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8. May 2002, 13:26   #28
tw_24
 
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@ jupp11:

> erklär mir doch mal Deine Sig, und vielleicht den anderen auch, damit es nicht zu
> Missverständnissen bei unsereiner kommt

Das ist blanker Zynismus. Mir fiel der Spruch zum Thema "Wir haben nur Befehle aus-
geführt" ein. Die Deserteure von damals wurden ja auch erst vor kurzer Zeit und aus-
gesprochen widerwillig "begnadigt".

> Wow, das artet ja richtig in Arbeit aus...

Wie sagte unser aller Kanzler vor einem guten halben Jahr so schön: "Es gibt kein
Recht auf Faulheit." ;-)

> Eine Diskussion darüber, welcher von beiden deutschen Staaten der bessere gewesen
> ist, halte ich für müssig.

Ich auch, aber wenn da nun ein gutes Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung noch angeb-
liche Informationsdefizite bemüht werden, um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen,
marschiere ich auch mal ins Offtopic. Aber weitere Diskussionen zu diesem Thema soll-
ten wirklich anderswo stattfinden.

> Belastet ist das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel allemal und das ist
> auch kaum verwunderlich bei dieser gemeinsam Vergangenheit.

Das ist nun wieder Ansichtssache. Die rot/grüne Regierungspolitik hat vor allem in
Gestalt des Außenministers Joseph Fischer klammheimlich so manches historische Ereig-
nis umgedeutet. Früher hieß es, man könne sich wegen "Auschwitz" nicht in Kriege in
aller Welt einmischen, spätestens seit dem Kosovo-Krieg sind wir wegen "Auschwitz"
plötzlich verpflichtet, uns einzumischen - auch und gerade gegen ehemalige Gegner. So
betrachtet war der Vorschlag Gerhard Schröders, deutsche Soldaten nach Israel zu
schicken einfach nur logisch - weil nun eben "Normalität" eingekehrt ist.

> Sind allerdings 2 Generationen später "Schuldgefühle" imho fehl am Platz. Übrig bleibt
> Geschichtsbewusstsein und die Einstellung, dass sich derartiges nicht wiederholen darf.

Vielleicht ist es nicht angebracht, von "Schuld" zu sprechen. Ich würde "Verantwortung"
vorziehen. Es gab das Dritte Reich, Weltkrieg #2 und Holocaust, begründet wurde das al-
les mit einem Rassismus, der zwar anderen Weltanschauungen auch nicht fremd ist, aber
erst- und hoffentlich einmalig auch traurige Realität wurde.

> Dieses Geschichtsbewusstsein sollte allerdings den Blick für Unrecht und menschenver-
> achtende Politik nicht trüben. Weder für israelische Politik, noch für palästinensische.

So ist es.

> Deutschland stände es gut an, sich nicht instrumentalisieren zu lassen, weder von der
> einen, noch von der anderen Seite.

Das Riesenproblem ist, daß es verdammt schwierig ist, Gut und Böse voneinander zu unter-
scheiden, zu trennen. Im Nahen Osten sind Palästinenser und Israelis Täter und Opfer zu-
gleich, als dritte "Kriegspartei" mischen noch religiöse Fanatiker mit, die vielleicht
am schlimmsten sind.

Wo hört legitimer Widerstand gegen kolonialisatorische [Gibt es das Wort ;-)?] Besatzung
auf und fängt Terrorismus an? Wo hört berechtigte Selbstverteidigung gegen Terror auf
und wird Staatsterrorismus/Kriegsverbrechen? Diese "Grenzwerte" fehlen leider weitgehend.
Juden demonstrier(t)en ziemlich einseitig für "Solidarität mit Israel" - Kritik wird als
antisemitisch diffamiert, Palästinenser gehen für ihr Existenzrecht auf die Straße - und
verbrennen israelische Fahnen.

