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13. May 2002, 07:58   #39
tw_24
 
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Beiträge: 1.018
Zitat:
Zitat von tschubbl
Nach diesen langen Beiträgen,möchte ich mich kürzer fassen.
Einen habe ich aber noch ;-).

Zitat:
Zitat von jupp11
Was mich nun allerdings wundert, ist, dass eine Zeitschrift, die sich links sieht,
mehr und mehr Inhalte von rechtsradikalen Gruppen aufnimmt und sich zu eigen macht.
Tja, das Problem ist ja, daß das gar keine rechte Meinung ist, sondern eine linke.

Wäre das einfach "nur" rechts, könnte man sich vielleicht wirklich zurücklehnen und
voller Überzeugung die These zurückweisen, daß es einen unterschwelig vorhandenen
Antisemitismus in Deutschland und Europa gab bzw. gibt, der nun als Kritik am isra-
elischen Regierungshandeln wiederaufersteht.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel auch die Reichstags-Rede von
Roland Claus vom 26. April 2002. Der Bundestag behandelte die aktuelle Lage im Na-
hen Osten, Gerhard Schröder und Edmund Stoiber hatten staatsmännische Reden gehal-
ten, die sich nur in Nuancen unterschieden, u.a. bei der Frage, ob es denn ange-
bracht wäre, deutsche Soldaten mit UNO-Mandat zu entsenden.

Zurück zu Roland Claus, dem PDS-Fraktionsvorsitzenden, der mit der Schuldzuweisung
auch ganz schnell war. "Terror und Gewalt im Nahen Osten haben nicht eine Ursache
oder eine Lösung." würde auch ich noch unterschreiben, aber jetzt kommt, was ich
eben nicht mehr billige: "Aber das Entscheidende für uns ist, daß der Schlüssel für
den Weg zum Frieden im Moment bei Israels Regierung liegt." Daß es auf palästinen-
sischer Seite auch zu diesem Zeitpunkt aktive und bewußt handelnde Akteure gab
(Arafat saß noch im "Hausarrest".), die es auch heute noch gibt, unterschlug Claus,
der dann die Bundesregierung anging, die sich nicht genügend einmische.

"Herr Bundeskanzler, es genügt nicht, die Kritik an der israelischen Politik in
mahnend milde Botschaften zu hüllen. Herr Bundeskanzler, eine Politik des Unent-
schiedens genügt nicht. Es genügt keine Politik der stillen Diplomatie und keine
Politik der Kritiklosigkeit."

Auch wenn ich das nun vielleicht päpstlicher sehe als der Papst - ich bin da aller-
dings nicht alleine in dieser Beurteilung -, da drängt sich doch die Frage auf, was
Roland Claus will. Logische Konsequenz wären an dieser Stelle UN-mandatierte Blau-
helme (allerdings ohne deutsche Beteiligung), was die PDS in anderen Fällen jedoch
immer ablehnte.

"Wir brauchen den Rückzug der israelischen Armee und wir brauchen den Rückbau von
israelischen Siedlungen. Erst dann ist es möglich, eine Nahost-Friedenskonferenz
einzuberufen, die von der UNO, der EU, den Vereinigten Staaten und Rußland beglei-
tet und mitgetragen werden sollte, wenn nötig auch in Begleitung einer UN-Mission
zur Überwachung der Friedenspflicht beider Seiten."

Da spricht er von "Friedenspflicht beider Seiten", sieht aber nur die israelische
Seite in der Pflicht, eine "Friedenspflicht" auf palästinensischer Seite besteht
wohl erst, nachdem Israel Vorleistungen erbracht hat, die aus israelischer Sicht
ziemlich groß wären - bei durchaus unsicheren Erfolgsaussichten.

Und weil Claus seinen Vortrag auch noch mit Verweis auf die deutsche Innenpolitik
eingeleitet hatte, ließen sich in diese Rede auch antisemitische Tendenzen hinein-
deuten, man könnte vermuten, es ginge weniger um eine berechtigte Kritik an der is-
raelischen Regierung, sondern es ginge auch um die Juden, die in Deutschland leben.

"Ich will an ein Ereignis erinnern, das mir ein wenig in Vergessenheit geraten zu
sein scheint. Warum sind wir - auch alle im Bundestag vertretenen Parteien - am
9. November des Jahres 2000, dem Jahrestag der Pogromnacht, in Berlin auf die
Straße gegangen? - Weil wir alle Anlaß hatten, gegen rechtsradikale Gewalt und ge-
gen Antisemitismus zu demonstrieren."

Damit hat er - gewollt oder ungewollt - einen Zusammenhang zwischen deutschen Juden
und der israelischen Regierung hergestellt, den es nicht gibt. Durch das Herstellen
eines solchen Zusammenhangs wird die nicht unberechtigte Kritik an der israelischen
Regierung entwertet, weil sie auch Juden in Deutschland bzw. Europa trifft, die sich
dadurch natürlich angegriffen fühlen.

Ähnliches war übrigens auch von Jürgen W. Möllemann auf dem Spaß-Parteitag der FDP
am Wochenende zu hören, was uns zur nächsten Frage bringt:

Zitat:
Zitat von jupp11
Ob es nur eine radikale Gruppe in unserer Gesellschaft gibt, die rein zufällig so-
wohl nach links als auch nach rechts geraten kann?
Damit wären wir wieder beim Ausgangspunkt der Diskussion angelangt, die ja mit der
Frage begann: "Deutschland ... Antisemitenland?"

Momentan sieht es zumindest so aus, als käme ein unterschwellig vorhandener Anti-
semitismus zum Vorschein, der weder spezifisch rechts noch eindeutig links ist.

MfG
tw_24