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14. January 2006, 00:59   #1
Ben-99
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SPIEGEL und BILD jetzt nahezu identisch.

... mit 16 habe ich das Magazin zum ersten Mal gelesen. Doch auf eine solche Meldung mußte ich mehr als dreieinhalb Jahrzehnte warten:

Zitat:
EINGEKLEMMT

77-Jährige überlebte - weil sie am Handtuch saugte

Mary Lillian Anderson verschwand am letzten Freitag. Ihr Sohn gab eine Vermisstenanzeige auf, gesucht wurde aber nicht nach ihr. Erst sechs Tage später rettete ein Lkw-Fahrer die 77-Jährige aus ihrem Auto, das in einem Brombeergebüsch steckte.

Vancouver - "Als ich mich dem Wagen näherte, entdeckte ich eine Person. Sie saß einfach da und starrte mich an", erzählte der Lastwagenfahrer Andrew Thompson. "Sie sah sehr glücklich aus." Thompson hatte das Auto von Mary Lillian Anderson zunächst von seiner Fahrerkabine aus in einem Brombeergebüsch an der Interstate 5 nahe Clark County in entdeckt.

Die 77-Jährige Frau war am 6. Januar verschwunden. Sie kam von einem Lebensmittelgeschäft, verschätzte sich in einer Kurve und stürzte in einen Graben. Es wurde eine Vermisstenanzeige aufgeben, jedoch nicht nach der Frau gesucht. Sie überlebte, weil sie Kondenswasser von der Windschutzscheibe mit einem Handtuch auffing und dieses aussaugte, wie ihr Sohn berichtete. Nach seinen Angaben wurde sie am Donnerstag in einem Krankenhaus in Washington behandelt, ihr Gesundheitszustand sei zufrieden stellend.

http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0...395038,00.html
Nur das Layout erinnert noch an das Hamburger Nachrichtenmagazin. Aber die Meldung an sich hätte Wort für Wort auch in der BILD-Zeitung stehen können. Denn: Auf nähere Hinweise, die das Geschehen wenigstens einigermaßen logisch erscheinen lassen, hofft der Leser vergebens. Bei "Bild" macht das nichts, weil die dortigen Redakteure schon seit jeher davon ausgehen, daß ihre tumben Leser nur ein bissi staunen wollen. Für "Spiegel-Leser" ist das allerdings genauso ungewohnt wie die tägliche Hofberichterstattung über eine peinliche Kanzlerin, die heute auf CNN und in der Tagesschau bei ihrem USA-Besuch nur neben dem noch peinlicheren amerikanischen Präsidenten in ihrer Plumpheit diesmal nicht ganz so auffällig wirkte. Dennoch fühlte man sich glatt an die Muppet-Show erinnert ;-)

Aber zurück zu der zitierten "Nachricht": Vancouver liegt übrigens in Kanada. Also interpretiere ich die Meldung, falls sie überhaupt stimmt, einmal etwas realistischer: Nach 6 Tagen wird eine halberfrorene Frau nach einem Unfall noch lebend in ihrem Auto gefunden. Sie sitzt steif und apathisch in ihren Exkrementen und starrt teilnahmslos auf ihren Retter, einem LKW-Fahrer, der dann später aus irgendeinem Grund dem Dorf-Reporter erzählen wird: "Sie sah sehr glücklich aus".

Davon erfährt dann anscheinend auch eine Presse-Agentur, die den Blödsinn in alle Welt hinausschickt, weil man weiß, daß es genug Blätter wie "Bild" gibt, die einen solchen Schmarren drucken. Schön, daß wir jetzt so etwas auch endlich bei "Spiegel-Online" lesen können.

Ganz auf "Bild"-Niveau umgerüstet hat man dort allerdings noch nicht, da man ja vorerst auch noch die früher mal teuer eingekauften Mitarbeiter beschäftigen muß, die deshalb auch weiterhin auf zumindest sprachlich hohem Niveau ihre umfangreichen Schwafel-Artikel verfassen, in denen sie inhaltlich zwar auch dasselbe wie die "Bild"-Zeitung ausdrücken, dafür aber viel pseudo-intellektueller formuliert. Das schon fast schrecklich nichtssagende Sowohl-als-auch-Genöle über und vor allem gegen den angeblichen "Antiamerikanismus" des "Spiegel"-Plapperers Reinhard Mohr ist so ein Beispiel:

http://www.spiegel.de/kultur/gesells...394860,00.html

Und natürlich kann es nicht nur "Bild", sondern auch das früher mal "im Zweifel linke" Magazin gar nicht mehr abwarten, daß man im derzeit völlig veramten Berlin mal eben eine Milliarde Euro für die Kopie eines preußischen Prunkbaus ausgibt, das mehr oder weniger detailgetreu das damals von Walter Ulbricht abgerissene alte Schloß darstellen soll. Klar doch, wir haben ja auch sonst keine anderen Sorgen:

http://www.spiegel.de/politik/deutsc...393365,00.html

Ich frage mich, warum Springer unbedingt mit ProSiebenSat.1 fusionieren will. Viel wirklichkeitsnäher wäre es doch, wenn sich endlich mal Stefan Aust und Kai Diekmann zusammentun, um ihre beiden Blätter zu verschmelzen, die sich inzwischen kaum noch unterscheiden. Und dann kann man ja die Leser darüber abstimmen lassen, ob sie in Zukunft eine "Bild" im handlichen "Spiegel"-Format haben wollen oder ob der "Spiegel" ab jetzt als großformatige Zeitung herausgebracht werden soll, damit in Zukunft auch die Aal-Verkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt endlich auch mal auf eine "intellektuelle" Verpackung für ihre toten Fische zurückgreifen können ;-)

Gruß Ben