Ich wünschte mir, daß an Demonstrationen, die der Zentralrat der Juden in Deutschland
organisiert, auch offizielle PLO-Vertreter teilnehmen würden, wie ich umgekehrt den is-
raelischen Botschafter an der Seite politisch aktiver Vertreter der Palästinenser in der
BRD ganz gern sehen würde. Konsens statt Konfrontation.

Aber leider sind beide Seiten selbst auf dem "neutralen" Boden der BRD nicht in der Lage,
sich nebeneinander von Gewalt zu distanzieren. Sie dürften sich auch gern gegenseitig ig-
norieren, wenn sie nur einmal gemeinsam militärische/terroristische Gewalt ablehnen wür-
den.

Auch wenn ich diesen Begriff hasse, aber auf diesen Minimalkonsens sollten sich die Kon-
fliktparteien im Ausland erst einmal einigen. Gewalt mag kurzfristig und einseitig eine
Lösung bringen, aber dauerhaft hilft halt wirklich nur die gegenseitige Akzeptanz, viel-
leicht auch friedliche Ignoranz.

> Der Anteil Rechtsradikaler hier im Lande ist geringer, als das Aufsehen, das sie verur-
> sachen.

Nur ein paar Vietelstündchen noch, dann habe ich bestimmt viel Spaß dabei, "Vertriebene"
zu begleiten, die allesamt unter 30 Jahre alt sind, aber voller Überzeugung ihre Heimkehr
ins ehemalige Reich fordern werden ;-). Wir haben ja heute ein nicht unhistorisches Datum.

Es geht aber nicht nur um Rechtsradikale. Selbst gestandene Linke vertreten heute Po-
sitionen, die auch als "rechts" betrachtet werden könnten.

Deutlich wird dieser "linke" Konflikt, wenn man die Kommentare des Werner Pirker in der
Jungen Welt, wo der Wiener "Auslandschef" ist, den Berichten der Jungle World gegen-
überstellt, die einst mal die Wochenzeitung der Jungen Welt werden sollte.

Werner Pirker: "Israel ist ein von den Amerikanern alimentierter Staat. Würde eine US-
Administration, ob eine republikanische oder eine demokratische, zu der Ansicht gelangen,
daß Israel den amerikanischen Interessen im Nahen Osten nachhaltigen Schaden zufügt, wäre
das strategische Bündnis zwischen beiden Ländern schnell aufgekündigt. Doch von einer
solchen Wahrnehmung ist die Bush-Regierung weit entfernt. Mehr als freundschaftliche Er-
mahnungen aus Übersee, es doch bitte nicht ganz so bunt zu treiben, hat Ariel Scharon
nicht zu befürchten. Weshalb er sich diese auch nicht sonderlich zu Herzen nimmt."

Da mischt sich Antiamerikanismus mit Antizionismus, Antijudaismus, unterschreiben könnte
diesen Kommentar wohl auch jeder beliebige NPD-Anhänger. Palästinenser werden nur als
Opfer dargestellt, nie als Täter - bei aller Mitverantwortung Israels an der Entwicklung,
da zeigt sich Antisemitismus auch bei der politischen Linken.

@ quentin:

Mit der Ost vs. West-Diskussion ziehen wir lieber um ...

> sicher ist, mach keine fehler in irgend einer deiner stellungnahmen. es wird mir ein
> vergnuegen sein.

Nur zu ;-). Ich bin mir beinahe sicher, daß ich mir gelegentlich widerspreche, aber als
Dialektiker werde ich mich dann darauf zurückziehen, das sowohl das eine als auch das
andere seine Berechtigung hat ...

> ach ja, zwischen selbstbewustsein und groessenwahn besteht ein unterschied.

Das ist wohl wahr. Ich behaupte ja gar nicht, im Besitz der alleinigen allumfassenden
Wahrheit zu sein. Wäre das der Fall, würde ich die Welt regieren ;-).

> und rede nicht von strammen deutschen, die rennen in deiner heimat rum, nicht in
> meiner.

Stimmt. Heute nennen sie sich "Vertriebene" und demonstrieren in Dresden, die obliga-
torische Palästina-Flagge hatten sie auch dabei ...

MfG
tw_24