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5. September 2005, 08:19   #10
tw_24
 
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Der Herr Jörges ist beim Stern wohl eher Polemiker denn politisch einer Richtung zuzuordnen. Beim Stern ist er, verglichen mit seinem vorherigen Blatt Die Woche, doch so etwas wie ein Fremdkörper, denn das bunte Blatt bedient mehr das gehobene Boulevard als knallhart die Politik zu begleiten.

Dafür kann als Beleg die Berichterstattung des Stern über eine Veranstaltung des linken Diskursblättchens Jungle World gelten, das nach Leipzig (und Berlin) zur Diskussion geladen hatte zum Thema Masse statt Klasse - Die Linke und die Linkspartei, in deren Rahmen doch das eine oder andere gewichtige gesellschaftliche Problem angesprochen wurde.

Doch nicht diese sehr politischen Fragen oder die Debatte zwischen Linken, sah der Stern später als berichtenswert an, sondern es erschien etwas, das sich beinahe wie eine Liebeserklärung an Katja Kipping von der Linkspartei.PDS liest - die veranstaltende Jungle World wurde ebenso wenig erwähnt wie namentlich Kippings Mitdiskutanten, aber das sei dem verliebten Stern-Schreiberling verziehen ;-).

Es erfährt der Stern-Leser nun zwar auch scheinbar unheimlich viel über Katja Kipping, nämlich daß sie "Jugend, Weiblichkeit, und ein[en] Schuss Sex-Appeal" zu bieten hat, dafür aber kaum etwas über das Programm ihrer Partei oder die inhaltliche linke Kritk an diesem - und dennoch gilt sowas beim Stern(-Leser) wohl als politische Berichterstattung, selbst wenn es gar keine ist.

Was andererseits spricht übrigens gegen eine erkennbare politische Ausrichtung eines Mediums? Selbstverständlich will der Konsument zunächst einmal wertfrei informiert werden. Zugleich allerdings gibt es auch nicht wenige Leser, die von ihrer Zeitung politische Führung erwarten, was andere aber wieder ablehnen, die sich lieber einen Diskurs wünschen. Arm dran die, die beide Leser-Gruppen bedienen wollen.

Denn der eine Leser, der sich Führung erwartet, regt sich regelmäßig auf, werden ihm zu einem Thema gegenteilige Ansichten vorgesetzt - etwa beim Streit zum Irak-Krieg innerhalb der Linken -, und der andere geht auf die Barrikaden, legt ein Medium sich fest, weil er eben mehr als nur die Bestätigung seiner Ansichten wünscht.

Dieses Problem freilich gibt es beim öffentlich-rechtlichen TV gar nicht, wo das krampfhafte Bemühen um Ausgewogenheit und Objektivität, um die Verhinderung eines wirklichen Streits auch innerhalb einer Redaktion zu überregulierten Veranstaltungen führt wie diesem gestrigen "Duell", bei denen bestenfalls Langeweile aufkommt, wenn der Zuschauer es überhaupt schafft, nicht vorzeitig einzuschlafen.

Jede Wahlkampfrede ist - weil auch rhetorisch zugespitzt - spannender als das, was gestern wahrscheinlich ein Quotenhit war, zumal auch die Moderation kläglich versagte, aber das war bei vier Befragern kaum anders zu erwarten, denn auch die mußten ja als Vertreter ihrer Sender gleichberechtigt behandelt werden. Im Grunde ist bei dem "Duell", das keines war, nichtmal eine Informationsveranstaltung über die Ideen der beiden "Volksparteien" herausgekommen. Verschwendete Zeit.

MfG
tw_24