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3. September 2005, 22:46   #1
Ben-99
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New Orleans und die "United States of Shame."

... da es jetzt nicht mehr um Jürgen Trittin und seine angeblich so schlimme USA-Kritik geht und wir nun inzwischen wissen, daß das vielleicht sogar für immer untergegangene New Orleans noch in vielen Jahren Inbegriff für eine der fürchterlichsten Naturkatastrophen sein wird, erlaube ich mir mal, dem Thema einen eigenen Thread zu spendieren, weil das zur Zeit bei einigen Blättern so beliebte Trittin-Bashing eigentlich mehr ein deutsches Wahlkampf-Thema ist.

Hier soll es aber mal wirklich um die Frage gehen, wieviel "Schuld" Amerika selbst an der Katastrophe trägt. Und mit "Amerika" meine ich nicht etwa die Bürger der USA, schon gar nicht die armen Seelen der jetzt von der Flutkatastrophe Betroffenen, sondern damit sind jene unverantwortlich egoistisch handelnden eiskalten Macht-Politiker - allen voran George W. Bush - gemeint, gegen die in Amerika die Wut zur Zeit immer lauter wird.

Es ist also Quatsch zu behaupten, daß nur deutsche Linke so denken, wie uns das manche mit ihrem stereotypen "Antiamerikanismus"-Gefasel immer wieder einreden wollen. Und deshalb kann ich allen von Euch nur empfehlen, den ätzend scharfen Artikel zu lesen, der immerhin in der "New York Times", der angesehensten amerikanischen Zeitung, erschienen ist. Und zwar mit der Headline, die ich auch in meiner Überschrift für diesen Thread zitiert habe.

Denn es ist wirklich eine "Schande" für die USA, wenn man sieht, wie sich jetzt die Natur für die ignorante Politik eines George W. Bush rächt. Und viele Amerikaner "schämen" sich ja sowieso schon lange, daß sie einen solchen Präsidenten ertragen müssen, dem sein verantwortungsvolles Amt schon vom ersten Tag an drei Nummern zu groß war.

Leider ist der Beitrag der "New York Times" zur Zeit nur im Original, also auf Englisch zu lesen:

http://service.spiegel.de/cache/inte...373001,00.html

Aber es lohnt sich. Vor allem, weil er satirisch an die Textzeilen des berühmten Songs "American Pie" von Don McLean angepaßt ist ("Drove my Chevy to the levee but the levee was dry"). Nun heißt es sarkastisch: "W. drove his budget-cutting Chevy to the levee, and it wasn't dry. Bye, bye, American lives".

Und die Frage wird gestellt: "Why does this self-styled "can do" president always lapse into such lame "who could have known?" excuses. Und weiter:

Zitat:
Who on earth could have known that Osama bin Laden wanted to attack us by flying planes into buildings? Any official who bothered to read the trellis of pre-9/11 intelligence briefs.

Who on earth could have known that an American invasion of Iraq would spawn a brutal insurgency, terrorist recruiting boom and possible civil war? Any official who bothered to read the C.I.A.'s prewar reports.

Who on earth could have known that New Orleans's sinking levees were at risk from a strong hurricane? Anybody who bothered to read the endless warnings over the years about the Big Easy's uneasy fishbowl.
Anschließend wird aufgezählt, wie oft Bush schon von anderen verantwortungsbewußten Politikern gewarnt wurde, daß es irgendwann zu einer Katastrophe kommen wird, wenn er nicht endlich auch mal Gelder für Vorbeugemaßnahmen zur Verfügung stellt.

Und dann wird es wieder ironisch, wenn es heißt, daß wohl die amerikanische Außenministerin Condi Rice erst durch Blogger zurück nach Washinton gejagt wurde, wo sie sich doch gerade in der vornehmen New Yorker Fifth Avenue nach hübschen Schuhen umsah:

Zitat:
It would be one thing if President Bush and his inner circle - Dick Cheney was vacationing in Wyoming; Condi Rice was shoe shopping at Ferragamo's on Fifth Avenue and attended "Spamalot" before bloggers chased her back to Washington; and Andy Card was off in Maine - lacked empathy but could get the job done. But it is a chilling lack of empathy combined with a stunning lack of efficiency that could make this administration implode.
Doch zum Schluß wird es wieder todernst, wenn darauf hingewiesen wird, daß man sich andererseits einen teuren Krieg leisten konnte, der nur auf Lügen aufgebaut war und man mit der Sanktionierung von Folter das Vertrauen der Welt in die amerikanischen Ideale kaputtgemacht hat:

Zitat:
When the president and vice president rashly shook off our allies and our respect for international law to pursue a war built on lies, when they sanctioned torture, they shook the faith of the world in American ideals.
Danach wird noch einmal betont, daß die Opfer der verheerenden Flut-Katastrophe vor allem Arme und Schwarze sind. Und am Ende des Artikels der "New York Times", die in dem mächtigsten Land der Welt gedruckt wird, das so gern den "globalen Polizisten" spielt, heißt es nur lapidar: "Wer sind wir eigentlich, wenn wir nicht mal auf uns selbst aufpassen können?"

Zitat:
When they were deaf for so long to the horrific misery and cries for help of the victims in New Orleans - most of them poor and black, like those stuck at the back of the evacuation line yesterday while 700 guests and employees of the Hyatt Hotel were bused out first - they shook the faith of all Americans in American ideals. And made us ashamed.

Who are we if we can't take care of our own?
Gruß Ben