Einzelnen Beitrag anzeigen
20. October 2005, 23:33   #1
Ben-99
Ungültige E-Mail Angabe
 
Registriert seit: June 2003
Beiträge: 5.899
"Der Untergang": Drittklassig, ärgerlich, deutsch.

... was für ein gotterbärmlich grottenschlechter Film. Und in seiner dreistündigen Fernseh-Fassung sogar noch unerträglicher als das Original-Movie. Aber ich war stark und habe mir gestern und heute abend den völlig zu unrecht schon jetzt weltberühmten Film als TV-Zweiteiler angesehen, den einige Unverbesserliche, um nicht "ewig Gestrige" zu sagen, sogar für den Oscar vorgeschlagen hatten.

Wie konnte auch das wieder passieren?

Zunächst: Die meisten Schauspieler trifft keine Schuld. Es wurden hervorragende Darsteller ausgewählt, wenn auch nur Heino Ferch als Einziger Weltklasse-Format bewies. Alle anderen ließen sich von einem Regie-Stümper aus der zweiten Reihe namens Oliver Hirschbiegel dazu mißbrauchen, ihr Talent für ein Machwerk auf Seifenoper-Niveau zu vergeuden.

Am unerträglichsten: Bruno Ganz in der Hauptrolle, der nur rein äußerlich durch seine frappierende Ähnlichkeit mit Hitler überzeugte. Sobald er jedoch den Mund aufmachte und in seiner unfreiwilligen Komik pathetisch grimassierte wie ein sogar schon von der Dorf-Presse abgeschriebener Provinz-Schauspieler, hatte man das Gefühl, daß da jemand Charly Chaplin in seiner berühmten Hitler-Parodie als "großer Diktator" Konkurrenz machen wollte. Ein ständig in Schweizer Mundart brüllender "Führer" wirkt nun mal lächerlich. Denn: Robert De Niro würde auch niemand als Gangsterboß ernst nehmen, wenn er die Stimme von Micky Mouse hätte ;-)

Ich frage mich auch, wer für die Besetzung von Goebbels zuständig war. Der Mann hatte zwar die rheinländische Stimme des Propaganda-Ministers gut drauf, wirkte aber optisch wie das Produkt eines wahnsinnig gewordenen Comic-Zeichners aus der von 13jährigen beherrschten Gothic-Grufti-Szene. Außerdem stand er die 3 Stunden immer nur dumm in der Gegend herum und durfte nur gegen Schluß mal ein paar wenige zusammenhängende Sätze zu Gehör bringen. So war Joseph Goebbels ganz sicher nicht.

Ein Grund mehr, sich zu fragen, warum der (leider noch immer) international anerkannte Historiker Joachim Fest, nach dessen Büchern der Film gedreht wurde, sein Okay für das blamable Werk gab und sich auch noch im Abspann nennen ließ. Allerdings weiß man ja von ihm, daß er damals auch brav alle Lügen aufschrieb, die ihm Albert Speer diktierte und sich auch nicht traute, in seinen Interviews mit ihm auch nur ein einziges Mal kritisch nachzufragen.

Mein Gott, erst jetzt weiß man, wie anspruchsvoll dagegen "Speer und ER" von Heinrich Breloer war. Und für mich war Tobias Moretti, egal was er vorher gespielt hat, in seiner androgynen, fast schon schwulen Art, der bisher beste "Adolf Hitler", den es weltweit je im Fernsehen oder auf der Kino-Leinwand gegeben hat. Und der Autor und Regisseur hat es verstanden, die "Superstars" des Dritten Reichs auch so dazustellen, wie sie wohl auch wirklich waren. Allerdings hat er sich mit seinem Dreiteiler auch nicht an den deutschen Stammtisch gewendet. Klar, daß sich da so manche "stolzdeutschen" Dumpfbacken gelangweilt haben. Aber die wurden ja schon vorher bei der Lore-Roman-Kino-Fassung der "letzten Tage von Berlin" von dem Gespann Eichinger/Hischbiegel zärtlich an den Eiern gekrault.

Und da wären wir auch schon bei der politischen Beurteilung dieses Films angelangt. Und die kann eben nur verärgert ausfallen, weil der peinliche Film durch und durch "deutsch" war, womit gemeint ist, daß er für Deutsche und deren Freunde in der Welt gemacht wurde, die schon immer ganz genau "wußten", daß nicht das deutsche Volk und nicht einmal die Nazis dieses Unheil über unser Land gebracht haben, sondern nur ein einzelnes Individuum, das auch nicht mal als "Mensch" bezeichnet werden kann und schon gar nicht so dargestellt werden darf.

