, alles krampft sich zusammen - gehts denn nicht ein bißchen feiner und vor allem leiser? Nein scheint nicht so zu sein. "Ich nix Kimmetirk, ich nix hängen meine Oide zu - du rassistischer Österreicher". Die Streitparteien bewegen sich zum Ausgang - *aufstöhn* - na endlich.

Noch eine Station - ich brauche nicht mehr lesen, ich will raus hier. Der Zug fährt ein, schnell raus hier. Ich gehe ein Stück, vor mir steht ein Punk. Auch das noch rattert es durch meinen Kopf. "Habens ein paar Cent für UNS?" "Uns" schießt es durch meinen Kopf, er ist doch alleine - und während dieses Gedankens werden meine Augen groß und größer, mein Mund öffnet sich - aber, dank der guten Erziehung schreie ich nicht los - auf seiner Schulter sitzt eine fette Ratte - daher UNS. Ich nicke wortlos, krame ein paar Cent raus, lasse sie einfach ins eine Hand fallen und gehe verdammt schnell zum Ausgang.

Also das Resümme für diesen Tag ist: ich borge NIE wieder meiner Tochter mein Auto.