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4. July 2003, 22:22   #1
sara
 
Registriert seit: March 2003
Beiträge: 634
"Mein" Erich Fried *blinzel*

Kürzlich habe ich ihn geschenkt bekommen. Also, nicht eines seiner Bücher. Nein - ihn selbst. Also fast ... eher symbolisch quasi. Weil irgendwie ist es immer dasselbe, wenn ich anfange von ihm zu sprechen. Ich scheine da so eine schwärmerische Groupie-Mentalität zu entwickeln und mit leicht verträumten Blick endlos lange Vorträge zu halten, die mich mehr begeistern, als alle anderen Menschen auf dieser Welt. Und deswegen ist er jetzt - endlich - mein.

Mein Erich Fried - kurz genannt: Mein Erich - der Mann, der in den einfachsten Worten sooooo schöne Liebesgedichte geschrieben hat. Gut, er hat auch andere Gedichte geschrieben - aber das tut ja nix zur Sache. WEIL: seine anderen Gedichte sind so ein ganz anderes Thema und da wäre ich über das Wörtchen mein durchaus zur Diskussion bereit.



Okay, okay, okay ... über Äußerlichkeiten läßt sich streiten, aber darum geht es hier ja auch eigentlich überhaupt nicht. Sondern es geht - mal wieder - um Träume, Sehnsüchte, Gefühle, Schmerz, Liebe und irgendwie um noch viel mehr.

Zitat:
Gesetzt ich verliere dich
und habe dann zu entscheiden
ob ich dich noch ein Mal sehe
und ich weiß:
Das nächste Mal
bringst du mir zehnmal mehr Unglück
und zehnmal weniger Glück

Was würde ich wählen?

Ich wäre sinnlos vor Glück
dich wiederzusehen
Hm, ja nee schon klar, ich seh schon die ersten männlichen User entnervt aus diesem Thread abrücken. Pah - geht doch. Weil, vielleicht ist sowas wirklich nur Unfug, den Frauen hören wollen im Leben. Ja, mag sein. Aber - es ist eben auch der Unfug den Frauen mitunter fühlen im Leben. Und das fühlt sich verdammt schön an. So ist das nämlich ....

Zitat:
Nur nicht

Das Leben
wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte

Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung

Und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet

Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
Es wäre nur nicht
mein Leben
Hmm ... hör ich da ein leises Seufzen aus irgendwelchen Ecken in diesem riesigen Netz ? Jaha - ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es gehört habe.

Ich könnte jetzt hier willenlos Gedichte von Erich Fried posten und alles was ich dazu sagen würde, würde wohl mit einem *seufz* am Schluß enden. Und das wollen wir ja lieber nicht.

Wer selbst ein bissl in den Texten von meinem Erich stöbern mag, kann das wohl am Besten auf www.erichfried.de tun - da findet man quasi alles von und über ihn. Und wer dann mag, der kann ja einfach zurück in diesen Thread kommen und ein *leiseseufz* hierrein posten.


Erich Fried wurde 1921 als Kind jüdischer Eltern in Wien geboren; der Vater war Spediteur, seine Mutter Grafikerin. Er schrieb bereits als Gymnasiast, weiterhin war er Mitglied einer Kinderschauspielgruppe.
Der deutsche Einmarsch 1938 beendete seine Schulausbildung. Der Vater wurde von der Gestapo ermordet. Fried floh nach London und ließ in den folgenden Monaten auch seine Mutter und mehr als siebzig andere gefährdete Personen ins englische Exil folgen. In den Kriegsjahren arbeitete Fried u.a. als Bibliothekar.
1944 erschien sein erster Gedichtband, »Deutschland«, im Exilverlag des österreichischen PEN. Nach dem Krieg arbeitete Fried für zahlreiche Zeitschriften und war in den frühen fünfziger Jahren fest angestellter Kommentator des BBC, jedoch kündigte er 1968 wegen der Stellung des BBC zum Kalten Krieg.
Schon vorher hatte er sich mit der Übersetzung von Dylan Thomas, dem ersten größeren Gedichtband (»Gedichte«) und seinem einzigen Roman (»Ein Soldat und ein Mädchen«) einen Namen gemacht, ab 1963 entstanden auch die ersten Shakespeare-Übersetzungen.
1966 erschien sein Gedichtband »und Vietnam und«, der eine öffentliche Diskussion über das politische Gedicht auslöste. In den folgenden Jahren war Fried viel unterwegs, auf Vortragsreisen, Diskussions- und Soidaritätsveranstaltungen, bezog zu brisanten politischen Fragen Stellung (Prager Frühling, Israel-Palästina-Konflikt, Polizeiübergriffe, Haftbedingungen politischer Gefangener) und hatte daraufhin unter Verleumdungen, Zensur und Anklagen zu leiden.
1977 erhielt Fried einen den »Prix International des Editeurs« für »100 Gedichte ohne Vaterland«; es folgten der Bremer Literaturpreis, der Österreichische Staatspreis, und der angesehene Georg-Büchner-Preis.
Erich Fried starb 1988 während einer Lesereise und wurde in London begraben.
Frieds Gedichte zeichnen sich durch knappe Worte und große Prägnanz aus. Ob Liebesgedichte, politische oder sozialkritische Gedichte - sie sitzen fest. Manche Zeilen vergisst man nie. Lange umkämpft, erreicht er gerade in der heutigen Zeit den Ruhm, der ihm zusteht und besitzt eine immer noch wachsende Fan-Gemeinde. [A. Kalmer, 1999]