Daß ein Massenmörder nach Feierabend wieder ein ganz "normaler" Mensch sein kann, der seinen Hund streichelt und mit seiner Fanilie friedlich den Abend verbringt, mag man vielleicht noch bei George Bush glauben. Bei seinem früheren Freund Saddam aber schon nicht mehr. Und bei Hitler darf so etwas natürlich erst recht nicht sein.

Deshalb war es auch diesmal wieder nötig, Adolf Hitler als Monster zu zeigen, das irgendwann vom Himmel fiel bzw. aus der Hölle aufgestiegen war, um die braven Deutschen zu verteufeln. Nur so kann man sie von ihrer Schuld am Tod von 6 Millionen Juden und über 50 Millionen Kriegstoten auf billige Weise freisprechen. Denn sie hatten sich ja nichts dabei gedacht, wenn ihre Nachbarn mit einem gelben Stern am Mantel herumlaufen mußten, bevor sie später "abgeholt" wurden. Und auch als Bücher und Synagogen lichterloh brannten, dachten sich unsere Großeltern nicht dabei. Schließlich hatten sie ja ein paar Jahre zuvor eben diese Partei demokratisch gewählt, dessen braune Horden vorher prügelnd und mordend durch die Straßen zogen.

Und wie so oft wurde auch in diesem Film gezeigt, daß es eigentlich, bis auf ein einziges dämonisches Ungeheuer mit quadratischem Oberlippenbart, gar keine bösen Nazis gab. Sondern nur redliche Deutsche in Uniform, die sich heldenhaft bis zuletzt für das "Gute" eingesetzt haben. Als auch tw_24 das vor ein paar Tagen in seinem FN-Beitrag behauptete, hielt es zunächst für eine maßlose Übertreibung:

http://www.forennews.de/board/showth...8023#post58023

Doch nach der dreistündigen TV-Fassung sehe ich es inzwischen genauso. Sogar eine Magda Goebbels, in Wirklichkeit ein karrieregeiles Naziluder, das sich bis nach ganz oben durchgefickt hatte und am Ende sogar ihren 6 Kindern eigenhändig die Cyankali-Kapseln in den Mund schob, verlieh der Regisseur, der wohl auch selbst für sein eigenes Wohl über Leichen gehen würde, bis zum Schluß so etwas wie "Würde", wenn er die exzellente Corinna Harfouch die Rolle so spielen ließ, daß man fast Verständnis für die Kindesmörderin aufbringt.

Und vor allem für den heuchlerisch-verlogenen Produzenten Bernd Eichinger, der ansonsten von Politik so unbeleckt ist wie seine niedliche "Momo" oder der herzige Drache in der "Unendlichen Geschichte", ging das Kalkül auf: Man kann sogar Millionen damit verdienen, wenn man Hitler und seine bis zuletzt Getreuen so darstellt, wie "wir" es alle gern hätten.

Danke, Bernd Eichinger, daß die Welt nun endgültig weiß, daß kein Deutscher Verantwortung für das Grauen zwischen 1933 und 1945 trägt, sondern daß das alles nur, quasi in "Eigenregie", von einem einzelnen zugereisten Österreicher angerichtet wurde, der dazu auch noch bei seinen hysterischen Schreianfällen ins niedliche "Schwyzerdütsch" verfiel.

Ja, Bernd, genauso war es. Denn so ein Mann, so ein Tier, so ein Monster, kann überhaupt nichts mit unserer lieben Omi und unserem lieben Opa zu tun gehabt haben. Und daß allein in den letzten Wochen bei der Eroberung von Berlin 300.000 russische Soldaten sterben mußten, weil all die von Dir als "nette" deutsche Generäle Dargestellten bis zuletzt ihre hündische Ergebenheit vor Hitler bewiesen, hast Du freundlicherweise auch nicht erwähnt, aber dafür gezeigt wie "herzig" es im Kreis der Lieben im Führerbunker Ecke Wilhelmstraße / Voßstraße zuging.

Danke, Bernd Eichinger, daß Du der Welt endlich die Augen geöffnet und uns Deutsche gleichzeitig dabei auch wieder mal so schön beruhigt hast.

Gruß Ben